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Ein Skandal. Der ehemalige Waldorflehrer Andreas Molau hat gekündigt und wird demnächst die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag in Schulfragen beraten und für die "Deutsche Stimme", das NPD-Blatt, schreiben. Was für ein Verlust für die freie Waldorfschule Braunschweig, sie verliert einen als "integer" und "dem Aussehen nach linksliberal" geltenden Lehrer.

Da zeigt sich wieder einmal, wie sehr doch das "Aussehen" täuschen kann. Denn Lehrer Molau, seit immerhin acht Jahren im Dienste der Steinerschen Ideologen in der Freien Waldorfschule, ist mitnichten ein Unbekannter:
  • Bereits mit seiner Staatsexamensarbeit über Alfred Rosenberg, den Nazi-Chef-"Ideologen", sortierte sich der am 23. Februar 1968 in Braunschweig gebürtige Molau politisch ein: die zu Beginn der faschistischen Herrschaft in Deutschland tobenden antisemitischen Pogrome nennt er die "naturgegebene Abgrenzung der Kulturseelen". Die Arbeit wurde 1993 beim rechtsradikalen "Verlag Siegfried Bublies" veröffentlicht.

  • Schon als Student arbeitete Molau als verantwortlicher Kulturredakteur bei der rechtsextremen Zeitung "Junge Freiheit" und schrieb seit Anfang der 1990er Jahre als Mitglied der Deutschen Hochschulgilde "Trutzburg Jena zu Göttingen" auch für den "Göttinger Zirkel", ein Organ schlagender Burschenschafter.

  • Molau war, neben seiner Tätigkeit für die "Junge Freiheit", unter anderem auch für das rechtsextreme Blatt "Nation Europa" als Autor tätig (nachlesbar ist das in der Drucksache 13/1119 vom 12.04.1995 des Deutschen Bundestages). Selbst der "Jungen Freiheit", meistens nicht gerade durch Distanz zu alten und neuen Rechten berühmt, wurde Molaus Treiben zu bunt: 1994 musste er, wegen fehlender Nähe zu Holocaust-Leugnern, das Blatt verlassen. Es folgte, bis 1996, ein Engagement als verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift "Deutsche Geschichte" beim mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilten Verleger Gert Sudholt.

  • 1995 gab Molau den bei der ebenfalls dem einschlägig rechten Spektrum zuzuordenenden "Verlagsgesellschaft Berg" verlegten Sammelband "Opposition für Deutschland" heraus - hier äußerte er auch die Grunddevise seines politischen Handelns, „alle Rechten, Konservativen, Nationalen, Nationalkonservativen usw. gedanklich an einen Tisch zu bringen“.

  • das "Handbuch Deutscher Rechtsextremismus" widmet Molau einen eigenen Artikel. Dort wird weiter erhellt, dass er ebenfalls für die Blätter "Der Republikaner", "Europa vorn", "Criticon" und viele weitere aus dem braunen Sumpf schrieb und als Chefredakteur der Zeitschrift "Deutsche Geschichte" fungierte.

  • Das Handbuch kommt zu folgender Einschätzung: "Molau gilt als einer der entscheidenden Nachwuchskräfte des deutschen Rechtextremismus. [...] Auch innerhalb der Jungen Freiheit stand er für den Kurs der 'alten Rechten'". (Handbuch deutscher Rechtsextremismus, Elefanten Press Berlin, 1996)


Der Schulleiter der betroffenen Waldorfschule, Kropp, äußerte sich dahingehend, von alldem nichts gewußt zu haben. Nun, zum Teil könnte das wohl daran liegen, dass die Steiner-Verehrer in den Waldorfschulen das Internet als Teufelszeug ablehnen - ein kleiner Blick bei Google hätte genügt, um alle oben aufgeführten Verquickungen Molaus ins rechtsextreme Millieu zu verifizieren. Molau ist weiß Gott kein kleines Licht oder ein bloßer auf intellektuell getrimmter Mitläufer der rechten Szene; er war jahrelang an ideologischen Schaltstellen zwischen Rechtskonservativen und Faschisten tätig und trat dementsprechend offen, unter seinem Namen, in Erscheinung.

Nun, einmal ein kleines Gedankenspiel, selbstverständlich rein hypothetischer Natur. Was wäre denn, wenn Molau tatsächlich als der, der er ist bekanntgeworden wäre bzw. schon bekannt war, als er an der Waldorfschule vorstellig wurde? Immerhin nicht völlig abwegig, immerhin hielt er sich acht ganze Jahre dort beruflich auf. Da kann sowas schon mal rauskommen. "Das ist eine Katastrophe für unser Image", sagt nun Schulleiter Kropp. Das ist es sicherlich; fraglich ist jedoch, ob die Steiner-Leute auch ein Problem mit Molaus Weltanschauung gehabt haben mussten. Doch dazu ist wieder ein bißchen Vorwissen nötig:

Die "Waldorfschulen" basieren auf dem "pädagogischen" Konzept Rudolf Steiners, der es im Auftrage des Waldorf-Astoria-Konzerns für die Kinder der Betriebsangehörigen konzipierte. Landläufig gelten die Waldorfschulen als etwas spinnerter, aber liebenswürdiger Ort für nicht lebensfähige Wohlstandsbürgerkinder, denen ein hartes Notensystem und Konkurrenzdruck nicht zugemutet werden darf; statt dessen wird gebastelt, gegärtnert und sich an der Kunst vergangen. Etwas weltfremd und esoterisch vielleicht, aber doch ganz nett, denkt man.
Steiner, Begründer der "Antroposophie" und Mitglied mehrerer Geheimgesellschaften wie der "Theosophischen Gesellschaft" und Autor kruder Schriften wie der "Geheimwissenschaft", war ein in seinem Mittelmaß typischer Vertreter des Idealismus Deutscher Schule um die Jahrhundertwende. Seine Weltanschauung ist eine bizarre Melange aus Versatzstücken des Christentums, ostasiatischer Religionen, etwas Rassentheorie und Übermenschenlehre. Von einer gewissen Madame Blavatzki übernahm Steiner das Konzept der "Wurzelrassen", teilte die Menschheit danach ein und fabulierte über den Arier - er starb zu früh, um damit wirklichen Erfolg zu haben. Wäre er nicht 1925, sondern 15 Jahre später gestorben, hätte er sein Lebenswerk vielleicht noch mit dem Posten eines Lehrbeauftragten der SS schmücken können. Doch so blieb ihm nur geistige Ehre in den unzähligen, von ihm gegründeten oder beeinflußten Ströumngen der antroposophischen Esoterik, der antroposophischen Medizin und dem "biologisch-dynamischen Landbau", wo nach den Maßgaben des Meisters geackert und bei Vollmond gesät wird. Und natürlich in den Waldorfschulen, wo die Zöglinge schon mal nach Steiners "Temperamentenlehre" in Saguiniker und Melancholiker gruppiert ihre Tische zugewiesen bekommen. Noch 1999 war übrigens in Waldorf-Geschichtsbüchern von Atlantis als Ursprung der arischen Rasse zu lesen.

Die Waldorfschulen sind ungeachtet ihres alternativen Konzeptes ein geschützer Raum geworden für Eltern, die es sich leisten können und Kinder, für die Großes gedacht ist. Nicht umsonst sind viele Spitzenmanager der BRD durch Steinersche Schulung gegangen; die Waldorfschulen nehmen in der Reproduktion deutscher Wirtschafts- und Politikeliten einen wesentlichen Platz ein. Und die Lehre Steiners ist nicht öko-alternativ oder versponnen-liebenswürdig, sondern rassistisch und menschenverachtend. Darüber sollte man sich im Klaren sein, wenn man den Namen "Waldorf" auch nur von Weitem hört.
Damit will ich nicht gesagt haben, dass jeder Waldorf-Lehrer ein Faschist sein muss oder alle Eltern von Waldorf-Schülern ihre Kinder in eine Ordensburg schicken mit dem Ziel, künftige rechte Führer ausbilden zu lassen. Sehr verbreitet ist das oben angesprochene alternative Klischee der Steinerschen Weltanschauung nach wie vor, gerade unter akut sinnentleerten Bildungsbürgern mit libertinärer Attitüde. Wer aber auch nur eine Schrift Steiners zur Hand nimmt, kann sich selbst ein Bild machen vom wahren Kern dieser Pseudoreligion.

Nun, erstmal zurück zu Herrn Schullehrer Molau: Durchaus denkbar, dass ein Ewiggestriger wie er Gefallen an Steiners in endlosen Wortschwällen verpackten Rassismen gefunden hat und nicht zufällig eine Waldorfschule für seine achtjährige Rüstzeit für die Front wählte. Und ebenfalls denkbar, dass ein intellektueller Rechtsextremer, also kein dumpfer Schläger, sondern ein "Führer", sehr wohl ins pädagogische Konzept einer Waldorfschule passt.

Vielleicht ist es die Wahrheit, das acht Jahre lang niemand wußte, wer Molau wirklich ist. Vielleicht ist es aber auch die Wahrheit, dass Molau sich acht Jahre lang überhaupt nicht verstellen musste und trotzdem nicht auffiel - er war einer unter Gleichen.



Links zum Thema:
- "NPD statt Schule" TAZ-Artikel
- "heimlicher Rechtsextremist" SPIEGEL-Online-Artikel




 
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  Kommentar zum Artikel von Andreas Lichte: Webseite
Mittwoch, 11.03.2009 - 14:18

Hallo,

als Ergänzung hier mein jüngster Artikel zum Thema:

"NPD und Waldorfschule: Über eine Zusammenarbeit, die nicht publik werden durfte"

http://npd-blog.info/2009/03/08/npd-und-waldorfschule-uber-eine-zusammenarbeit-die-nicht-publik-werden-durfte/

Dort auch ein interview mit Andreas Molau, mit Fragen u.a. zum gemeinsamen Buchprojekt mit Lorenzo Ravagli, Bund der Freien Waldofschulen


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Samstag, 12.02.2005 - 01:07

...und nochmal eine ausführliche Darstellung der rassistischen Elemente der Anthroposophie.


  Kommentar zum Artikel von secarts:
Dienstag, 21.12.2004 - 16:17

mal ein paar interessante Links zu Steiners "Anthroposophie" und den Korrelationen dieser Irrlehre zu antisemitischem und rassistischem Gedankengut:

- die "Wurzelrassentheorie"

- Steinersche Rassismen

- ein "Neger"-Zitat von Onkel Rudolf

- Waldorfschule und Antisemitismus

- Dokumentation zum Waldorf-Geschichtsbuch ("die arische Rasse stammt aus Atlantis")