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An Rosa Luxemburgs prinzipieller Begrüßung, ja glühender Verteidigung der russischen Revolution kann kein Zweifel bestehen: „Die Partei Lenins war die einzige, die das Gebot und die Pflicht einer wirklich revolutionären Partei begriff, die durch die Losung 'Alle Macht in die Hände des Proletariats und des Bauerntums!' den Fortgang der Revolution gesichert hat.“1

Luxemburg contra Lenin?

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1918: Lenin eröffnet zum ersten Jahrestag der Oktoberrevolution das provisorische Marx-Engels-Denkmal in Moskau.
Rosa Luxemburg übt allerdings in ihrem unvollendeten Manuskript „Zur russischen Revolution“ in wesentlichen Punkten sehr harte, zugespitzte Kritik an den Bolschewiki: in der Bauern- und Nationalitätenfrage und in der Frage der Demokratie. Während bei den erstgenannten Komplexen sich schon nach einigen Jahren herausstellte, dass die geschichtliche Entwicklung Lenin und den Bolschewiki Recht gab, ist die Auseinandersetzung um die Frage der Demokratie im Sozialismus ein dauerhaftes Streitthema unter Kommunisten geblieben, neu entfacht durch die Niederlage des Sozialismus.

Rosa betrachtet die Möglichkeiten der russischen Revolution allerdings nicht losgelöst von allen historischen Bedingungen. Sie sieht bei aller Kritik die Verantwortung des internationalen Proletariats, insbesondere des deutschen, das versagt hätte. „Eine mustergültige und fehlerfreie proletarische Revolution in einem isolierten, vom Weltkrieg erschöpften, vom Imperialismus erdrosselten, vom internationalen Proletariat verratenen Lande wäre ein Wunder.“2
Trotzdem war Leo Jogiches, der engste Vertraute Rosas, strikt gegen eine Veröffentlichung, wie Clara Zetkin mitteilte. „Nicht aus Rücksicht auf unsere russischen Freunde. Die können noch andere Kritik vertragen. Nein, nein! Wegen Rosas. Sie hat ihre anfängliche Beurteilung der bolschewistischen Methoden und Taktik in wichtigen Punkten wesentlich modifiziert“3.

Entscheidend für den Wandel ihrer Anschauungen war die Novemberrevolution in Deutschland. Sie war es, die Rosa Luxemburg zwang, die Fragen von Diktatur, Demokratie und Räteherrschaft neu zu durchdenken. So rügt Rosa Luxemburg in den Passagen in ihrer Schrift vom Herbst 1918 noch die Auflösung der Konstituierenden Versammlung in Russland sowie die Einschränkung des Wahlrechts auf diejenigen, die von eigener Arbeit leben, während die Bolschewiki auf die Sowjets setzten. Doch schon zwei Monate später stand die Frage Rätemacht oder Nationalversammlung auch in Deutschland, und da war für Rosa die Entscheidung zwischen bürgerlicher Demokratie und Revolution bzw. Diktatur des Proletariats klar. „Alle Macht den Räten! Keine Nationalversammlung! Nicht bürgerliche – proletarische Demokratie! Diktatur des Proletariats! Sozialistische Revolution!“ – das waren die Losungen der „Roten Fahne“. Die Einberufung der Nationalversammlung betrachtete Rosa Luxemburg als ein Mittel, die Gegenrevolution zu stärken. Sie forderte die Übertragung der ganzen Macht an die Arbeiter- und Soldatenräte.

