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Von gr

Kein Tag vergeht, an dem die Medien hierzulande nicht über den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, berichten. Empörte oder auch verächtliche Kommentare beschäftigen sich mit ihm. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, diesen Herren zu verteidigen. Einem Politiker, der vorgibt, für die „hart arbeitenden Menschen“ zu sein, als erstes aber gegen Millionen von Arbeitern ohne Papiere vorgeht, gegen Menschen aus anderen Ländern hetzt und Mauern hochziehen will, ist mit größtem Misstrauen zu begegnen.

Wer zudem Gesundheitsleistungen für Millionen wieder streichen will und gleichzeitig eine weitere Milliardenaufrüstung ankündigt, ist kein Freund der kleinen Leute. Doch solche Politiker haben wir hier ebenfalls, auch in der Regierung. Forderte die CSU im Herbst 2015 nicht auch, notfalls Mauern gegen flüchtende Menschen hochzuziehen? Werden seitdem nicht Grenzzäune zuhauf hochgezogen? Gerade hier in Bayern werden doch auch permanent Menschen abgeschoben. Und unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und „Flüchtlingsabwehr“ wird ein demokratisches Grundrecht nach demanderen bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt.

"Dass Deutschland militärisch und sicherheitspolitisch in die NATO eingebunden bleibt, war eine zentrale westliche Bedingung für die Wiedervereinigung. Der atlantische Rahmen wird insbesondere von denjenigen politischen Eliten in den westeuropäischen Ländern (vor allem von den britischen Konservativen) als unabdingbar angesehen, die die europäische Integration als nicht geeignet bzw. als nicht hinreichend für die Kontrolle des deutschen Machtpotentials bewerten oder darin sogar die Gefahr eines deutschen Europas wittern."

Ein Professor für Politische Wissenschaft 1999 für die Bertelsmann-Stiftung. (zit. nach „Europa-Handbuch“, Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 1999, S.560)
Es gäbe hier im Land also unzählige Möglichkeiten, sich über eine unmenschliche rassistische Politik zu empören und Gefahren für die bürgerliche Demokratie anzuprangern. Doch stattdessen wird mit dem Finger auf die USA und deren neuen Präsidenten gezeigt.


Statt „Partnerschaft“ – Angriff

Es ist auch etwas anderes, was Regierung und Kapitalvertreter, Denkfabriken und Medien in helle Aufregung versetzt: Trump erklärte in einem Interview mit der Bild und der britischen Times die Nato für „obsolet“ und fordert zumindest höhere Militärausgaben der Mitgliedsstaaten, vor allem auch der BRD. Er greift Deutschland an, indem er die EU „als Mittel zum Zweck für Deutschland“ kennzeichnet, deren Gründung das Ziel gehabt habe, „die Vereinigten Staaten im Handel zu schlagen“. Er findet den Brexit großartig und geht von Austritten weiterer Länder aus. Er beschwert sich über den deutschen Exportüberschuss, kündigt drastischeImportzölle an und verabschiedet sich von multinationalen Handelsabkommen wie TTIP (alle Zitate nach Süddeutscher Zeitung vom 17. Januar 2017).

Der transatlantische „Partner“ wird zum offenen Rivalen, zum Konkurrenten.


Aus „EADS gegen Boeing“ …

[file-periodicals#196]Nun ist die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Staaten USA und Deutschland nichts Neues. Jeder, der in einem Großbetrieb arbeitet, kennt sattsam das Argument von der „Wettbewerbsfähigkeit“ des Unternehmens, die dringend gestärkt werden muss. Die Belegschaft soll deshalb möglichst noch billiger, noch effizienter arbeiten, um noch mehr Profit aus ihr herauspressen zu können. Profit, der teilweise dann dazu verwendet wird, den Konkurrenten Marktanteile wegzunehmen, sie zu schwächen. Das gilt innerhalb eines Landes wie über die Grenzen hinweg. Je größer die Unternehmen, je monopolartiger ihre Stellung bis zu dem Punkt, dass weltweit nur mehr wenige Giganten sich die Märkte teilen müssen, umso mehr findet dieser Kampf über die Grenzen hinweg statt. Siemens gegen General Electric heißt es dann. Das bedeutet nicht, dass diese Monopole nicht Bündnisse eingehen würden mit ihren Konkurrenten, solange es für die Beteiligten einen Vorteil verspricht. Sie bilden Kartelle und Trusts, um Preise abzusprechen oder sich Märkte untereinander aufzuteilen. Doch sieht ein Beteiligter keinen Vorteil mehr darin, weil sich die Kräfteverhältnisse geändert haben, fliegt das Kartell auf, wird das Bündnis gesprengt.

Die deutsch-französische Airbus ist so ein Trust; der Zweck dieses Zusammengehens der Daimler-Tochter DASA mit der französischen Aérospatiale 1999 war damals in jeder Schlagzeile zu lesen: „EADS (so hieß Airbus damals) gegen Boeing“ oder auch kurz und bündig: „Europa gegen USA“. Andere Versuche, „Europäische Champions“ zu schmieden, wie die Schröder-Regierung das damals nannte, um gegen die großen US-Monopole angehen zu können, scheiterten, weil sich französische und deutsche Konzerne nicht über die Mehrheitsverhältnisse einigen konnten.


