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•NEUES THEMA20.07.2014, 20:01 Uhr
EDIT: retmarut
20.07.2014, 20:16 Uhr
20.07.2014, 20:16 Uhr
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retmarut | |
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• Ist Russland ein imperialistisches Land?
Eine Frage, die in unseren Kreisen immer mal wieder diskutiert wird. Die Meinung der hiesigen bürgerlichen Medien ist recht eindeutig, wenn wir uns die derzeitigen Hetzkampagnen gegen Russland (und v.a. personifiziert als Angriffe auf Putin) ansehen.
Wie auch die Frage des Klassencharakters der VR China (zu der es ebenfalls innerhalb der kommunistischen Bewegung recht unterschiedliche, um nicht zu sagen divergierende Ansichten gibt, die wir in diesem Thread aber nicht behandeln wollen) so stellt auch die Frage des gesellschaftlich-ökonomischen Charakters der Russischen Föderation die Weichen, wie sich Kommunisten in der Welt orientieren. Bei Russland ist es sicher unstrittig, dass es (nach dem Ende der SU) einen kapitalistischen Verlauf genommen hat. Die Frage ist allerdings, ob Russland darüber hinaus als imperialistischer (also monopolkapitalistisch dominierter) Staat im Sinne der Leninschen Imperialismustheorie zu betrachten ist. (Die Grundlagen der Leninschen Imperialismustheorie werden als bekannt vorausgesetzt und sind bei Bedarf hier nachlesbar.)
Im folgenden spiegele ich eine im Secarts-Forum (Ukraine-Thread) begonnene Debatte zwischen FPeregrin und mir, an der sich vielleicht auch andere Leser des Secarts-Forum beteiligen möchten.
Wie auch die Frage des Klassencharakters der VR China (zu der es ebenfalls innerhalb der kommunistischen Bewegung recht unterschiedliche, um nicht zu sagen divergierende Ansichten gibt, die wir in diesem Thread aber nicht behandeln wollen) so stellt auch die Frage des gesellschaftlich-ökonomischen Charakters der Russischen Föderation die Weichen, wie sich Kommunisten in der Welt orientieren. Bei Russland ist es sicher unstrittig, dass es (nach dem Ende der SU) einen kapitalistischen Verlauf genommen hat. Die Frage ist allerdings, ob Russland darüber hinaus als imperialistischer (also monopolkapitalistisch dominierter) Staat im Sinne der Leninschen Imperialismustheorie zu betrachten ist. (Die Grundlagen der Leninschen Imperialismustheorie werden als bekannt vorausgesetzt und sind bei Bedarf hier nachlesbar.)
Im folgenden spiegele ich eine im Secarts-Forum (Ukraine-Thread) begonnene Debatte zwischen FPeregrin und mir, an der sich vielleicht auch andere Leser des Secarts-Forum beteiligen möchten.
•NEUER BEITRAG20.07.2014, 20:02 Uhr
EDIT: retmarut
20.07.2014, 20:04 Uhr
20.07.2014, 20:04 Uhr
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retmarut | |
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Zur Einschätzung des Klassencharakters des gegenwärtigen russischen Staates steht in der Juli-Ausgabe des RotFuchs ein unbedingt rezeptionswürdiger Text von Hermann Jacobs mit dem Titel Keine Restauration klassischer Art. Warum Rußlands oligarchischer Kapitalismus nicht imperialistisch ist. Wie schon einmal in diesem Thread angemerkt, müssen wir und über diese Frage klar werden. Ich werde jetzt einen Teufel tun, diesen Text hier zusammenzufassen. Auf eine wichtige Aussagen sei aber immerhin verwiesen: Die kapitalistische Restauration in der ehemaligen SU sei über keine sie originär tragende Klasse - also eine alte Bourgeoisie - verwirklicht worden, sondern eben über eine Fraktion der KPdSU. Dieser Unterschied habe auch ein anderes außenpolitisches zur Folge: "Man sollte sich jetzt vor allem auf Rußland Außenpolitik konzentrieren. Sie sagt mehr über den Stand der Innenpolitik aus als diese selbst." Ein sozialistisches Relikt etwa sei ein nach wie vor bestehender Primat der Politik gegenüber der Ökonomie.
