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Der 60. Jahrestag rueckt naeher, und die Vorbereitungen in der Hauptstadt Chinas werden konkret: der Tian'anmen-Platz, das geographische Zentrum der Stadt, ist heute Abend fuer die Oeffentlichkeit gesperrt worden, dort finden die letzten Aufbauten fuer die kommende Festveranstaltung statt. Soldaten trainieren ihren Einsatz zur Militaerparade, tausende Freiwillige, die in der ganzen Stadt unterwegs sind, proben fuer den grossen Tag, die Elektronik fuer Beleuchtungseffekte und Videoleinwaende wird installiert. Ueberall wimmelt es von "60th Anniversary Volunteers"' erkenntlich durch rote Armbinden mit der chinesischen und englischen Aufschrift fuer die freiwilligen Helfer des 60. Jahrestages. Die Armee hatte bereits vor zwei Wochen eine Generalprobe, bei der die gesamte Parade abgehalten wurde.

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Und wir, die wir life vor Ort sind, koennen schon ein klein wenig konkreter sagen, wie die Feier ausschauen koennte: ein riesiges Portrait von Sun Yatsen, dem demokratischen Revolutionaer und Gruender der Republik China von 1911, ist gegenueber vom grossen Mao-Bild am Tian'anmen-Tor auf dem Platz angebracht, links und rechts davon dutzende Meter breite Videoinstallationen. Auf allen Gebaeuden rund um den Tian'anmen-Platz, also dem Tor, der Grossen Halle des Volkes und dem chinesischen Nationalmuseum sind Batterien mit riesigen Strahlern, die beweglich und in Farbe den ganzen Platz in taghelles Licht tauchen, angebracht. Ausserdem wird ein Feuerwerk stattfinden, dass zweimal so gross werden wird wie das, was die Chinesen zur Olympiade 2009 abfeuerten - ob das Weltrekord werden duerfte..? Zumindest wird es nahe daran liegen.

Großbildansicht prc1.jpg (105 KB)
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Soweit die zentralen Vorbereitungen. Und die normale Bevoelkerung? Auch hier wird sich vorbereitet - Buerger der Stadt planen selbstorganisierte Feiern auf nahezu allen Plaetzen und in allen Parks der Stadt; auf dem neuen Olympiagelaende wird eine Feier der Stadtbewohner stattfinden, und die chinesische Fahne - als Autowimpel, an Geschaeften und Wohnhaeusern, in den Haenden von Kindern - ist allgegenwaertig. Der 60. Jahrestag der VR China wird nicht nur eine gigantische Inszenierung der Partei und des Staates werden; es ist den Menschen hier ernst mit ihrer Freude ueber all das, was dieser Tag sinnbildlich verkoerpert. "Chinas 600 Millionen Menschen sind aufgestanden": vor 60 Jahren gruendete Mao Zedong mit diesen Worten vom Tian'anmen die Volksrepublik; Chinas 1,33 Milliarden Menschen heute wissen, dass all das, was in den vergangenen Jahrzehnten errungen wurde, nur und nicht ohne dieses Ereignis moeglich wurde. Sie wissen auch, dass die Probleme und Schwierigkeiten, die sich fuer China in einer oftmals feindlich gesonnenen imperialistischen Welt ergeben und die nicht zuletzt auch zu inneren Widerspruechen, wie beispielsweise einem Gefaelle zwischen Arm und Reich, Stadt und Land fuehren, nur dann geloest werden koennen, wenn China unabhaengig bleibt und staerker wird.

