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Saure-Gurken-Zeiten, Sommerlöcher und wirtschaftliche beängstigende Umstände, in denen man lieber von etwas anderem als Arbeitslosigkeit und steigender Armut spricht, haben ihre Vorteile. Man spricht, erstens, über Dinge, die sonst auf's diplomatische Parkett wandern und nie wieder gesehen werden; und es kommt, zweitens, zu herzallerliebsten Verbrüderungsszenen zwischen eigentlichen politischen Gegnern.
Just so wiederfuhr es jüngst unserem Bundesjoschka - erst hart ins Gericht genommen durch die Kalkgranden der CDU-CSU im Visa-Affären-Ausschuß, bekommt er in einer heiklen Frage ganz plötzlich Rückendeckung durch die Union: das Waffenembargo gegen die Volksrepublik China.
Mit sorgenzerfurchtem und vergrämtem Gesicht mahnt unsere moralische Instanz für's Äußere den Kanzler zum Überdenken seiner Aufhebungsideen - und scheint dabei eine wichtige Spielregel deutscher Politik zu vergessen. Als ob der Kanzler entscheiden könnte, ob das Embargo aufgehoben wird oder nicht - Interesse daran haben schließlich ganz Andere.

I. die deutschen Interessen hinter der geplanten Aufhebung des Embargos

Erlassen wurde das EU-Embargo gegen die Volksrepublik nach den Tiananmen-Vorkommnissen 1989. Seit dato werden (offiziell) keine Waffensysteme mehr an China verkauft; nun aber ist ein Streit innerhalb der EU und auch innerhalb der Mitgliedsstaaten ausgebrochen, ob dieses Embargo aufgehoben werden soll: Frankreich tritt am schärfsten für eine Beendigung ein; Kanzler Schröder hat sich dazugesellt. Manche kleinere Staaten sehen das anders; auch die Opposition und Gründnis 90 sind mißtrauisch.
Nun sollte man sich nicht dem Trugschluß hingeben, Schröder und Chirac täten diesen Dienst aus Liebe zu China - es ist vielmehr ein ganzes Bündel von Eigeninteressen, das sie zu diesem Schritt treibt:

- seit Jahren schon ist der Rüstungssektor am boomen. Deutschland ist mittlerweile in der EU der zweitgrößte Exporteur von militärischem Gerät - Tendenz steigend. Wir verscheuern Waffen in die ganze Welt, beliefern Freunde wie Feinde; versorgen alle Seiten verschiedenster Krisenherde mit Tötungsmaterial - China wird übrigens, trotz Embargo, auch beliefert. Dennoch würde eine offizielle Aufhebung des Embargos diesen Markt weiter ankurbeln. Und das ist nicht ganz unwichtig in Zeiten allgemeiner wirtschaftlicher Stagnation.

- Deutschland fühlt sich, wieder einmal, zu Höherem berufen. Nach Wiedervereinigung, neuer Militärdoktrin und Dominanz in der EU verliert die BRD langsam alle Hemmungen bei ihrem Bestreben, wieder unter die "Global Players" aufzurücken. Unabdingbar für diese erstrebte Position ist natürlich ein Sitz im Sicherheitsrat der UNO. Zur Zeit sind dort fünf Nationen vertreten; unter anderem die Volksrepublik China. Und die wird dem deutschen Ansinnen positiver gesonnen sein, wenn Deutschland sich von alten, politisch-ideologisch motivierten Kalten-Kriegs-Relikten wie dem Waffenembargo trennt. Das wäre nur eine Normalisierung des Status Quo, denn Waffen werden ja de facto sowieso geliefert.

- Wer ist zur Zeit der größte Konkurrent der EU-BRD? China oder die USA? Und wer fühlt sich von China zur Zeit am massivsten bedroht? Die EU oder die USA?
Mit diesen beiden Fragen kommen wir dem dritten und vielleicht wichtigsten Punkt bei der ganzen Debatte auf die Schliche: Für Deutschland und seine neuen imperialen Träume KANN es nur sinnvoll sein, den größten Widersacher seiner Gegner zu stärken - unabhängig von der eigenen Position zu China. China ist vor allem Eines: weit weg. Die USA hingegen sind dank eines globalen Militärnetzes in der Lage, fast überall zu jeder Zeit militärisch zu intervenieren, wenn dies ihren Interessen nützt. Für die EU und damit insbesondere für die BRD ist die USA wirtschaftlich und politisch, irgendwann vielleicht auch militärisch weitaus bedrohlicher als die VR China - wenn sich nun beide Widersacher gegenseitig schwächen, geht der unbeteiligte Dritte gestärkt hervor. Wenn man daran auch noch verdienen kann, warum nicht?

