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Von secarts

Tagesschau-Sprecher/in zu sein ist ein undankbarer Job. Jeden Tag kann man vor der versammelten TV-Nation sprechen. Doch es sind nie die eigenen Worte; man ließt nur ab. Deutschland lauscht gebannt. Doch was einen vielleicht ganz tief drin bewegt, kann man trotz dieser medialen Präsenz nicht loswerden. Es ist zum verzweifeln.
Nicht anders lässt sich erklären, warum ein Moderator nach dem anderen hinschmeißt : Erst war es Susann Stahnke, die lieber Görings Frau spielen wollte und nach einem peinlichen Strapsen-Auftritt in der C-Sternchenkategorie seichter Boulevardblätter verschwand; dann Jens Riewa, der mit lächerlichen Sex-Geschichtchen strauchelte; nun trifft es Eva Herman, die den Karrierekoller bekommt und ins Autorengeschäft wechselt - um der Nation ihre unerbeten Botschaften um die Ohren zu hauen.


Großbildansicht hitlerwithmuttercross.jpg (45.7 KB)
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Heute stellt Eva Herman ihr neues Buch vor: "Das Eva-Prinzip" *. Was der Name suggeriert, stimmt nicht: Eva Hermann schreibt keine Autobiographie, sondern eine Anti-Autobiographie. Ihre Mission ist nicht mehr und nicht weniger als die neue, alte Weiblichkeit; ihr Stilmittel das Abarbeiten am eigenen gescheiterten Lebenslauf. Herman, lange Zeit als Prototyp der "Karrierefrau" wahrgenommen, hat in ihrem eigenen Maßstabssystem eigentlich so beinahe alles falsch gemacht, was frau nur falschmachen kann: Sie hat auf Karriere statt Familie gestzt. Sie hat nur ein Kind, und das bekam sie erst mit 40. Sie konnte mindestens dreien von ihren 4 Ehemännern das Heim nie "so gemütlich einrichten, dass es eine Zuflucht" ist - wie sonst sollte man ihre Scheidungslaufbahn interpretieren?

Eva Hermans Weltbild ist einfach zu verstehen. Der Mensch, insbesondere aber die Frau, deren Aufgabe es ist, "für ein warmes Klima zu sorgen", ist in erster Linie dazu geschaffen, "um [sich] zu vermehren". So schlicht, so einfach, so falsch: Wer gibt hier wem den Auftrag? Gott? "Die Natur", oder gar "die Evolution"? Sicher, ohne Fortpflanzung stürbe die menschliche Gattung einfach aus. Daraus aber einen eingebauten Determinismus abzuleiten, setzt einen "höheren Willen" vorraus, der im Resultat nur religiös begründbar sein kann - und darüber braucht man bekanntlich nicht zu diskutieren. Das wohl mehr oder weniger durch Zufall gerade auf dem Planeten Erde entstandene Leben - und der Mensch als Teil des Ganzen - zieht eine Reihe von Notwendigkeiten, in den von Darwin formulierten Gesetzmäßigkeiten der Evolution entschlüsselt, nach sich. Man könnte also formulieren, der Mensch vermehre sich, weil er auf der Erde ist - und das ist etwas völlig anderes als Hermans kleiner Biologismustrip für Unbedarfte und Anfänger: "Wir sind auf dieser Erde, um uns zu vermehren"...

