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Von krn

Aufgrund der Digitalisierung werden bis zu 1,5 Millionen Arbeitsplätze bis 2025 wegfallen. Die Armut unter der Bevölkerung wird weiter zunehmen. Kaeser & Co. haben Schiss vor den Folgen.

Der Siemens-Chef schlägt als Konsequenz des digitalen Wandels „eine Art von Grundeinkommen“ vor. „Einige bleiben auf der Stecke“, womit er wohl die 1,5 Millionen Arbeitsplätze meint, die bis 2025 wegfallen sollen. So sieht das die Bundesanstalt für Arbeit voraus. (Süddeutsche Zeitung, 21. November 2016) Das so genannte bedingungslose Grundeinkommen, von dem derzeit viel geredet wird, soll jedem garantiert sein, von der Hausfrau oder dem Ein-Euro-Jobber über den Fabrikarbeiter bis zum Manager oder Millionär. Angesichts von Reallohnsenkung, Hartz IV, Millionen Erwerbslosen und der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich eine fürs Erste einleuchtende, ja linke Forderung. Nicht nur Kaeser, auch der Telekom-Chef Höttges oder der Gründer der Drogeriekette dm sprachen sich dafür aus. (Siehe Kasten) Ohne Frage könnte das finanziert werden. Es ist genug für alle da, meint auch Attac als ein Vertreter dieses gesellschaftlichen Verteilungsmodells.

Götz Werner (geboren 1944) ist Gründer und Aufsichtsratsmitglied der Kette „dm-drogerie markt“, Marke „alnatura“. Vermögen 1,1 Mrd. Euro, Anthroposoph.

Götz Werner propagiert seit Jahren ein BGE in Höhe von 1.000 bis 1.500 Euro für alle. Er sagt auch, wie das finanziert werden soll. Die Mehrwertsteuer auf rund 50 Prozent erhöhen, alle anderen Steuern sollen wegfallen, also auch die Kapital- und Unternehmenssteuern! Das geht auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung. Götz Werner spricht offen aus, dass damit alle Steuern, die das Kapital und Vermögende noch zu zahlen haben, entfallen sollen. Außerdem, so sagt er, „würden die Arbeitskosten extrem sinken, weil ja das Bürgergeld auf die Einkommen angerechnet würde“.
Dabei wird der Kapitalismus nicht angegriffen – Kaeser würde sich hüten! Es wird aber nicht die Frage gestellt: Wer schafft den ganzen Reichtum? Voraussetzung für die – zumindest für die Kapitalisten – funktionierende Verteilung in dieser Gesellschaft ist die Lohnarbeit. Die menschliche Arbeitskraft ist die Hauptquelle allen Reichtums. Der Lohn sichert recht und schlecht die Lebensmittel, um unsere Arbeitskraft immer wieder herzustellen. Diese schafft aber mehr (!) als den Wert der Lebensmittel, die Differenz macht den Profit des Kapitalisten aus.

Geht aber dem Kapital durch die Digitalisierung nicht die Arbeit aus? Die ist ja die Quelle seines Profits. Klar ist, dass die Produktivität einen Sprung machen wird, wie es auch mit der Einführung des Computers in der Fabrik der Fall war. Statt die Arbeitszeit zu verkürzen, werden derzeit Überstunden geklopft ohne Ende, die Arbeitszeit wird flexibilisiert, ausgedehnt über den ganzen Arbeitstag, während Millionen erwerbslos sind. (Karl Marx sprach von einer für das Kapital überflüssigen Bevölkerung.) Das ist kapitalistische Verteilung mit der Option von noch mal 1,5 Millionen, die nach Kaeser „auf der Stecke“ bleiben. Die Industrie 4.0 wird also weniger Arbeiter auszubeuten haben, die aber umso mehr. Damit die Profitmasse stimmt, müssen also die Löhne runter!

[file-periodicals#195]Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet Lohnkürzung! Jetzt wird’s für Kaeser und das Kapital interessant. Die Vorschläge für das Grundeinkommen reichen von 800 bis 1.500 Euro, für den Werker bei BMW wie auch für den Ingenieur bei Siemens. Das würde zur Aufrechterhaltung einer würdigen Existenz nicht reichen. Davon kann keiner leben, die Menschen müssten und würden weiter Arbeit suchen. Das Grundeinkommen würde vom Staat subventioniert in Form eines Lohnzuschusses, gespeist aus den Massensteuern, also von unsereins. Die Kapitalisten lachen sich ins Fäustchen, denn sie könnten den Lohn senken, den Profit steigern. Die Arbeiter und Angestellten würden bereit sein, Löhne unter dem Tarif zu akzeptieren. Dabei würden die Gewerkschaften geschwächt bis zur Bedeutungslosigkeit.
Der ehemalige Kapitalistenpräsident Stihl (Kettensägen!) sprach schon 1997 im Zusammenhang mit einem staatlich subventionierten „Kombilohn“ von einem „trojanischen Pferd, das wir bei den Gewerkschaften aufstellen.“ (Wirtschaftswoche, 2. Oktober 1997) Eine Spirale nach unten setzte sich in Bewegung. Die Arbeiter verlernten, als Verkäufer ihrer Arbeitskraft den Kampf um mehr Lohn zu führen. Sie würden degradiert zu Empfängern von staatlichen Alimenten, nicht anders wie Hartz IV oder ALG.

Kaeser hat übrigens zurückgerudert. Er sei falsch zitiert worden nach seinem scheinbar linken Auftritt beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung im November 2016. Er wolle eigentlich nur „eine bedingte Grundversorgung für das Alter und gegen die Armut sicherstellen“. Hilfsweise und ebenso populistisch forderte er dann, „schnelle Gewinne von Spekulanten aus nicht nachhaltigen Investments maximal“ zu besteuern. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. November 2016)

Trotzdem ist die Digitalisierung auf dem Marsch, und Kaeser und Kapital haben Schiss vor sozialen Unruhen. Die sollen sie haben: Hartz IV muss weg! Rente mit 60! 30-Stunden-Woche! 12 Euro Mindestlohn! Leiharbeit verbieten! Dafür müssen wir kämpfen, dann hat Kaeser einen schlechten Schlaf.


Aus: Auf Draht, 31.01.2017


 
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