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Die Aufnahme der rechtsextremen Laos-Partei in die neue griechische Regierung unter dem früheren EZB-Vizebankchef Papademos, die von einer großen Koalition aus Sozialdemokraten und Rechtskonservativen getragen wird, hat in Frankreich ein kritisches Echo ausgelöst. Zwei französische Politologen, Dominique Linhardt vom staatlichen Forschungszentrum CNRS und Cédric Moreau de Bellaing veröffentlichten in der großbürgerlichen Tageszeitung "Le Monde" kürzlich einen Artikel, in dem sie ihre Betroffenheit darüber ausdrückten, dass dieser Vorgang im übrigen Europa vielfach mit einem "euphemistischen (schönfärbenden) Ton" beschrieben worden sei. "Der Skandal, den der Eintritt der Rechtsextremen in diese Regierung darstellt", werde noch verstärkt durch die Tatsache, dass diese neue Regierung von den meisten Politikern und autorisierten Kommentatoren in der EU lebhaft begrüßt wurde.

Die Autoren verweisen darauf, dass die "Laos" (Abkürzung für "Laikós Orthódoxos Synagermós" = "Orthodoxer Volksalarm") nur darauf abziele, durch die Beteiligung an der Regierung ein "Plus an Legitimität" zu erlangen und damit ihre Position für die im Februar geplanten Wahlen zu verbessern. Ihr Vorsitzender Georgis Karatzaferis habe schon bei Gründung der Partei im Jahr 2000 erklärt, dass seine Partei "Kommunisten", "Freimaurer", "Homosexuelle" und "Juden" nicht aufnehme. Die gleiche Mischung von Rassismus und Homophobie finde sich auch bei dem jetzt aus den Reihen von "Laos" ernannten Vizeminister Andonis Georgiadis, der für wirtschaftliche Entwicklung und die Handelsmarine zuständig ist. Dieser habe unlängst das "jüdische Volk" angeklagt, seine "Kontrolle über das Weltbankensystem" errichtet zu haben. Übrigens ist die völkisch-nationalistische und ausländerfeindliche Partei noch mit drei weiteren Regierungsposten an der Regierung Papademos beteiligt. Sie stellt auch den Verkehrsminister, den Vizeminister für Landwirtschaft und Ernährung und den stellvertretenden Verteidigungsminister.

Die beiden Wissenschaftler werfen die Frage auf, wieso die Aufnahme dieser Rechtsextremisten in die neue griechische Regierung ohne nennenswerte Proteste hingenommen wurde. Offenbar sei die Zusage der "Laos", sich an der weiteren Demontierung des Sozialstaats zu beteiligen, so viel wert gewesen, dass der Eintritt von Rechtsextremisten in eine europäische Regierung als "vernachlässigbar" angesehen wurde. Der Vorgang verweise darauf, dass sich innerhalb der maßgeblichen politischen Kreise offenbar eine "tiefgehende Transformation" der Kriterien für politische Legitimität vollzogen habe. Die Bereitschaft zur Mitwirkung an der Durchsetzung der angeblichen Sachzwänge des "finanziellen Realismus" werde offenbar zum wichtigsten Kriterium. Der Verlust der Fähigkeit, den Skandal des Eintretens von politischen Akteuren in die Regierung eines europäischen Landes zu verurteilen, für die Auschwitz ein "Mythos" ist, sei dafür mehr bezeichnend.

Andere Stimmen in Frankreich haben darauf hingewiesen, dass die meisten europäischen Regierungen und die EU vor zwölf Jahren offiziell noch ganz anders reagiert haben, als der damalige Chef der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), Wolfgang Schüssel, erstmals eine Koalition mit dem Rechtsextremisten Jörg Haider bilden wollte. Damals teilten vierzehn von fünfzehn Mitgliedsstaaten der EU mit, dass sie die politischen und diplomatischen Beziehungen zur österreichischen Regierung auf Eis legen würden, falls diese Koalition tatsächlich gebildet wird. Haider wurde daraufhin nicht Minister, aber die Koalition der ÖVP mit Haiders Partei FPÖ kam dennoch zustande. Die EU reagierte darauf, indem sie erstmals tatsächlich Sanktionen gegen einen Mitgliedsstaat beschloss, wenn diese auch weitgehend nur symbolischen Charakter hatten. Die Mitwirkung Österreichs in diversen EU-Gremien wurde zeitweilig suspendiert. Der Kontrast zur heutigen Haltung der EU gegenüber dem Eintritt der Rechtsextremisten in die Regierung Papademos kann nicht größer sein. Er signalisiert in der Tat einen Schwenk der offiziellen EU-Politik um 180 Grad.

 
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