Die Druckunternehmer waren angetreten, die letzte Bastion der 35-Stunden-Woche einzunehmen, nachdem sie es bei der Metallindustrie geschafft hatten, durch Öffnungsklauseln den Manteltarifvertrag aufzuweichen und zu durchlöchern. Auf 40 Stunden wollten sie die Arbeitszeit erhöhen. Doch die Drucker waren fest entschlossen, die 35 zu verteidigen - Tausende Kolleginnen und Kollegen aus über 100 Betrieben waren hoch motiviert, sich die Errungenschaft eines langen Arbeitskampfes in den 80er Jahren nicht nehmen zu lassen. Das ist gelungen - und von großer Bedeutung für die gesamte Gewerkschaftsbewegung. Denn die Arbeitszeit ist ein zentrales Kampffeld zwischen Kapital und Arbeit.
Verlängerung der Arbeitszeit heißt Vergrößerung des Heers der Arbeitslosen - was uns immer erpressbarer macht. Es heißt weniger Zeit für Erholung, Familie und nicht zuletzt: Zeit für den gewerkschaftlichen und politischen Kampf, für berufliche Fortbildung und das Studium von Ökonomie und Gesellschaft. Auch bei der sogenannten Besetzungsregelung, das heißt wie viele Kollegen an einer Druckmaschine stehen müssen, einem andern Streitpunkt des Manteltarifvertrags der Drucker, ging es um die Verhinderung von weiterem Arbeitsplatzabbau. In der Branche ist sie ohnehin schlimm genug durch die fortschreitende Rationalisierung, die Überkapazitäten und die dadurch gesteigerte Konkurrenz. 10 000 Beschäftigte allein im vergangenen Jahr fielen ihr zum Opfer.
Bitterer Lohnabschluss
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© by Sebastian Drost |
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Mit vielfältigen Streikaktionen - wie z. B. hier in Frankfurt am Main - kämpften die Drucker erfolgreich gegen Tarifverschlechterungen. |
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Kollegen aus Münchner Betrieben, die an vorderster Stelle den Streik mitgetragen hatten - so zum Beispiel vom Süddeutschen Verlag und von Giesecke und Devrient - berichteten von Siegesstimmung, als sich nach der letzten Verhandlungsrunde die Einigung mit Festschreibung des Mantels auf drei weitere Jahre abzeichnete. In den Medien wurde dagegen meist nur der Lohnabschluss gemeldet, und der ist wahrhaft nicht berückend: zwei Einmalzahlungen und 2 Prozent ab August 2012 bei einer Laufzeit von 33 Monaten. Umgerechnet aufs Jahr bedeutet das weniger als 1 Prozent. Bei den hohen Löhnen, die die Drucker sich im Lauf von Jahrzehnten erkämpft haben, kann das von der Mehrheit zwar verkraftet werden, aber so ein Ergebnis in Zeiten des Aufschwungs ist bitter. Fast drei Jahre "Ruhe im Karton" bedeutet für die Unternehmer die erwünschte Planungssicherheit. Genauso bitter ist, dass die Gleichstellung der Leiharbeiter nicht durchgesetzt werden konnte. Denn zur Beendigung der Defensivposition wäre dies dringend nötig gewesen, hätte es ein erster Schritt sein können.
Auch Tausende Redakteure streiktenBeigetragen zum Erfolg haben die Redakteure, denen die Verlage ebenfalls ans Leder wollen: Tarifabsenkungen in der Gesamtgrößenordnung von über 30 Prozent, Begrenzung der Urlaubstage auf 30 und Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden. (Für sie geht die Tarifrunde nun unter verschlechterten Bedingungen weiter) Die Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Druckerei wurde im Laufe des Streiks immer besser, so dass die Süddeutsche Zeitung zum Beispiel immer dünner wurde. Auf Seite 1 erschien jeweils ein Kasten mit dem Hinweis, wann gestreikt worden war, und die Redakteure konnten sogar einen Artikel auf der Medienseite durchsetzen, wo sie den eigenen Verleger scharf angriffen. Beim "Münchner Merkur" dagegen wurde ein absolutes Verbot verhängt, über den Streik zu berichten.
Streikauswertung nötigHeutzutage kann eine Akzidenzdruckerei wie Giesecke und Devrient, wo Banknoten gedruckt werden, ökonomisch mehr Druck erzeugen als die Druckerei eines Zeitungsverlags, wo aufgrund der modernen Technik das Erscheinen der Zeitung nicht mehr zur Gänze verhindert und nur noch der Umfang vermindert werden kann. Aber den Verlegern war in den Verhandlungen deutlich anzumerken, wie unangenehm ihnen die Auseinandersetzung war, die erheblich am Image kratzte. Denn reine Agenturmeldungen statt redaktioneller Artikel machen sich nicht gut bei den Lesern.
Die Drucker bewiesen, dass sie trotz verschlechterter Bedingungen immer noch kampffähig und kampfbereit sind! Um jedoch den Streik zum Erfolg zu führen, müssen wir in Zukunft ver.di drängen, ihr Gründungsversprechen einzuhalten, dass nämlich der Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften auch zu größerer Schlagkraft führt. Bisher haben wir statt der fünf Einzelgewerkschaften eher dreizehn mit den dreizehn Fachbereichen, die weitgehend nebeneinander her arbeiten. Wenn Tarifauseinandersetzungen in mehreren Branchen gleichzeitig geführt werden, kann mehr Öffentlichkeit und mehr Druck entfaltet werden. Nur so werden wir dem Ziel, die 35-Stunden-Woche auch gesetzlich zu verankern, näher kommen.