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Auf der zweiten Tagung des 18. Parteitags am 10. Januar 2009 in Berlin fand auf Vorschlag des Sekretariats des Parteivorstands keine Diskussion über die Beteiligung der DKP an der Bundestagswahl statt. Nach der Entscheidung der Delegierten, den Gegenentwurf für ein EU-Wahlprogramm der Berliner Landesorganisation nicht als Grundlage für die Diskussion zu nutzen, kam es in der Diskussion zu einigen inhaltlichen Zuspitzungen gegen die Befürworter des Berliner Papiers bis hin zu dem Vorwurf des parteischädigenden Verhaltens. Patrik Köbele, Delegierter des Parteitags und einer der Herausgeber von T&P, entschied sich, einen Offenen Brief an Heinz Stehr zu schreiben und diskutierte sein Anliegen mit einigen anderen Parteitagsdelegierten. Zwanzig davon unterstützten den Offenen Brief namentlich.

Auf der 5. Tagung des Parteivorstands wurde - auf Bitte von P. Köbele - beschlossen, den Offenen Brief in der UZ zu veröffentlichen. Parallel zum Abdruck in der UZ (13. März 09) wurde eine gemeinsame Stellungnahme von Heinz Stehr, Nina Hager und Leo Mayer veröffentlicht. Authentisch kommunistische Positionen müssen in die Diskussion gebracht werden. In konkreten Abwehrkämpfen sind Bündnisse zu schmieden. In den Bündnissen und auf der Straße ist die Diskussion zu führen, dass der "Arzt am Krankenbett" des Kapitalismus zu sein die falsche Reaktion auf die Krise ist. Teilweise ist die Partei auf der Straße. Und der Teil, der die Inhalte des Offenen Briefes vollständig oder teilweise teilt, gehört zu den Aktiven.

Der "Offene Brief" ist auf www.secarts.org dokumentiert und lässt sich hier nachlesen.
Die Antwort auf den "Offenen Brief" lässt sich ebenfalls auf secarts.org nachlesen.


Liest man die genannte Stellungnahme1, fällt auf, dass zu zwei Punkten des Offenen Briefs gar keine Stellung genommen wird. Einmal zur Fragestellung der Bundestagswahlen, insbesondere zu dem entsprechenden Zitat von Heinz Stehr, in dem er eine flächendeckende Kandidatur als politisch falsch beurteilt, weil eine solche Kandidatur Überlegungen "zur Bündelung der Linkskräfte" zuwiderlaufe.

In der Stellungnahme wird gleichermaßen vermieden, sich zu der scharfmacherischen Etikettierung zu erklären, wonach kritische Positionen zur Mehrheit des Parteivorstands "parteischädigend" seien.

Der Aussage des Offenen Briefes: "Wir meinen, dass nicht die Diskussion über kontroverse Auffassungen die DKP schwächt, sondern die Art und Weise, wie versucht wird, diese Diskussion zu umgehen und zu verhindern" wird entgegen gestellt, dass ein solcher Brief die Partei vom Handeln abhalte und darauf orientiere, sich "in einer nach innen gerichteten Diskussion [zu] verzetteln". Aktuelle politische Herausforderungen werden aufgezählt, um dies zu belegen (Erster Abschnitt der Stellungnahme1). Es wird suggeriert, dass diese Herausforderungen die Unterzeichner des offenen Briefes nicht interessieren. ("Das ist eine Frage und Herrausforderung, die den überwiegenden Teil der Partei umtreibt").

Nach dieser "Logik" gibt es nie eine Zeit, in der es legitim ist, solche Fragen zur Diskussion zu stellen. Denn es wird keine Zeiten geben, in denen die Herausforderungen für Kommunistinnen und Kommunisten erlauben, sich in einer "nach innen gerichteten Diskussion zu verzetteln". Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Offenen Briefs sind aktive Mitglieder der DKP. Es ist Unfug, ihren Argumenten mit dergleichen hohler Polemik angesichts ihres Einsatzes bei der Unterschriftensammlung für die Europawahlen, bei Aktivitäten der DKP auf der Straße, im Betrieb, in Initiativen, Gewerkschaften und Kommunen entgegenzutreten.