Die Feier des Jahrestages bringt Einschraenkungen fuer die Besucher, aber auch fuer die Bewohner der Stadt mit sich. Nach Terrordrohungen und einem vereitelten Attentatsversuch uigurischer Separatisten sind die Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhoeht worden, die zentrale Feier auf dem Tian'anmen wird nicht nur den Verkehr fuer Tage lahmlegen und Schliessungen von Geschaeften und Sehenswuerdigkeiten mit sich bringen, sondern auch Einschraenkungen der Freizuegigkeit bedeuten. Unmittelbare Anwohner im egeren Kreis des Zweiten Beijinger Stadtrings rund um den Tian'anmen-Platz erhalten Sonderausweise, um ungehindert passieren zu koennen. In den U-Bahnen und auf den Zugaengen zum Platz selbst finden Sicherheitskontrollen mit Gepaeckscannern statt, um das Einschmuggeln von Bomben und Waffen zu verhindern. Das Alles mag nerven, wird aber mit Verstaendnis aufgenommen. In der Innenstadt entschuldigt sich die Polizei auf Videotafeln fuer die Alltagserschwernisse, und die Menschen in Beijing erwecken nicht den Eindruck, mit grossem Groll auf diese Hindernisse zu reagieren: es ueberwiegt ganz eindeutig die Spannung und Freude auf die grossen Ereignisse.

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Wir konnten trotzdem unsere Besichtigung Beijings fortsetzen. Neben vielen Einblicken in den Alltag der Menschen hier haben wir unser touristisches Programm durchgefuehrt, haben historische Sehensswuerdigkeiten wie den Himmelstempel besucht und auch ganz neue Museen wie zum Beispiel das zur Besichtigung freigegebene und mit einer hervorragenden Ausstellung versehene ehemalige Wohnhaus des revolutionaeren Schriftstellers Lu Xun ansehen koennen. Die Stadt mit ihrer jahrtausende alten Geschichte und ihren ganz aktuellen, atemberaubenden Entwicklungen sorgt zwar fuer lahme Fuesse, aber auch fuer Bedauern, nur so kurz hier sein zu koennen.

...und was machen wir am 1.10.? Wir sind mittlerweile sehr am ueberlegen, wo wir die Feier verbringen wollen: bei einer Lifeuebertragung (an die Parade direkt heranzukommen wird nicht moeglich sein), oder bei einer spontanen, nicht organisierten Feier mitten in der normalen Bevoelkerung, in einem der Parks der stadt, oder auf dem Olympiagelaende, das Zehntausenden Platz bieten wird. Eines zumindest ist sicher: egal wo, es wird ein einmaliges Erlebnis!


Hinweis zu unseren Artikeln aus China:
In eigener Sache:
Wir kommen aus Zeitgruenden derzeit nicht dazu, unsere fotografischen Impressionen hochzuladen - es wuerde uns einfach zu viel Arbeit machen, alle Bilder zu bearbeiten, zu verkleinern und hochzuladen, und wir wollen die kurze Zeit, die wir in Beijing verbringen, sinnvoller nutzen als vor dem Computer. Wir werden die Bilder selbstverstaendlich nachreichen, habt etwas Geduld mit uns!


Wir bedienen uns in den Artikeln der offiziellen chinesischen Pinyin-Umschrift, die vielfach von der hierzulande bekannten, allerdings überholten Umschrift abweicht. "Guangzhou" ist gleichbedeutend mit "Canton" (Stadt), "Guangdong" mit "Canton" (Provinz), "Beijing" mit "Peking", und so weiter. Wenn einmal ein Wort nicht verständlich ist, bitte gleich in den Kommentaren nachfragen!
Fehlende Umlaute erklären sich aus den in China vefügbaren englischen Tastaturen, die nicht über die deutschen Umlaut-Tasten verfügen.



 
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  Kommentar zum Artikel von secarts:
Donnerstag, 08.10.2009 - 10:14

Liebe Freunde und Genossen!

In zwei Tagen kehrt der Rest der secarts.org-Reisegruppe aus China zurueck - danach wird es weitere Berichte sowie Fotos von unserer Reise geben. Daheim haben wir die noetige Zeit, um unsere Reiseberichterstattung abzuschliessen... ein wenig Gedlud bitte noch!

Viele Gruesse - noch - aus der Volksrepublik China!
www.secarts.org-Reisegruppe China 2009