… wird „Europa contra USA“

Ungleiche Entwicklung:
Die deutschen Ausfuhren in die USA sind allein zwischen 2010 und 2015 von 65,5, Milliarden auf 114 Milliarden Euro angestiegen. Der deutsche Exportüberschuss mit den USA wuchs im gleichen Zeitraum von 20,5 Milliarden auf 54,5 Milliarden Euro an. So flossen in diesen fünf Jahren fast 225 Milliarden Euro von den USA nach Deutschland.
Von Großbritannien floss im gleichen Zeitraum eine ähnlich hohe Summe nach Deutschland: 196 Milliarden Euro.
Das ist der Kern der Konkurrenz, wie auch von Bündnissen zwischen den Staaten, deren Regierungen und Staatapparate die Aufgabe haben, möglichst gute Bedingungen für ihre Monopole zu schaffen, im Land wie auch außerhalb. Die über Politik und Diplomatie und wenn es sein muss militärisch weltweit für Absatzmärkte, Einflussmöglichkeiten und Rohstoffe sorgen können. Die Bündnisse, die dazu eingegangen werden, wie z.B. das Militärbündnis Nato, ein wesentlicher Kern der transatlantischen „Partnerschaft“, oder auch das sehr weitgehende europäischer Staaten zu einer Europäischen Union oder gar zu einer Währungsunion, sind kein Hort der Harmonie. Die Konkurrenz und die dadurch bedingten Widersprüche schwelen unter der Decke, mal mehr, mal weniger sichtbar. Verändern sich die Kräfteverhältnisse derart, dass ein „Partner“ keinen Vorteil mehr darin sieht, bröckeln auch diese Bündnisse oder werden gar gesprengt.



Nato obsolet?

So sind sowohl Nato wie auch die verschiedenen Stadien des europäischen Bündnisses Ausdruck gemeinsamer wie auch sehr unterschiedlicher, ja sich widersprechender Gründe, der daran beteiligten Großmächte. Gemeinsam war mit der Gründung der Nato (1949) allen das Ziel eines Militärblocks, der die Sowjetunion permanent bedroht. Für die USA und Großbritannien kam dazu, was in einem legendären Zitat des ersten Generalsekretärs der Nato (1952-1956), Hastings Ismay, folgendermaßen zusammengefasst ist: „die Russen draußen-, die Amerikaner drinnenund die Deutschen niederzuhalten.“ Für den gerade eben besiegten und am Boden liegenden deutschen Imperialismus war der Beitritt zur Nato die einzige Möglichkeit, wieder eine eigene Streitmacht aufzubauen. Sich auf Dauer „niederhalten“ zu lassen, hatte der Staat von Siemens, Deutsche Bank, BASF oder BMW ganz und gar nicht vor.


„Die EU als Mittel zum Zweck für Deutschland“

"… Nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind: im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potential entspricht."

(Außenminister Kinkel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. März1993)
Das europäische Bündnis zunächst der EWG, der EG und schließlich der EU hatte ähnlich unterschiedliche Gründe. So war es hier vor allem der französische Staat, der dadurch den gefährlichen Nachbarn eindämmen wollte, während die BRD darin eine Möglichkeit sah, alte Ziele eines Europas unter deutscher Vorherrschaft endlich zu verwirklichen. Einig waren sich Frankreich, Italien und die BRD (Großbritannien trat erst später bei), jede für sich zu klein um gegen die nun unumstrittene imperialistische Führungsmacht USA anzukommen, in dem Ziel, dieser in einem Bündnis Paroli bieten zu können. Vor allem seit der Einverleibung der DDR, wodurch der deutsche Imperialismus zum nun nicht mehr nur ökonomisch stärksten, sondern auch größten Staat innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wurde, treiben die deutschen Staatsvertreter und die hinter ihnen stehenden Monopole die eigenen Ziele mit aller Macht voran. Nun galt es endlich „zu vollbringen, woran wir zweimal gescheitert sind“, wie der damalige Außenminister Kinkel die Zielrichtung vorgab. Je stärker der deutsche Imperialismus so wurde, umso mehr konnte man die eigenen Vorstellungen durchsetzen. Inzwischen scheut sich hier keiner mehr, offen von der „deutschen Führungsmacht“ innerhalb Europas zu sprechen.

Nur ein Beispiel für die Kräfteverschiebungen: Trotz aller Ermahnungen von Seiten europäischer Regierungen wie auch seit vielen Jahren der US-Regierung unter Obama, den deutschen Exportüberschuss zu reduzieren und dazu mehr im Land zu investieren, erzielt dieser Staat einen Exportrekord nach dem anderen, zu Ungunsten aller anderen Staaten der EU, aber auch der USA. Deren Handelsbilanzdefizite steigen, was nichts anderes bedeutet, als dass sie Schulden aufnehmen müssen, um es zu decken. Eine Großmacht wie die USA tut das einfach. Staaten wie z.B. Griechenland werden dafür von Herrn Schäuble geknechtet und in den Ruin getrieben.


Aufbrechende Bündnisse

Die Kräfteverhältnisse in den Bündnissen haben sich verändert, die Widersprüche spitzen sich dadurch zu. Die Bündnisse werden in Frage gestellt. Der Austritt Großbritanniens aus der EU ist ein deutliches Zeichen dafür, die Wahl eines Donald Trump zum Präsidenten der USA mit seinem Bruch in den außen- und handelspolitischen Vorstellungen ein anderes. Keiner weiß im Moment, was der US-Präsident von seinen Ankündigungen tatsächlich verwirklicht bzw. verwirklichen kann. Für die Merkel-Regierung ist er auf jeden Fall ein willkommener Anlass, Deutschland zum Leuchtturm der Demokratie und Freiheit hochzujubeln, die man verteidigen müsse. Längst vorbereitete Pläne für eine massive Aufrüstung werden aus der Schublade gezogen und versucht, die bröckelnde EU, vor allem aber die Atommacht Frankreich mit Hinweis auf Trump zu einem europäischen Kriegsblock zu zwingen. Es kommen kriegerische Zeiten auf uns zu, wenn wir nicht denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, in den Arm fallen. Wir hier – die amerikanischen Kollegen dort.


Aus: Auf Draht, 14.03.2017

 
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