An dieser Binsenfalschheit müsste man sich nicht länger aufhalten, wenn nicht in ihr der erste Grundirrtum von Eva Hermans Kreuzzug wider die Gleichberechtigung der Geschlechter versteckt wäre: das "Kinderglück" wird demnach folgefehlerrichtig zum "Ziel" des (weiblichen) Lebens. Die Frau hat ja schließlich den Hauptanteil an der Kinderproduktion.
Der ideale Zeitpunkt für eine Frau, Kinder in die Welt zu setzen, sei zwischen 20 und 30 Jahren - "also viel früher, als es heute meist passiert". Weichen müsste dieser neuen Gebärfreudigkeit die Karriere, aber: die Trennung der Geschlechter in arbeitenden und fürsorgenden Part hat sich ja über Jahrtausende bewehrt, bis die modernen Feministinnen alles kaputt gemacht haben. Arbeiten sollen die Männer, die Frauen könnten ja nach dem 40. Lebensjahr immer noch anfangen zu arbeiten und "Karriere" machen.
Und überhaupt, die Männer: so schlimm wie von Schwarzer & Co. dargestellt seien sie ja auch wieder nicht: "Der Mann lädt die Frau in ein Restaurant ein. Die sagt: Ist ja ganz schön, aber warum gehen wir nicht in einer anderes Restaurant? Klar, dass der Mann da enttäuscht ist.", weiß die Herman. Deswegen: "Ich finde, wir Frauen sollten öfter einfach mal den Mund halten. Warum müssen wir immer alles mitbestimmen?"

Frauen bleibe ja immer noch ein Refugium, in dem sie durchaus auch Akzente setzen könnten: das traute Heim. Der Mann habe ja bekanntlich keine "besondere Veranlagung" für Hausarbeit, die verunsichere ihn nur, was dann wiederum zu "psychichen Problemen" führen könne. Und damit sei die Ehe wieder zum Scheitern verurteilt. Die Herman, selbst in vierter Ehe, spricht da aus Erfahrung: "Es gibt in Deutschland übrigens nur fünf bis sieben Prozent Hausmänner. Und in 98 Prozent dieser Fälle gehen die Ehen kaputt."
Und warum sollte man die Männer zwingen, Dinge zu tun, die ihnen a) nicht liegen, die b) zu psychischen Problemen führen und für die sie c) nicht einmal eine besondere Begabung haben? "Denn eine Frau ist viel eher in der Lage, das Haus heimelig zu machen, schöne Kerzen zu platzieren, Blumen aufzustellen und Apfelkuchen zu backen." Für Romantik-Allergiker ist in Hermans Weltbild kein Platz vorgesehen. Ebensowenig für Gebärverweigerer, Homosexuelle, Promiskuitive aus Leidenschaft, faule (oder einfach arbeitslose?) Männer - und natürlich auch für Frauen, die Berufstätigkeit als Erfüllung betrachten und heulende und einnässende Gören aus irgendwelchen Gründen nicht leiden können.

Großbildansicht mutterkreuz1940.jpg (18.6 KB)
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Kurzum: Die Hermansche Anti-Utopie dürfte ihre hohe Zeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehabt haben. Spätestens seit den sechziger Jahren läuten ihr auch in der, wie immer etwas langsameren, BRD die Totenglocken. In dieser Zeit seien nach Eva Herman die Weichen von fanatisierten Feministinnen falsch gestellt worden: es gebe sie, die "biologische[n] Unterschiede, die aber geleugnet" würden. "Kinder wegzuorganisieren, um uns selbst zu verwirklichen" sei nicht die Antwort auf die drängenden Fragen der Zeit, die Herman auch noch schnell umreißt: "Erderwärmung, Klimaveränderung, Turbokapitalismus, Globalisierung und Kampf der Kulturen". Da hat sie in der Tagesschau aber aufgepasst!

Der Ausweg aus der Misere, die Antwort auf die dräuenden Sinnesfragen, die uns alle so belasten, ist schnell bei der Hand: Zunächst einmal Schluß mit Karriere auf Kosten der Kinder (die arbeitslosen und lohnabhängigen Frauen dürfen jetzt mal lachen). Dann die Frauen an den Herd, den Herd in die Küche und die Küche in den Keller. Der Mann erarbeitet das Brot, wärend die Frau Blumenarrangements im Haus verteilt. Daneben werden fleissig Kinder gezeugt, die von der Frau umhegt werden. Soll denn alles falsch gewesen sein, was unsere Großeltern gemacht haben!?