Wie auch immer man diese Thesen beurteilen mag: Ganz sicher ist auch im heutigen Rußland ein altes bourgeoises Klassengedächtnis nicht mehr spürbar, ganz anders als etwa in den ehemaligen Warschauer-Vertragsorganisations-Staaten. Hier muß sicher auch der Zeitunterschied in der Dauer eines sozialistischen Regiments gesehen werden. Den knapp 3 Generationen in der SU stehen noch knapper nur 2 in den Warschauer-Vertragsorganisations-Staaten gegenüber. Wenn obige Bewertung richtig ist, sagt dies über die Haltbarkeit bourgeoiser Klassengedächtnisse aus. Da ähnliches auch über ihre Entstehenszeiträume gelten dürfte, wäre eine solche Erkenntnis nutzbringend bezüglich der Entwicklung in der VR China anwendbar.
Der Juli-RotFuchs steht hier: Link ...jetzt anmelden! . Bzw. hier: Link ...jetzt anmelden! .
•NEUER BEITRAG20.07.2014, 20:03 Uhr
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retmarut | |
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Ich habe mich über den Text von Hermann Jacobs (mal wieder) geärgert, weil er im Grunde halbgare Thesen bringt, die er nicht wirklich unterfüttert.
"altes bourgeoises Klassengedächtnis nicht mehr spürbar" - Ich bin absolut kein Russlandexperte, war auch noch nie dort, kenne das Land also nur aus zweiter Hand. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, dass die Bourgeoisie in Russland (und im Grunde gilt das auch für alle anderen ehemaligen SU-Teilstaaten, also Kasachstan, Usbekistan, Ukraine, Georgien, Armenien, Aserbaidjan, Tadjikistan etc, mit Ausnahme Weißrusslands und der drei baltischen Staaten) nicht wüsste, wie Bourgeoisie geht und wie die jeweiligen Traditionslinien ausschauen. (Weißrussland nimmt meiner Meinung nach eine Sonderstellung ein, weil dort natürlich auch - notgedrungen - Kapitalismus eingekehrt ist, aber zumindest das soziale Miteinander an die realsozialistische Zeit anzuknüpfen sucht.)
Die ehemaligen Warschauer Vertragsstaaten (mit Ausnahme der DDR, die einfach vom deutschen Imperialismus wieder geschluckt und eingemeindet wurde) sowie die drei baltischen Staaten haben sich ihre alte Bourgeoisie, die sich 1944-48 ins Exil abgesetzt hatte, aus dem imperialistischen Ausland heimgeholt. Entsprechend der strikte antikommunistische, russophobe Kurs und der Bezug auf die "Zwischenkriegszeit" (grob 1919-1939/40). Diese Bourgeoisien wissen also ganz genau welche nationalen Mythen sie aufziehen müssen, um die "Rechtmäßigkeit" ihrer Herrschaft zu begründen.
Anders in den o.g. Staaten auf ehem. SU-Gebiet. Deren Bourgeoisie hat sich bereits in den 1920ern verabschiedet und ist dort im Grunde untergegangen. Egon Erwin Kisch beschreibt in seinem China-Reisebuch ("China geheim", 1933), wie die weißgardistischen Adels- und Bourgeoisgestalten im Exil in Armut dahinvegetieren und sich in hoffnungslosen Schwärmereinen für die Vergangenheit einrichten. Er zeigt auch auf, wie sich die weißgardistischen Hofschranzen und Kaufmannsbräute als billige ("weiße") Huren auf dem chinesischen Markt anbieten müssen, um über die Runden zu kommen.
Also diese Traditionslinien sind abgefault und können auch nicht mehr wirklich reaktiviert werden. Die neuen Oligarchen in diesen Staaten haben eine andere Herkunft, kommen meist aus dem regionalen sozialistischen Apparat (Bürokraten, Militärs, Betriebsleiter etc.), die sich in den wilden Jahren nach 1991 als Glücksritter mit mehr oder weniger legalen Methoden zu Wohlstand emporgewirtschaftet haben. In den peripheren Gebieten (Kaukasusgebiet, Kasachstan etc.) wird geschichtlich auf (meist vorbürgerlich-feudale) Strukturen Bezug genommen, während in Russland z.B. das alte Zarentum verklärt wird (mensch schaue sich nur mal die ganzen russischen Mantel-und-Degen-Schmonzettenfilme an, wo der Zarismus als "goldenes Zeitalter" verbrämt wird).