Der tiefe Gegensatz zwischen Lenin und Rosa Luxemburg, den Paul Levi in seinem Vorwort zu Rosas Text konstruiert, kann angesichts dessen nicht aufrecht erhalten werden, auch in der Frage des Terrors nicht. Denn die Diktatur des Proletariats erwies sich angesichts des Terrors der Bourgeoisie ganz schnell als eine Notwendigkeit auch für die deutsche Arbeiterklasse. Das Programm der KPD (Spartakus-Programm) formuliert die prinzipielle Haltung der Kommunisten zum Terror eindeutig ablehnend: die proletarische Revolution bedarf des Terrors nicht, sie lehnt ihn ab. Aber die Gewalt der bürgerlichen Gegenrevolution müsse „mit eiserner Faust und rücksichtloser Energie“ gebrochen werden. Konsequent wird dann die Entwaffnung der Reaktion und die Bewaffnung des Proletariats, die Bildung von Arbeitermilizen und einer Roten Garde zum Schutz der Revolution gefordert.
Würden wir die Kritik Rosa Luxemburgs also auf die Zeit des Bürgerkriegs, auf die sie sich bezieht, beschränken, wäre damit das Thema erledigt.
Allerdings wird die Schrift zur russischen Revolution vom September 1918 von ihrer Biographin Annelies Laschitza (und vielen andern Linken) als eine „prophetische Streitschrift für Demokratie und Menschlichkeit, für wahrhaft demokratischen Sozialismus“ begriffen4. Die Arbeit enthalte „aufrüttelnde prognostische Voraussagen und Warnungen mit großer Langzeitwirkung, deren Wahrheitsgehalt sich in der Praxis der Geschichte bestätigt findet.“5

Sozialistische Demokratie

Ja, Rosa Luxemburg greift hier prinzipielle Fragen der sozialistischen Demokratie auf. Sie redet explizit davon, dass zwar die historische Situation keine andere Praxis zugelassen habe, dass sie aber die Gefahr sehe, „aus der Not die Tugend“ zu machen6. Es ist Massenmeinung, der Sozialismus sei am Mangel an Demokratie zugrunde gegangen und Rosa gilt als Kronzeugin. Der Satz „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“, der als Randbemerkung in ihrem Text steht, wurde regierenden Kommunisten vorgehalten.
Wir dürfen dabei aber nicht von bürgerlichen Demokratievorstellungen ausgehen. Sozialistische Demokratie war für Rosa Luxemburg etwas ganz und gar Verschiedenes davon. Sie wollte die regierte Masse als regierende Masse sehen – übrigens nicht anders als Lenin, dessen Ziel es war, dass jede Köchin es lernen müsse, den Staat zu leiten. Die Diktatur des Proletariats müsse das „Werk der Klasse und nicht einer kleinen, führenden Minderheit im Namen der Klasse sein, d.h. sie muss auf Schritt und Tritt aus der aktiven Teilnahme der Massen hervorgehen, der Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit unterstehen, aus der wachsenden politischen Schulung der Volksmassen hervorgehen. Genauso würden auch sicher die Bolschewiki vorgehen, wenn sie nicht unter dem furchtbaren Zwang des Weltkrieges, der deutschen Okkupation und aller damit verbundenen abnormen Schwierigkeiten litten …“7

Rosa Luxemburg unterstellt den Bolschewiki also prinzipiell die gleiche Herangehensweise. Beide standen sie in der Tradition des Kommunistischen Manifests und gingen davon aus, dass die Kommunisten der „entschiedenste, immer weiter treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder“ sind, dass sie „theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus“ haben. Die Diktatur der Klasse benötigt also die Führung durch die Partei. Diese kann das gut oder fehlerhaft oder falsch tun, sie kann schrecklich irren, aber es gibt keine Alternative.

Rolle der Partei

Die Sowjets als die demokratischen Organe des Proletariats können nicht die zentrale Lenkung durch die Partei ersetzen. Sie waren der bürgerlichen Demokratie weit überlegen, da sie der Arbeiterklasse ermöglichten, direkt am Aufbau des Sozialismus mitzuwirken, d.h. sich sowohl an der gesetzgebenden Macht als auch an der Verwaltung des Staats zu beteiligen. Aber für die zentrale Planung und Organisation der Wirtschaft und des Staates war die Partei unentbehrlich.
Mit den obigen Zitaten aus dem Manifest formulieren Marx und Engels keinen Führungsanspruch, denn Avantgarde wird die Partei allein durch die Anwendung und Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Weltanschauung des Marxismus sowie durch ihr entsprechendes Verhalten im Klassenkampf und nicht, indem sie dies proklamiert. Das Streben nach Avantgarde kann also höchstens Selbstverpflichtung sein, Anspruch an sich selbst.
Hat Rosa nun damit Recht, wenn sie den Bolschewiki vorwirft, dass die historische Situation zwar keine andere Praxis zugelassen habe, sie aber aus der Not eine Tugend machten? Trifft ihr Vorwurf zu, sie hätten die Herrschaft der Klasse durch die Herrschaft der Partei ersetzt und die Demokratie beseitigt - einer der zentralen Vorwürfe an die Bolschewiki bis heute?