Fragen und Auffassungen, die der Mehrheit des Parteivorstands nicht angenehm sind, die dennoch von einem relevanten Teil der Partei geteilt werden, werden damit beantwortet, dass "die in dem Brief aufgeworfenen Fragen politisch inhaltlich geklärt und entschieden [sind]." Ein solches "Basta" ist weder inhaltlich richtig noch löst es das Problem.

Die Ausführungen zum Programm und zu der Frage, ob dieses einen Kompromiss darstellt oder nicht, gehen an der Realität vorbei. Wer das Programm liest und studiert, wird feststellen, dass es zu vielen Fragen Formulierungen enthält, die den Kompromisscharakter deutlich machen, ob man dies nun will oder nicht. Unter anderem zu folgenden Punkten lassen sich Formulierungen finden, die dies belegen:
  • Imperialismuseinschätzung im globalen Maßstab (Bedeutung der Zusammenarbeit der imperialistischen Zentren / Konkurrenz dieser Zentren).
  • Bedeutung(-sverlust) des Nationalstaats
  • Rolle der EU
  • Rolle, Bedeutung und Perspektive des deutschen Imperialismus
  • Analyse der Niederlage des realen Sozialismus in Europa und deren Ursachen
  • Einschätzung der Geschichte des realen Sozialismus
  • Charakter der kommunistischen Partei
  • Strategie der Gesellschaftsveränderung

Hier ist es wenig hilfreich, sich wie der Heilige Vater in Rom zu gebärden, der für die eigene Interpretation die Unfehlbarkeit in Anspruch nimmt und die Opponenten als außerhalb des Programms stehend zu verketzern. Das Programm der DKP fixiert einen Stand kollektiver Erkenntnis, es zieht aber keinen Schlussstrich unter einen Klärungsprozess, der - vor allem in Europa - in vielen kommunistischen Parteien durchgemacht wird.

Ein wichtiges Feld der Auseinandersetzung zwischen der Opposition und der PV-Mehrheit des Parteivorstands ist in der Tat das Verhältnis zur Europäischen Linkspartei (EL). Wir sehen in der EL eine reformistische Partei, unabhängig davon, wie viel kommunistische oder sich kommunistisch nennende Parteien sich zu ihr bekennen. Wir stimmen teilweise oder vollständig mit den kommunistischen Parteien überein, die sich nicht an der EL beteiligen (z.B. die kommunistischen Parteien Griechenlands, Portugals und Luxemburgs). Außerdem sollte nicht übersehen werden, dass auch einige kommunistische Parteien ihren Beobachterstatus in der EL so interpretieren, wie das der Wortsinn nahelegt: beobachtend.
Was die angeblichen Zitat-Fälschungen angeht, sprechen die in der Stellungnahme veröffentlichten Zitate von Leo Mayer für sich - inhaltliche Verfälschungen können wir nicht erkennen. Wenn Leo Mayers Positionen im Offenen Brief referiert und interpretiert wurden, so lag dies daran, dass seine Ausführungen, im Unterschied zu denen von Heinz Stehr, nicht schriftlich vorlagen.

Die Aufforderung, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Offenen Briefes mögen sich als "gleichberechtigte Mitglieder in die DKP einreihen und keinen Sonderstatus anstreben" geht ins Leere. Wir halten diese Unterstellung für polarisierend und nicht belegbar. Wir teilen die Haltung, wie sie im Offenen Brief formuliert ist: konstruktiver Weg der Diskussion und produktive Praxis, die die DKP als marxistische Partei auf der Höhe der Zeit auszeichnen sollte. Dies halten wir wie die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner für absolut notwendig.


Anmerkung:
1 Stellungnahme zum Offenen Brief von Heinz Stehr, Nina Hager und Leo Mayer, erschienen in der UZ vom 13. März 2009, online http://www.dkp-online.de/uz/4111/s1201.htm.
Auf www.secarts.org hier dokumentiert. Der "Offene Brief" ist ebenfalls auf www.secarts.org abrufbar.



Bei diesem Text handelt es sich um einen Vorabdruck aus "Theorie und Praxis" (T&P) Nr. 17, den wir mit freundlicher Genehmigung seitens der Herausgeber der "T&P" veröffentlichen.


 
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