Trotz all dieser Bezugnahmen und Geschichtspolitik kommt die russische Bourgeoisie nicht darum herum, auch die Zeit zwischen 1917 und 1991 als Traditionslinie mit einzubauen. Und zwar nicht, weil sie das wollen, sondern weil die nichtbürgerlichen Massen das einfordern. Am deutlichsten, fand ich, war das auf der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Sotchi zu sehen, wo ein ganzer, vollauf positiver Abschnitt zur SU lief (was den beiden deutschen Dumm-Kommentaroren des öffentlich-rechtlichen Senders gar nicht in den Kram passte). Deutlich wird das auch am Militär (wo es weiterhin kaum Klassenbarrieren in der Laufbahn gibt und natürlich als Wehrpflichtarmee viele Arbeiter und Kleinbürger durchgehen), wo die Symbole des alten Sowjetsystems nicht einfach abgeschafft und durch zaristischen Pomp ersetzt werden können. Auf dieser symbolischen Ebene zeigt sich, wo Klassenkampflinien auch im Militär verlaufen. Daher auch dieses für Außenstehende recht eigentümliche Nebeneinander von zaristisch-feudalen Symbolen und sowjetischen.
All das hätte Jacobs beleuchten können, macht er aber nicht. Stattdessen suggeriert Jacobs, die Gorbatschowisten hätten Ende der 1980er einen geordneten Übergang bzw. Rückzug zum Kapitalismus vollzogen, weil die Kosten für den Rüstungswettlauf zu groß wurden. Dabei seien dann auch zeitweise (?) Gebietsverluste hingenommen worden, um die Konfrontationslinien zu glätten. Bei Jacobs heißt es wörtlich:
"Als zweiten Grund betrachte ich die Sicherheitslage des Landes. Sie war durch enorme Mittel verschlingende ständige Hochrüstung am Ende instabil geworden, weshalb führende Politiker in Moskau nach einer anderen Außenpolitik mit gesellschaftlichen Konsequenzen Ausschau hielten.
Im günstigeren Falle ging es dabei um die Außenpolitik eines friedlichen, als kapitalistisch geltenden Landes, das sich von seiner sozialistischen Vergangenheit abgrenzt. In der Folge käme es weniger auf die durchgehende Kapitalisierung des Landes und mehr darauf an, daß der „westliche“ Kapitalismus es als glaubwürdig betrachtet, daß Rußland ein durch Schwäche zum Kapitalismus zurückgezwungenes Land sei."
Als sei 1985-91 eine lediglich klandestine Mimikrie gewesen, um den Westen hinters Licht zu führen und eigene Schwäche nur zu schauspielern. So kann sich die Niederlage von 1989 auch schöngetrunken werden! Als sei ein Schnappsnasen-Präsident wie Jelzin, der das Staatseigentum weitgehend verramscht hat, nur eine Scharade gewesen, um den Westen zu narren. - Auf solch einen Unsinn als Erklärungsmuster muss mensch erst mal kommen.
Worin ich Jacob (aber aus ganz anderen Gründen) zustimme, ist die These, dass Russland zwar kapitalistisch, aber kein imperialistisches (Haupt-)Land sei. Dazu muss ich aber nicht abstruse "Transformationsthesen" ausbreiten, dazu reicht ein Blick auf die ökonomischen Eckdaten und die Exportwaren. Russlands bescheidener Reichtum basiert zu über 80% auf Erdgas- und Erdölförderung, also klassischem Rohstoffexport. Russland ist genauso wenig imperialistisch wie Katar, Venezuela, Mexiko, Iran oder Saudi-Arabien. Sobald diese Rohstoffe nicht mehr nachgefragt werden oder der Preis nach unten geht, sieht es für diese Staaten ziemlich düster aus. Ein produktives Rückgrat, insb. ein konkurrenzfähiger Maschinenbau fehlt.
- Sorry für den Exkurs, aber der Jacobs-Text hat mich echt sehr geärgert. -
•NEUER BEITRAG20.07.2014, 20:05 Uhr
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retmarut | |
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@ retmarut: Einen eigenen Thread zu diesem Thema würde ich - insbesondere wegen seiner aktuellen Dringlichkeit - unbedingt begrüßen, werde aber als lausiger Ökonom sicher dazu wenig Konstruktives beitragen können. Wenn der Verweis auf H. Jacobs in der Tat "mal eben so" argumentierenden Text zu einer Debatte über den Klassencharakter des russischen Systems beigetragen hätte, hätte er seinen Zweck vollständig erfüllt!