Lenin setzt sich im „Linken Radikalismus“ polemisch mit diesen Vorwürfen auseinander und nennt die entscheidenden Kriterien, wie die Kommunistische Partei dem Erfordernis zur Führung der Klasse und der Masse gerecht wird: „…durch ihre Fähigkeit, sich mit den breitesten Massen der Werktätigen, in erster Linie mit den proletarischen …Massen zu verbinden,… sich bis zu einem gewissen Grad mit ihnen zu verschmelzen, … durch die Richtigkeit der politischen Führung, die von dieser Avantgarde verwirklicht wird, durch die Richtigkeit ihrer politischen Strategie und Taktik, unter der Bedingung, dass sich die breitesten Massen durch eigene Erfahrungen von dieser Richtigkeit überzeugen.“8
Zur Erlangung der Hegemonie gehört also nach Lenin sowohl die richtige revolutionäre Linie als auch die Verbindung mit den Massen und die Kontrolle durch die Massen.
Damit die Partei sich nicht von der Klasse entfernt, so Luxemburg, braucht es einerseits die „öffentliche Kontrolle“9 und andererseits die „politische Schulung und Erziehung der ganzen Volksmassen“10, um diese zu befähigen, ihrer Aufgabe auch nachkommen zu können.

So weit die Theorie.
Wie ist das in der Sowjetunion gelungen?
Dazu gehen die Meinungen weit auseinander.

Schwierigkeiten der jungen Sowjetunion

Keine Frage, 1920, zur Zeit des Erscheinens des „Linken Radikalismus“ hatte die Partei die Hegemonie in der Arbeiterklasse und auch in den nicht-proletarischen Massen inne, sonst wäre der Bürgerkrieg nicht zu führen, geschweige denn zu gewinnen gewesen angesichts der Intervention der imperialistischen Mächte. Aber der Kampf um die Hegemonie ist jeden Tag zu führen, sonst wird sie verspielt.
Angesichts des niedrigen Bildungsniveaus in Russland war die Arbeiterklasse anfangs oft nicht in der Lage, die Verwaltung und die Wirtschaft selbst in die Hand zu nehmen, sie brauchte noch bürgerliche Spezialisten. Und auch später bei höherem Bildungsniveau ist die aktive Beteiligung der Arbeitermassen keine Selbstverständlichkeit. Die Kommunisten wussten sehr gut, dass der Sozialismus nicht durch Erlasse von oben geschaffen wird, da gleichen sich die Aussagen von Luxemburg und Lenin. Während der Kapitalismus funktioniert kraft der ökonomischen Gesetze des Kapitals (und natürlich zahlloser Unterdrückungsmechanismen), braucht der Sozialismus die aktive Mitarbeit, das aktive Mitdenken der Arbeiterklasse.

Verschärfung des Klassenkampfs

Mit der Niederlage des deutschen Proletariats 1933 und dem Beginn der faschistischen Diktatur verschärfte sich für die Sowjetunion die Situation ungeheuer. Denn damit brach einer der Pfeiler weg, die das Überleben der Sowjetunion bisher gesichert hatte, die Solidarität der Arbeiterbewegung der kapitalistischen Staaten.
Diese Verschärfung des Klassenkampfs, die äußerste Bedrohung der Existenz des Sozialismus – seine Existenz hing nur noch am seidenen Faden -, führte zu den größten Repressionen der Geschichte des Sozialismus, wie wir wissen. Zwischen den Moskauer Prozessen und dem Machtantritt des Faschismus besteht ein ursächlicher Zusammenhang. Sie waren der verzweifelte Versuch, jede Opposition im Keim zu ersticken, gingen aber über dieses Ziel in schrecklich exzessiver Weise hinaus. Diese Erklärung kann keine Legitimierung von Unrecht und Rechtsverletzungen sein. Es ist bekannt, dass auch eine große Anzahl Unschuldiger und ergebener Anhänger der Revolution den Verfolgungen zum Opfer fielen. Auch und gerade die Kommunisten bedauern dies aufs Tiefste.