Die Vehemenz, mit der Schröder seinen Plan verfolgt, läßt allerdings aufhorchen: Über den Bundestag wolle er sich notfalls hinwegsetzen, sagt der Kanzler. Auch der Protest des kleinen Koalitionspartners interessiert ihn herzlich wenig - der Mann ist sich seiner Sache sicher. Das wird er wohl auch sein müssen, denn eine bunter Strauß von "Lobbyisten", bei den mächtigen Rüstungskonzernen mal angefangen, wird ihn in dieser Frage gehörig unter Druck setzen.

II. "Friedensmacht" Deutschland - Anspruch und Wirklichkeit

Über die Haltung der Opposition braucht man sich genausowenig Illusionen zu machen: Wer hier laut von "Menschenrechten" redet, über den "Umgang mit Regimegegnern" heult und die "expansionistischen Tendenzen" Chinas in Bezug auf Taiwan ankreidet, scheint etwas zu vergessen: um Menschenrechte hat sich Deutschland immer am Wenigsten gesorgt, wenn es um einen guten Reibach mit Militärgerät ging.

Seit 40 Jahren beliefert Deutschland zum Beispiel die Türkei mit militärischer Ausrüstung; nahezu die komplette Ausstattung der (nicht gerade schwächlich bestückten) NVA der ehemaligen DDR wurde an die Türken verscheuert. Und der türkische Staat metzelt mit deutschen Waffen seit vier Jahrzehnten einen Teil des eigenen Volkes hin; die Kurden nämlich.
Im ewigen Krisenherd des Nahen Ostens hat es Deutschland sogar geschafft, gleichberechtigt alle Seiten des Konfliktes flächendeckend zu versorgen: Neben der Belieferung Israels gingen Waffen made in Germany in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Saudi-Arabien, Ägypten, Kuwait, Jordanien, Bahrain, in den Irak und nach Libyen. Über die unheilvolle Verquickung deutscher Firmen in die pakistanischen, irakischen und iranischen Atomprogramme wird noch immer spekuliert; die deutsche Mitschuld an Saddams ehemaligen B- und C-Waffen-Arsenalen ist hinlänglich bewiesen.

Wer nun glaubt, mit dem Antritt der Friedensengel von Rot-Grün habe sich dies geändert, täuscht sich schwer: 2003 wurden Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte in Höhe von 4,9 Mrd Euro erteilt. Das bedeutet einen Anstieg zum Vorjahr um 49 Prozent. Nach Informationen, die die EU für 2003 vorgelegt hat, war Deutschland hinter Frankreich und vor Großbritannien der zweitgrößte Rüstungsexporteur der EU.

Warum nun ausgerechnet an die Volksrepublik China keine Waffen geliefert werden sollen, bleibt selbst bei der wohlwollendsten Betrachtung ein Rätsel - Menschenrechtsbedenken zumindest braucht man wohl kaum in Betracht ziehen.
George W. Bushs neue Außenministerin Rice brachte ein entscheidendes Argument auf den Tisch, als sie durch "old Europe" tourte und schon beinahe bettelte, das Embargo nicht aufzuheben: der ständig eskalationsfähige Taiwan-Konflikt könnte es mit sich bringen, dass deutsche Waffen in der Hand der Chinesen gegen US-Soldaten gerichtet werden könnten.

III. China im Fokus imperialer Interessen

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Die Volksrepublik China ist in keiner beneidenswerten Lage: trotz (oder gerade wegen) ständig in Rekordmaßen wachsender Wirtschaft, rasant steigenden Lebensbedingungen und boomendem Handels gerät das Land immer mehr ins Visier der US-Strategen. Spätestens 2050, so amerikanische Studien, hat die Volksrepublik die USA als wirtschaftlich stärkste Nation abgelöst.
Wirtschaftlich verquickt sind die beiden Länder heutzutage schon so eng, dass eine Unterbrechung der Writschaftskontakte sowohl China als auch die USA völlig ruinieren könnte - die USA als größter Importeur von Rohstoffen und Bodenschätzen wären aber noch viel massiver getroffen als die Volksrepublik.