•NEUER BEITRAG21.07.2014, 08:44 Uhr
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mischa | |
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Putins Russland – weder Satan noch Heilsbringer. Überlegungen für eine marxistische Analyse der russischen Politik. Von Willi Gerns.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzungen in der und um die Ukraine erleben wir gegenwärtig in den imperialistischen Hauptländern eine kaum noch zu übertreffende antirussische Hetzkampagne. In Deutschland erinnert sie in erschreckender Weise an die Jahre der Nazi-Diktatur und des zweiten Weltkriegs sowie an die Hochzeit des Kalten Krieges (damals in Gestalt des Antisowjetismus). Die Schallwellen dieser Kampagne finden selbst bei manchen Linken noch einen gewissen Widerhall. Andererseits gibt es als Reaktion darauf hier und da auch eine undifferenzierte Unterstützung der russischen Politik ohne Berücksichtigung von Klassengrundlagen. Weder das eine noch das andere kann das Herangehen von Kommunisten sein.
Eigentums- und Machtverhältnisse in Russland
Als Marxisten gehen wir bei der Beurteilung der Politik eines Staates von der Frage aus, welche Gesellschaftsordnung, das heißt, welche Eigentums- und Machtverhältnisse herrschen in diesem Land, die Interessen welcher Klasse bzw. Klassen liegen damit dieser Politik zugrunde. Zugleich bemühen wir uns darum, durch eine „konkrete Analyse der konkreten historischen Situation“ (Lenin) die aktuelle Rolle dieses Landes unter den derzeit gegebenen weltpolitischen Konstellationen zu erfassen.
Wenn wir diese Grundsätze auf das heutige Russland anwenden, müssen wir feststellen: Russland ist ein kapitalistisches Land, in dem der größte Teil der Produktionsmittel im Zuge der antisozialistischen Konterrevolution in kapitalistisches Privateigentum übergegangen ist. Dominierend in diesem Sektor ist das Raubeigentum der Oligarchenclans. Daneben gibt es trotz weitergehender Privatisierungen noch einen relativ großen Bereich staatlichen Eigentums bzw. gemischten Produktions- oder Finanzmittel-Eigentums. Soweit es bei letzterem um strategische Unternehmen geht, hält in der Regel der Staat noch die Kontrollmehrheit.
Die politische Macht wird durch eine Herrschaftselite ausgeübt, in der die Macht der obersten Staatsbürokratie immer mehr mit der Wirtschaftsmacht bestimmter Oligarchenclans zusammenwächst. In Anspielung auf das letztlich entscheidende Machtorgan in der Sowjetunion bezeichnen die Autoren einer 2012 im Internet veröffentlichten Studie (www.mitchenko.ru/analitika) über den Herrschaftsmechanismus des Putin-Regimes dessen oberste Etage als „Politbüro 2.0“. Diese Quasi-Institution kollektiver Macht, so die Autoren, die russischen Politologen Jewgeni Mitchenko (Präsident der Holding „Mitchenko consulting“) und Kirill Petrow (Leiter der analytischen Abteilung des Internationalen Instituts für politische Expertisen), habe sich im Laufe der Jahre nach 2000 im Ergebnis der Umverteilung der Ressourcen von kleinen oligarchischen Clans, der Zerschlagung der Medienimperien und der Liquidierung des Großteils der regionalen Regime herausgebildet.
In der Rolle des Schiedsrichters und Moderators trete Präsident Putin auf. Das Staatsoberhaupt übe zudem die direkte Kontrolle über die langfristigen Gasverträge, die Leitung des Energiesektors und die systemrelevanten Banken aus. In der Studie werden die Namen von Angehörigen dieser obersten Machtetage sowie ihre politischen und wirtschaftlichen Positionen und die ihres engsten, als „Kandidaten des Politbüros 2.0“ bezeichneten Umfeldes genannt. Wir haben hier nicht den Platz dies darzustellen. Ausführlich wurde die Studie in der UZ vom 14. 9. 2012 behandelt.
Ohne uns mit der Anspielung auf das Politbüro des ZK der KPdSU zu identifizieren – es handelte sich dabei um die Spitze eines Machtsystems, dem eine vollkommen andere, ja entgegengesetzte ökonomische Basis zugrunde lag –, ist die in der Studie beschriebene Vereinigung der politischen Macht des Staates mit der ökonomischen Macht bestimmter, dem Kreml besonders naher Oligarchenclans als Kern der Sache durchaus zutreffend. Von daher kann man bei allen Besonderheiten auch von einer Variante des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Russland sprechen.
