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Der 1.Weltkrieg endete mit der Niederlage Deutschlands und Österreich-Ungarns, das gleich ganz von der Bildfläche verschwand. Der deutsche Imperialismus musste sich dem Versailler Vertrag unterwerfen, der bedeutete: Verlust der Kolonien und sonstige massive Gebietsverluste (13 Prozent seines Territoriums, 10 Prozent seiner Bevölkerung), starke militärische Einschränkungen, starke wirtschaftliche Einschränkungen, internationale Kontrolle des Ruhrgebiets.

Die immer wieder von Lenin ausgesprochene Mahnung, dass die Arbeiter im imperialistischen Krieg die Niederlage ihres eigenen Imperialisten wünschen müssen, wurde mit der Niederlage des deutschen Imperialismus hundertprozentig bestätigt. In keinem anderen imperialistischen Land hat es das nach dem 1.Weltkrieg gegeben: eine fünfjährige revolutionäre Krise erschütterte Deutschland – von 1918 bis 1923. Novemberevolution, Errichtung von Arbeiter- und Soldatenräten, Münchner Räterepublik, Rote Ruhrarmee, proletarische Hundertschaften, Kontrollausschüsse, revolutionäre Betriebsräte, Arbeiterregierungen, Hamburger Aufstand. Dass diese – zum großen Teil bewaffneten – Kämpfe alle nicht siegreich waren, ist der Sozialdemokratie zu verdanken. Sie hatte voll und ganz das Erbe Martin Luthers übernommen, sie war von Anfang an entschlossen, gemeinsam mit den kaiserlichen Generälen und Offizieren die Revolution gewaltsam zu unterdrücken. Als Anfang Januar 1919 die Regierung dem Sozialdemokraten Gustav Noske den Oberbefehl über die konterrevolutionären Truppenverbände übertrug, quittierte der das mit den zynischen Worten: „Meinetwegen! Einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht!“
Es gibt die Legende, Ursache für den deutschen Faschismus sei der Versailler Vertrag gewesen – ein deutlicher Widerspruch zu der vorhin erwähnten These Lenins, dass die Niederlage des eigenen Imperialismus von Vorteil für die Arbeiter, für den Fortschritt im eigenen Land ist. Die Wahrheit ist: die Ursache für den Faschismus war nicht der Versailler Vertrag, sondern Ursache waren die Niederlagen der Arbeiter in der revolutionären Nachkriegskrise. Der 1.Weltkrieg hatte auch die Grundlage der faschistischen Massenbasis ausgeschwemmt, die Freicorps, entwurzelte Elemente, Landsknechte ohne Aufgabe. Sie durften mithelfen, die revolutionäre Arbeiterschaft zu bekämpfen, sie wurde groß mit der Niederschlagung der revolutionären Bewegung, und wagte 1923 ihren ersten - allerdings für die Monopolbourgeoisie verfrühten – Putschversuch.

1924 beginnt weltweit eine Phase der relativen Stabilisierung des Kapitalismus. Für die Sozialdemokratie ist es jetzt ein Leichtes, mit reformistischen Maßnahmen die Arbeiter zur Ruhe zu bringen. Der deutsche Imperialismus kann sich konsolidieren, sich als friedfertig und „ganz normal“ hinstellen, seine Kriegsschuld vergessen machen. Im Vertrag von Locarno, der sich auch gegen die Sowjetunion richtete, versprach Deutschland die Anerkennung der neuen Westgrenze zu Polen und versprach auch sonst totale Friedlichkeit. Deutschland durfte nun auch in den Völkerbund. Der deutsche Außenminister Stresemann – erklärtes Vorbild von Joseph Fischer - betätigte sich auch als Vermittler zwischen imperialistischen Mächten, so 1928 zwischen USA und Frankreich.
Am Ende der relativen Stabilisierung 1928/29 hatte der deutsche Imperialismus also viel erreicht – mit uns wohlbekannten Mitteln. Und er hatte mal wieder zur See aufgerüstet durch den von der KPD und den Arbeitermassen heftig bekämpften Panzerkreuzerbau.

Mit der Weltwirtschaftskrise wuchs für den deutschen Imperialismus sowohl die Möglichkeit als auch die Notwendigkeit, direkt und mit verschärftem Tempo auf die Kriegsvorbereitung zuzusteuern.
Auch wenn es unterschiedliche Strömungen in der Monopolbourgeoisie darüber gab, wie lange die offene Kriegserklärung gegen die imperialistischen Konkurrenten hinauszuzögern sei, mit welchen Schritten das Expansionsprogramm zu verwirklichen ist, das Ziel war klar: sich endlich aus den Fesseln des Versailler Vertrages zu befreien und sich das zu holen, wofür man bereits 1914 angetreten war. Die Situation stand für das deutsche Finanzkapital Anfang der dreißiger Jahre noch schärfer als vor dem 1. Versuch, die Welt zu seinen Gunsten neu aufzuteilen. Auf der einen Seite stark geschwächt durch den Verlust großer Absatzgebiete und eigener Rohstoffquellen konnte es auf der anderen Seite aufgrund massenweise einströmenden ausländischen Kapitals während der zwanziger Jahre den gesamten Produktionsapparat modernisieren, so dass sich die Kapazität der Monopole erheblich ausweitete. Durch die große Krise ab 1929 spitzte sich dieser alte (und bis heute aktuelle) Widerspruch, von den ökonomischen Möglichkeiten her ein Riese zu sein, politisch aber ein Zwerg mit einem noch kleineren eigenen Herrschaftsgebiet als 1914, weiter zu.
Doch der Krieg von 1914 konnte nicht einfach wiederholt werden, denn dieser Krieg hatte ja die Welt stark verändert. Die Oktoberrevolution, die die deutsche Bourgeoisie zutiefst erschreckende revolutionäre Nachkriegskrise im eigenen Land und die zunehmenden Bestrebungen der unterdrückten Völker nach Unabhängigkeit erforderten neue Mittel und Methoden.
Eine mögliche Antwort für die Herrschenden auf die veränderten Bedingungen war die aus der Niederlage des 1. Weltkrieges hervor kriechende faschistische Bewegung. Diese vereinnahmte in ihrer Ideologie und in ihren Programmen alles, was an reaktionären Ideologien, an aggressiven Zielen und entsprechenden Methoden, sie durchzusetzen, bereits vorher vorhanden war, verband sie mit der Kampfansage gegen die Arbeiterklasse und organisierte alles zusammen zu einer Bewegung.