Hierarchisches Fabriksystem

Folgenreicher noch als die Massenverfolgungen war meiner Meinung nach für die sowjetische Gesellschaft bei der Entwicklung von sozialistischer Demokratie das System der Wirtschaftsleitung der Betriebe. Denn dies betraf die gesamte Arbeiterkasse im ganzen Land. Angesichts der rasant voranschreitenden Industrialisierung stammte die Masse der Arbeiter vom Land, die von der Arbeitsdisziplin der Fabrik nicht viel hielten. Das Fabrikregiment glich zwar nicht entfernt den brutalen Maßnahmen der Bourgeoisie bei der ursprünglichen Akkumulation im Frühkapitalismus, aber es sah strenge Strafen bei Verletzung der Arbeitsdisziplin vor. Die Notwendigkeit von einem streng hierarchischen Leitungssystem musste sich negativ auf die sozialistische Gesellschaft auswirken. Es war für die Erfüllung des Plans absolut notwendig, aber der Preis war, dass der Einfluss der Arbeiterklasse auf politische und ökonomische Entscheidungen sank. Die Folgen waren Kommandoallüren auf der Leitungsebene und Warten auf Befehle „von oben“ bei den Arbeitern. Im Vergleich zum Kapitalismus hatten die Arbeiter immer noch tausend Mal mehr Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Aber die Entwicklung der Produktionsverhältnisse hätte die umgekehrte Entwicklung verlangt. In der KPdSU wurde beklagt, dass die Massen anfingen, zu den Führern hinaufzuschauen und sie nicht mehr zu kritisieren, und dass die Führer überheblich würden und auf die Massen hinabschauten.
Dies führte in der Folge auch zur Vergrößerung der Einkommensunterschiede sowie zu immer mehr Möglichkeiten der Betriebsleiter, den Plan zu unterlaufen. Die wirtschaftliche Rechnungsführung – die notwendig war zur Planerfüllung – musste dazu führen, dass die Betriebsleiter immer mehr wie Privateigentümer handelten und dachten. Das System war den dreißiger Jahren angemessen, als der Aufbau der Schwerindustrie bewältigt werden musste, es war im Krieg unerlässlich, aber es hätte nach 1945 überwunden werden müssen.

Gefahr Bürokratismus

Tendenzen zum Bürokratismus im Staatsapparat, in der Wirtschaft, den Genossenschaften und der Partei, Eigeninteressen von Betriebsleitern und staatlichen Funktionären, wären allein zu bekämpfen gewesen durch eine Fortentwicklung der Produktionsverhältnisse. Denn auch die neuen Produktionsverhältnisse beginnen zu veralten und müssen neuen Platz machen. Das hieß konkret die Überwindung des Gegensatzes von Stadt und Land sowie zwischen Hand- und Kopfarbeitern, die allesamt noch die alten Klassenunterschiede widerspiegelten. Und vor allem die Einbeziehung der großen Masse der Arbeiter in Planung und Leitung der Produktion und auf allen Ebenen des Staatsapparats. Das hätte einen neuerlichen revolutionären Anlauf bedeutet.
Das Verhältnis Partei – Klasse – Masse wird dann zum Problem, wenn die Partei die Hegemonie verspielt hat: durch eine falsche Linie und durch Entfremdung von den Massen vor allem. Dann wird aus der Selbstverpflichtung ein Führungsanspruch. Dann wird nicht mehr überzeugt, sondern dekretiert. Dann hilft es auch nicht, die Führung in der Verfassung festzuschreiben – im Gegenteil. Dann wird die Klasse eine Beute und ein Spielball der Konterrevolution.

Ursachen der Restauration

Der Klassenkampf endet nicht mit der Änderung der Eigentumsverhältnisse. Auch wenn es kein Privateigentum mehr gibt, wird die Bourgeoisie weiterhin versuchen, ihre Macht zurückzuerobern. Es sind jedoch nicht bloß die alten Ausbeuterklassen, die die Diktatur des Proletariats bedrohen, es sind auch die Ideen der Bourgeoisie, die ein zähes Eigenleben haben. Die Gedanken des Proletariats sind ja von denen der Bourgeoisie nicht durch eine chinesische Mauer getrennt, sie sind im Kapitalismus weitgehend von den Herrschenden geprägt und bleiben dies auch noch zu großen Teilen danach.
Die ökonomische Grundlage für die Möglichkeit der Restauration des Kapitalismus war die Fortexistenz verschiedener Eigentumsformen (Volkseigentum, Kollektiveigentum und zum Teil auch Privateigentum und Kleinwirtschaft). Warenaustausch war weiterhin nötig (dazu gehört auch der Austausch zwischen Genossenschaften und volkseigener Industrie). In keinem sozialistischen Land konnte z.B. bereits das Geld abgeschafft werden. Damit besteht eine „spontane Tendenz zum Kapitalismus“11. „Kann man … die Bourgeoisie dadurch unterdrücken und liquidieren, dass das Großkapital abgeschafft wird? Wer das Abc des Marxismus studiert hat, weiß, dass die Bourgeoisie so nicht unterdrückt werden kann, dass die Bourgeoisie aus der Warenproduktion hervorgeht…“12.