Russland – ein imperialistisches Land?
Der Marxismus-Leninismus sieht im staatsmonopolistischen Kapitalismus bekanntlich eine Entwicklungsvariante auf dem Boden des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus. Darum wollen wir kurz der Frage nachgehen, ob und inwieweit die von Lenin in seiner Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ herausgearbeiteten wesentlichen Merkmale des Imperialismus auf den heutigen russischen Kapitalismus zutreffen.
Daran, dass die dort genannten grundlegenden ökonomischen Merkmale im heutigen russischen Kapitalismus gegeben sind – insbesondere die Existenz und Herrschaft von Monopolen, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen, als Kern des Ganzen; die Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und die Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis des Finanzkapitals; sowie der eine immer größere Rolle spielende Kapitalexport –, kann es keinen Zweifel geben. Allerdings sind dabei russische Besonderheiten zu beachten. Während die Herrschaft der Monopole in den klassischen imperialistischen Ländern das Ergebnis eines langen historischen Prozesses der Konzentration und Zentralisation des Kapitals war, ist sie im heutigen Russland das Resultat eines relativ kurzen kriminellen Prozesses räuberischer Aneignung der Filetstücke des Volkseigentums während der antisozialistischen Konterrevolution. Im Weiteren sind dann auch in Russland die Oligarchenkapitale durch Konzentration und Zentralisation zu noch größeren Gebilden gewachsen. Auch in Russland sind Bank- und Industriekapital miteinander verschmolzen, wie ein Blick auf die Oligarchen-Konglomerate untrüglich deutlich macht, eine mächtige Finanzoligarchie ist entstanden. Und die Entwicklungstendenzen der russischen Direktinvestitionen im Ausland zeigen, dass auch der Kapitalexport eine immer größere Rolle spielt. Das Gleiche gilt sowohl auf russischem Boden wie im Ausland für Verflechtungen mit dem internationalen Kapital.
Fazit: Das Russland Putins ist ein kapitalistisches Land in dem die ökonomischen Grundlagen des Monopolkapitalismus / Imperialismus mit gewissen Besonderheiten durchaus gegeben sind.
Was die Politik Russlands betrifft, so ist es notwendig, zwischen Innen- und Außenpolitik sowie in der Außenpolitik zwischen zwei Ebenen zu unterscheiden.
Die Innenpolitik wird von den Profit- und Machtinteressen der oben charakterisierten herrschenden Klasse bestimmt. Sie ist darauf gerichtet, einerseits günstige Bedingungen für die möglichst effektive und profitable Ausbeutung der russischen Arbeiterklasse zu schaffen, zugleich aber andererseits auch durch soziale Zugeständnisse wie durch eine Politik der harten Hand die Stabilität des Regimes zu sichern.
Dabei dient sicher auch die gelegentlich positive Bezugnahme auf das Erbe der Sowjetzeit der Bindung jener noch immer großen Teile des russischen Volkes an das Putin-Regime, die stolz auf die Supermacht Sowjetunion als Höhepunkt der russischen Geschichte sind. Dieser Stolz mag in einem gewissen Maße selbst für Teile der herrschenden Klasse selbst gelten, besonders für diejenigen, die wie Putin von den „Silowiki“, den Uniformträgern, kommen. Allerdings hat dies nichts mehr mit Sympathien für den Sozialismus zu tun. Er entspringt heute russisch-nationalistischen Positionen, dem Streben nach einem starken kapitalistischen Russland.
Zwei Ebenen der russischen Außenpolitik
In der Außenpolitik betrifft die erste Ebene das – wie es in Russland heißt – „nahe Ausland“. Damit gemeint sind die Beziehungen zu den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die baltischen Staaten ausgenommen. Hier verfolgt das Putin-Regime eine langfristig angelegte Politik der Reintegration unter russischer Führung. Ausgangspunkt dafür ist die Zollunion zwischen Russland, Belarus und Kasachstan, die über eine Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft bis hin zu einer Eurasischen Union weitergeführt werden soll. Auf dieser Ebene sind im Umgang Russlands mit seinen schwächeren Partnern auch Praktiken zu erkennen, die an imperialistische Methoden erinnern. Das betrifft unter anderem den wiederholten wirtschaftlichen Druck gegenüber Belarus, um dessen Führung dazu zu zwingen, belarussisches Staatseigentum an den russischen Gazprom-Konzern abzugeben und den Weg für das Eindringen russischer Oligarchen in die belarussische Wirtschaft zu öffnen.