Statt eines (nicht durchführbaren und für die USA eher nachteiligen) Wirtschaftskrieges gegen die VR China versuchen die USA, politische und militärische Nebenschauplätze aufzumachen, um China zu schwächen.. Dies folgt einem aus Kalten-Kriegs-Zeiten altbekannten Muster: innerchinesische Opposition wird gestärkt und mit Geld und Material versorgt; die Aufständigen von 1989 zum Beispiel, oder auch die Falun-Gong-Sekte. In latenten Krisengebieten wie Tibet oder Xinjiang üben die USA Einfluß auf Rebellen und Oppositionelle aus, um China innenpolitisch unter Druck zu setzen.

IV. die Volksrepublik China und Taiwan

Der größte Faustpfand der USA gegen China ist allerdings Taiwan. Durch die unlängst (unter dubiosen Umständen) an die Macht gekommene neue Regierung, die die Sezessionsestrebungen von China verstärkt, wird ein hoher Druck gegen China ausgelöst: Taiwan, traditionell immer zu China gehörend, wurde bis jetzt (von beiden Seiten) als Bestandteil Chinas gesehen, der allerdings von einem anderen politischen System regiert wird. Beide Seiten haben immer wieder den Wunsch nach Wiedervereinigung deutlich gemacht; die Volksrepublik hat Taiwan mehrfach eine Angliederung an Festlandschina unter den Prinzipien "ein Land, zwei Systeme", nach denen auch in Hongkong nach der Rückkehr verfahren wurde, angeboten.
Die Mehrheit der taiwanesischen Bevölkerung sieht das genauso, wie die letzten Wahlergebnisse bestätigen. Die neue taiwanesische Regierung fährt jedoch einen unverantwortlichen Konfrontationskurs gegen China, indem die endgültige Abspaltung immer wieder laut angedacht wird.
Taiwan ist ein wahres Heereslager der USA - ohne amerikanischen Schutz könnte sich die Insel keine zwei Tage gegen die Volksrepublik behaupten. Ein mit den USA nicht abgesprochenes Vorgehen durch die taiwanesische Marionettenregierung ist also kaum vorstellbar - hier wird ganz gezielt ein Konflikt geschürt und aufgestachelt, der sich gegen die territoriale Integrität Chinas richtet.
Taiwan war und ist untrennbarer Bestandteil Chinas. Es geht nicht nur um die einige Millionen Einwohner Taiwans, die gegenüber den 1,3 Milliarden Festlandchinesen kaum ins Gewicht fallen. In der Taiwan-Frage wird sich entscheiden, ob China der US-Aggression begegnen kann oder unterliegt: fällt nämlich Taiwan ab, sind als nächstes andere Provinzen des großen Landes bedroht: Xinjiang, Tibet. Es geht also um nicht weniger als den Frieden der gesamten ostasiatischen Region, der durch die separationistischen Tendenzen Taiwans bedroht wird.

V. Warum es zur internationalistischen Pflicht gehört, China zu verteidigen

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Vielleicht noch mehr als die eigene Dominanz in Südostasien fürchten sich die USA vor der Systemalternative, die China verkörpert: als (extrem erfolgreiches) Modell für heutige Drittweltstaaten könnte der Einfluß der größten imperialistischen Staaten dauerhaft bedroht sein, wenn die Volksrepublik dauerhaft zu einer Groß- oder gar Weltmacht wird. Dies liegt natürlich auch nicht im deutschen Interesse; eine Systemkonkurrenz wäre dem deutschen Kapitalismus genauso wenig recht wie dem amerikanischen. Im Gegensatz zu den USA steht Deutschland/EU gerade auf dem Sprung, eine weltweit dominante Rolle zu spielen. Eine temporäre Unterstützung Chinas gegenüber den USA passt also sehrwohl in di Rechnung deutscher Kapitalinteressen.
Dass sich Deutschland irgendwann auch frontal gegen China stellen wird, wenn es zu mächtig werden sollte, braucht man nicht anzuzweifeln - heute ist die Situation allerdings weitaus komplexer und vielschichtiger.