Ein Testlauf dieser faschistischen Bewegung an der Macht war bereits in Italien gestartet worden. Die barbarische Diktatur gegen die Arbeiterklasse konnte offenbar funktionieren. Die deutsche Version allerdings stellte die italienische bei weitem in den Schatten:
Dazu Georgi Dimitroff auf dem 7.Weltkongress der Kommunistischen Internationale 1935:
„Die reaktionärste Spielart des Faschismus ist der Faschismus deutschen Schlages. Er hat die Dreistigkeit, sich Nationalsozialismus zu nennen, obwohl er nichts mit Sozialismus gemein hat. Der Hitlerfaschismus ist nicht bloß bürgerlicher Nationalismus, er ist ein tierischer Chauvinismus. Das ist ein Regierungssystem des politischen Banditentums, ein System der Provokationen und Folterungen gegenüber der Arbeiterklasse und den revolutionären Elementen der Bauernschaft, des Kleinbürgertums und der Intelligenz. Das ist mittelalterliche Barbarei und Grausamkeit, zügellose Aggressivität gegenüber anderen Völkern und Ländern.
Der deutsche Faschismus spielt die Rolle des Stoßtrupps der internationalen Konterrevolution, des Hauptanstifters des imperialistischen Krieges, des Initiators eines Kreuzzuges gegen die Sowjetunion, das große Vaterland der Werktätigen der ganzen Welt.“

Darüber hinaus hatte der deutsche Faschismus eine grauenhafte und einzigartige Besonderheit unter allen faschistischen und imperialistischen Herrschaftsformen bis heute, nämlich den praktischen, mörderischen Antisemitismus als eins der obersten Gebote staatlichen Handelns.
Mit der Kampfansage der Faschisten an das „Weltjudentum“, das vernichtet werden sollte, war von Anbeginn an die Kampfansage an die realen Feinde des deutschen Imperialismus verbunden: an den „jüdischen Bolschewismus“, also an die Arbeiterklasse im Lande, v.a. aber n die Arbeiterklasse an der Macht in der UdSSR, deren Macht ja nicht nur gebrochen werden sollte, sondern deren Land und Reichtümer geraubt werden sollten. An das weltweite „Finanzjudentum“, also an die überlegenen imperialistischen Konkurrenten England, Frankreich und die USA, die ein für alle mal so vernichtend geschlagen werden sollten, dass sie dem Expansionsstreben der deutschen Monopole nicht mehr im Wege stehen konnten.

So war der deutsche Antisemitismus mehr als nur eine reaktionäre Ideologie, er fungierte als Kriegswaffe. Jede Maßnahme, die Hitler, an die Macht gebracht, gegen die jüdische Bevölkerung richtete, hatte entsprechend eine doppelte Funktion: Sie dienten der Kriegsvorbereitung im Inneren des Landes und trugen gleichzeitig auch immer schon den Keim der Vernichtungskrieges gegen den äußeren Feind in sich. Welche Verbrechen gegen jüdische Menschen wann, wo und in welcher schließlich an Grausamkeit nicht mehr zu überbietenden Form durchgeführt wurden, hing dabei vom konkreten Kriegsverlauf und damit immer auch von den jeweiligen politischen Kräfteverhältnissen ab, auf die auch der faschistische deutsche Staat Rücksicht nehmen musste.
Die imperialistischen Konkurrenten nahmen vor dem Krieg diese umfassende Kampfansage des deutschen Imperialismus nicht ernst. Sie glaubten, ihn durch Zugeständnisse von sich fernhalten und seine Aggressivität allein gegen die Sowjetunion ablenken zu können. So ist das schändliche Münchner Abkommen zu verstehen, so ist zu verstehen, dass sie dem Einmarsch der Hitlerfaschisten nach Wien und Prag tatenlos zusahen.

Ihre Hoffnungen blieben vergeblich. Sie hatten den deutschen Imperialismus unterschätzt (schon damals). Jetzt sahen sie sich gezwungen, an der Seite der Sowjetunion den deutschen Imperialismus zu bekämpfen. Was für eine paradoxe Situation hat der deutsche Imperialismus da durch seine besondere Aggressivität hervorgebracht, dass sogar imperialistische Mächte in einen Befreiungskrieg gezwungen werden konnten und mussten!


 
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