Eine Reintegration ehemaliger Sowjetrepubliken wollen die USA, die NATO und die EU um jeden Preis verhindern. Russland soll auf seine eigenen Grenzen beschränkt und zugleich durch Assoziationsverträge zwischen der EU und Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie die Fortsetzung der NATO-Osterweiterung wirtschaftlich und militärisch eingekreist werden. Dies ist der tiefste Hintergrund für die gegenwärtige Ukraine-Krise.
Die zweite Ebene der russischen Außenpolitik betrifft die Weltpolitik. Im Unterschied zu den USA mit ihrem NATO-Gefolge sind auf diesem Feld zumindest heute und in der nächsten Zukunft keine russischen Ambitionen auf die Weltherrschaft zu erwarten. Dafür wären auch die Kräfteverhältnisse nicht gegeben. Hier strebt das Russland Putins danach, dem Weltherrschaftsanspruch des US-Imperialismus eine multipolare Weltordnung entgegenzusetzen. In diesem Ziel gibt es viel Übereinstimmung mit den Interessen Chinas und der anderen BRICS-Staaten sowie weiteren Ländern. Es liegt objektiv im Interesse von Frieden und gesellschaftlichem Fortschritt.
Die Berücksichtigung der Aussagen Lenins über die Existenz unterschiedlicher Varianten kapitalistischer und imperialistischer Politik sowie die konkrete Analyse der konkreten historischen Situation vor und während des zweiten Weltkriegs ließen die Sowjetunion über alle Widersprüche mit den imperialistischen Westmächten hinweg im imperialistischen Deutschland die Hauptgefahr für die UdSSR und die Menschheit erkennen. Das wurde zur Grundlage für das Ringen der Sowjetunion um kollektive Sicherheit und machte im Ergebnis trotz vieler Schwierigkeiten die Anti-Hitler-Koalition als bedeutenden Faktor für den Sieg über Nazi-Deutschland möglich.
Die konkrete Analyse der heutigen konkreten historischen Situation in der Welt muss uns meiner Überzeugung nach dazu veranlassen, auf dem Gebiet der internationalen Politik in klarer Erkenntnis, dass auch Russland ein kapitalistisches, von Oligarchen und der mit diesen verflochtener Staatsbürokratie beherrschtes Land ist, deutlich zwischen Russland und den imperialistischen Hauptmächten zu differenzieren und die Hauptgefahr für Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt in der Weltherrschaftspolitik des US-Imperialismus und seinem imperialistischen NATO- und EU-Gefolge zu erkennen.
(Quelle: unsere zeit vom 27.6.2014)
•NEUER BEITRAG21.07.2014, 17:16 Uhr
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retmarut | |
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Zuerst argumentiert er ökonomisch und kommt zu dem Zwischenfazit:
"Das Russland Putins ist ein kapitalistisches Land in dem die ökonomischen Grundlagen des Monopolkapitalismus / Imperialismus mit gewissen Besonderheiten durchaus gegeben sind."
Was natürlich äußerst vage formuliert ist ("durchaus gegeben sind", "mit gewissen Besonderheiten") und von "Russland ist imperialistisch" über "Russland kann sich zum Imperialismus aufschwingen" bis "Russland könnte vielleicht mal auf einen imperialistischen Weg geraten" ausgelegt werden kann.
Danach wendet er sich der Außenpolitik Russlands zu, lässt die ökonomischen Kategorien aber völlig sausen und spricht stattdessen vom russischen Streben nach "multipolarer Weltordnung". Ohne Frage steht die russische Außenpolitik dafür, die deutsche (imperialistische) aber genauso, denn auch die deutsche Bourgeoisie hat keinen Bock auf eine angemaßte Weltdominanz der USA. Wer die Karten also im innerimperialistischen Herrschaftspoker neu verteilt sehen will, wird immer für Multipolarität sein, weil solche Allianzen eine Perspektive für den eigenen Aufstieg zur Dominanz (und danach strebt der Imperialismus ab initio) geben.
Das Streben nach Multipolarität kann also kaum Maßstab für die Bewertung sein, ob ein Land imperialistisch ist oder nicht.