Chinas berechtigten Kampf um nationale Integrität und wachsenden Wohlstand für 1,3 Milliarden Menschen zu unterstützen bedeutet auch, den imperialistischen Interessen des Auslandes gegenüber China entgegenzutreten. Es ist also eine internationalistische Pflicht, China gegenüber den USA und auch Deutschland zu verteidigen - dazu gehört das Recht der Chinesen auf Selbstverteidigung. Nur ein militärisch wie auch wirtschaftlich starkes China ist der Garant für Frieden und Stabilität in der weltweit am dichtesten besiedelten Region der Erde - deswegen gilt es, die Aufhebung des anachronistischen Embargos zu fordern. Wenn auch freilich aus ganz anderen Motiven als unser werter Herr Kanzler.


Links zum Thema:

- deutsche Rüstungsinteressen
- Informationen zu ausgewählten deutschen Rüstungsexporten
- der Waffendealer Deutschland
- Konflikte in der Koalition
- Schröders Kurs zum Waffenembargo

zum Thema auf www.secarts.de:

- Falun Gong - eine fünfte Kolonne im Kampf gegen China
- 55 Jahre Volksrepublik China - Vorwärts zum Sozialismus?


 
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Kommentare anzeigen: absteigend   aufsteigend
  Kommentar zum Artikel von secarts:
Samstag, 21.05.2005 - 20:08

mhh... das hat mir kein Ruhe gelassen, mit dem "qui" oder "cui"...
Ergebnis: Scheißegal. Bedeutet beides das Gleiche. Ich lasse es jetzt einfach so.


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Samstag, 23.04.2005 - 18:06

natürlich hast du da Recht - eine sog. Freudsche Fehlleistung, augenscheinlich.
Ich habe es sofort korrigiert!


  Kommentar zum Artikel von bierchen:
Samstag, 23.04.2005 - 18:02

Die Frage ist doch wohl: Cui bono? oder?

Qui bono? ist mehr was für Philosophen...




  Kommentar zum Artikel von 128179:
Donnerstag, 21.04.2005 - 14:25

pah. RL-Accs sind doch was für n00bs. Klar, am Anfang hatte ich auch mal einen. Irgendwann braucht man den nichmehr und knallt ihn weg. Nimmt doch nur unnötigen RAM weg... (muss ich jetzt RAM erklären?)


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Dienstag, 19.04.2005 - 20:24

@sholvar:

hast du das Passwort für deinen Real-Life-Account vergessen, was??


  Kommentar zum Artikel von 128179:
Dienstag, 19.04.2005 - 19:48

Mein Fremdländischer Wortschatz ist ja wohl so gering, dass es selbst für die Schule zu wenig ist, also meckert mal nich rum, nur weil ihr ein oder zwei Spams nicht versteht.

Dass ich IMO als bekannt voraussetze, liegt daran, dass es zum allgemeinen Internetwortschatzgehört. Genauso setze ich Verständnis über LOL (laughing out loud), ROFL (rolling over the floor by laughing), WTF (what the fuck), Wayne (...interessierts?) und BTW (by the way) voraus. Wenn daraus für irgendwen Probleme entstehen, dann empfehle ich eine aktive Suche nach Lösungsalgorithmen (wie zum Beispiel einfach mal fragen ).


  Kommentar zum Artikel von klemens:
Dienstag, 19.04.2005 - 18:20

danke, stephan. wieder etwas gelernt. zwar nicht koreanisch aber immer hin. ;)


  Kommentar zum Artikel von Stephan:
Dienstag, 19.04.2005 - 01:54

das hab ich gelernt, IMO steht für In My Opinion, ähnlich wie IHMO wo noch ein Honest eingefügt wird, was freundlicher sein soll. Ich verstehe ihn aber oft auch nicht, beispielsweise wenn er in koreanische verfällt. Seltsame Einstellung für jemanden, der verstanden werden will.....


  Kommentar zum Artikel von klemens:
Dienstag, 19.04.2005 - 00:54

@sholvar:
hat jetzt mit dem thema gar nix zu tun aber: Was zu Henker heißt IMO???
Und warum setzt du vorraus, dass jeder weiß was das heißt?



  Kommentar zum Artikel von 128179:
Freitag, 15.04.2005 - 13:22

Dann hab ich damit nix mehr zu sagen und bedanke mich allseitig für die Information.
^^


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