Evas Prinzip hat einen klitzekleinen Haken: es funktioniert nicht mehr. Schuld daran sind weniger Klimaerwärmung oder Feministinnen, sondern der "Turbokapitalismus". Der erreicht zwar nicht die Gleichberechtigung der Frau, zwingt aber Menschen zur Lohnabhängigkeit und schafft tendenziell Massenarbeitslosigkeit. Damit ist es eigentlich auch schon geklärt: Entweder Frauen (und Männer) müssen arbeiten, um sich ihr heimeliges Haus überhaupt leisten zu können (und die Kinder zu ernähren), oder aber Männer (und Frauen) können nicht arbeiten, weil es keine Arbeitsplätze gibt. Damit zerbirst die nette Idee an der schnöden Realität. De facto ist es eher so, dass Arbeit nimmt, wer Arbeit bekommt. Die Frage, wer dann zu Hause die Kerzen arrangiert oder den Kuchen bäckt, ist dabei weitestgehend untergeordnet. Eines jedoch dürfte immer noch in Hermans Sinne sein: die Frauen, die aus Ignoranz gegenüber ihrem Gebärauftrag oder aus ökonomischer Notwendigkeit die tradierten Geschlechterrollen verlassen und arbeiten, werden wenigstens noch mit durchschnittlich 25 % weniger Lohn gestraft. So geht's ja net!

Und auch diese Sache mit den "fünf Kindern", die Herman bekommen würde, wenn sie ihr verkorkstes Leben noch einmal von vorne beginnen dürfte, ist nicht gar so simpel: Zunächst sind Kinder heute vor allem Eines: teuer. Und damit dürfte sich für einen Großteil der Bevölkerung, der keinen Lohn in Tagesschausprecher-Höhe bekommt, der Traum vom Kinderreichtum unisono zerschlagen haben. Wenn diese Hürde umschifft werden konnte, droht auch schon neues Ungemach: für gewöhnlich will der Mensch, wenn er denn die schwere Frage, ob Nachwuchs angeraten wäre, positiv bescheidet, diesem Nachwuchs auch optimale Chancen geben. Und hinter dem ostentativen Gejammere von den "aussterbenden Deutschen" übersehen all die Nörgler - auch Herman - geflissentlich, dass wir schon heute nicht in der Lage sind, den neuen Generationen vernünftige Bildung, Lehrstellen und Jobs, geschweige denn irgendwann einmal eine ausreichende Altersversorgung anzubieten. Kinder in die Welt setzen um des Kingerkriegen Willen? Nachfolgende Generationen werden es uns danken.

Es bleibt also nicht viel übrig von Evas neur Heimeligkeit - außer ungelösten Fragen. Doch die können nur ganz anders beantwortet werden, und erfordern obendrein in letzter Konsequenz den Mut zu radikalen Schlußfolgerungen, die sicher nicht jederhermans Sache sind...
Zunächst einmal: das was bis heute erreicht wurde in Sachen Geschlechtergleichberechtigung, reicht bei Weitem nicht aus. Deutschland hinkt auch hier den entwickelten Länddern (und selbst einigen "Entwicklungsländern" wie der VR China) hinterher: was die Quote der berufstätigen Frauen betrifft. Was die Möglichkeiten der Kinderbetreuung, von Ganztagshorten bis Kindergartenplätzen, betrifft. Was das Lohnniveau betrifft. Denn mehr noch als für Männer ist es gerade für Frauen immer eine ökonomische Frage, wie selbstbestimmt das Leben geführt werden kann: das Recht auf Scheidung ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht, wenn die Frau ökonomisch an den Mann gefesselt ist. Und die Frau wird solange an den Mann gefesselt sein, bis sie in die Lage versetzt ist, zu gleichem Lohn zu arbeiten - und dafür unter Umständen die Kinder tagsüber in Betreuung geben kann.

Ganz klar, viele dieser Forderungen werden nicht machbar sein in dieser Gesellschaft. Umso dringender, dort Änderungen zu erkämpfen, wo offenkundig nicht einmal nach bürgerlichen Maßstäben Gleichberechtigung herrscht.

Die Frauen tragen die Hälfte des Himmels. Doch um ihre Hälfte der Erde ist der Kampf noch nicht gefochten.


* Eva Herman: "Das Eva- Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit". Pendo Verlag, München; 260 Seiten; 18 Euro.


 
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