Durch das Wirken der Kapitalistenklasse weltweit und die Schwierigkeiten des Klassenkampfs innerhalb der sozialistischen Staaten entstehen neue bürgerliche Elemente, die ein Interesse an kapitalistischen Verhältnissen haben. Es kann sogar eine neue Bourgeoisie entstehen, wie die Entwicklung in der UdSSR zeigt. „Die Klasse der neuen Bourgeoisie rekrutierte sich vor allem aus dem elitären Teil der sowjetischen Gesellschaft. Der formierte sich aus der früheren Führungsspitze der KPdSU, also aus ehemaligen hauptamtlichen Parteifunktionären der verschiedensten Ebenen. Auch da gibt es eine bittere Statistik: über die Hälfte der ehemaligen Sekretäre der Stadtleitungen der Partei sind heute ebenso im ‚Business’ wiederzufinden, wie ein großer Teil der hauptamtlichen Komsomolfunktionäre und die ‚roten’ Betriebsdirektoren.“13

Solange es im Übergang zum Kommunismus, also im Sozialismus, noch Klassen oder Restbestände von Klassen gibt, wird es auch noch klassenbedingte Widersprüche geben, die den sozialistischen Fortschritt zum Kommunismus aufhalten oder sogar, wie das Beispiel der Niederlage von 1989 zeigt, zu Fall bringen können. An solchen innersozialistischen Widersprüchen setzen die konterrevolutionären Aktivitäten des Kapitalismus an. Um dieser Gefahr zu begegnen, ist die Herausbildung und ständige Schärfung des Klassenbewusstseins bei den Werktätigen unerlässlich. Im Sozialismus muss dieses Klassenbewusstsein aus der aktiven Beteiligung an den Entscheidungs- und Leitungsprozessen im gesamtgesellschaftlichen Leben erwachsen – und nicht mehr, wie im Kapitalismus, primär aus dem Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

Rosa Luxemburg hat Recht: es bedarf der öffentlichen Kontrolle der Klasse, es bedarf der sozialistischen Demokratie. Das Proletariat darf sich nicht darauf verlassen, dass der Sozialismus ein für allemal gesichert ist. Der Klassenfeind kann auch im Gewande der Partei daher kommen. Solange der Kapitalismus weltweit nicht besiegt ist, bleibt die Gefahr der Restauration des Kapitalismus bestehen.


Hinweis:
Dieser Artikel erscheint in der Zeitschrift Topos, Heft 28 ("Revolution"), hrsg. Von Hans Heinz Holz und Domenico Losurdo. Weitere Informationen zu Topos hier.
Anmerkungen:
1 Rosa Luxemburg und die Freiheit der Andersdenkenden, Hrsg. Annelies Laschitza, Berlin 1990, S. 124
2 Luxemburg, a. a. O., S. 162
3 Clara Zetkin, a. a. O., S. 387
4 Vorwort zu Rosa Luxemburg und die Freiheit der Andersdenkenden, S. 28
5 a. a. O., S. 11
6 Luxemburg, a. a. O., S. 161
7 Luxemburg, a. a. O., S. 160
8 Lenin Werke Bd. 31, Berlin 1959, S. 32/33
9 Luxemburg, a. a. O., S. 155
10 Luxemburg, a. a. O., S. 150
11 Lenin Werke Bd. 30, S 227
12 Lenin, Rede auf dem I. gesamtrussischen Kongress für außerschulische Bildung, LW Bd. 29, S. 346
13 Generalmajor a. D. Ionow, Quo vadis, Rußland?, Spottless-Reihe Nr. 81, Berlin 1997, S. 66




 
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