So gesehen finde ich am Text von Gerns noch am klarsten das, was er nicht explizit, sondern nur als Randnotiz ausspricht: Nämlich dass es keine ökonomische und Klassen-Kontinuität zwischen der SU und Russland gibt. (Bei Gerns heißt es: "Andererseits gibt es als Reaktion darauf hier und da auch eine undifferenzierte Unterstützung der russischen Politik ohne Berücksichtigung von Klassengrundlagen.") Eine an die Person Putin geknüpfte SU-Nostalgie (wie sie manche v.a. ältere Genossen derzeit an den Tag legen, so nach dem Motto "der weiß noch aus welchem Stall er eigentlich kommt", "im Geiste ist er - und sei es auch nur in der Außenpolitik - einer von uns geblieben") im Grunde eine Form von Selbstbetrug ist, mit der die eigene organisatorisch-politische Schwäche übertüncht wird.
•NEUER BEITRAG05.08.2014, 15:12 Uhr
EDIT: retmarut
05.08.2014, 15:17 Uhr
05.08.2014, 15:17 Uhr
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retmarut | |
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So erklärte Putin anlässlich einer Ehrung der gefallenen russischen Soldaten des 1. Weltkriegs (Hervorhebung von mir):
"Im geistigen und moralischen Aufstieg unseres Volkes spielen auch heute die großartigen Werte der russischen Armee, die heldenhafte Erfahrung der Generation des Ersten Weltkrieges eine bedeutende Rolle. Sie durchschritten nicht nur lange die harten Erfahrungen des ersten globalen Weltkrieges, sondern auch die revolutionäre Umwälzung, den brudermörderischen Bürgerkrieg, der das Schicksal Russlands zerriss.
Ihre Heldentaten, ihre Opfer im Namen Russlands schienen für lange Jahre in Vergessenheit geraten zu sein. Der Erste Weltkrieg selbst, den die gesamte Welt den Großen nennt, war aus der Geschichte unseres Landes gelöscht und einfach »imperialistisch« genannt worden.
Heute stellen wir die historische Wahrheit über den Ersten Weltkrieg wieder her, und uns eröffnen sich ungezählte Beispiele persönlichen Mutes und militärischer Kunst, des wahren Patriotismus russischer Soldaten und Offiziere und der gesamten russischen Gesellschaft. Enthüllt wird die Rolle Russlands selbst in dieser komplizierten, die Welt umwälzenden Zeit, besonders in der Vorkriegszeit. Das spiegelt deutlich einen bestimmten Charakterzug unseres Landes, unseres Volkes wider.
Im Verlauf vieler Jahrhunderte stand Russland für feste und vertrauensvolle Beziehungen zwischen den Staaten. So war es auch am Vorabend des Ersten Weltkrieges, als Russland alles tat, um Europa zu überzeugen, eine friedliche, unblutige Lösung des Konflikts zwischen Serbien und Österreich-Ungarn zu finden. Aber Russland wurde nicht gehört, und es hatte auf die Herausforderung zu antworten, indem es ein brüderliches slawisches Volk verteidigte und sich selbst, seine Bürger gegen die äußere Bedrohung schützte.
Russland erfüllte seine Bündnispflicht. Seine Offensiven gegen Ostpreußen und Galizien zerrissen die Pläne des Gegners, erlaubten es den Verbündeten, die Front zu halten und Paris zu verteidigen, zwangen den Feind, einen bedeutenden Teil seiner Streitkräfte nach Osten zu werfen, wo russische Truppen erbittert kämpften. Russland konnte diesem Druck standhalten und ging dann zum Angriff über. Die ganze Welt hörte von der legendären Brussilow-Offensive.
Aber dieser Sieg wurde unserem Land gestohlen. Gestohlen durch jene, die zur Niederlage des eigenen Vaterlandes und seiner Armee aufriefen, die innerhalb Russlands Zwietracht säten, an die Macht strebten und die nationalen Interessen verrieten."
Auf Red Globe wird diese Rede richtigerweise als "russische Dolchstoßlegende" betitelt.
Ich sehe darin meine These bestätigt, dass die russische Bourgeoisie (und für nichts anderes steht Putin) gerne deutlich stärkeren Bezug zur zaristischen Geschichte herstellen möchte, von ihr das aber nur in Teilen durchgesetzt werden kann, weil die Massen auch die Geschichte des sozialistischen Russlands bzw. der UdSSR geachtet und geehrt sehen wollen.
Bezeichnend an dieser Rede finde ich, dass die Kritik am Sozialismus (noch) in Nebensätzen fällt, statt (wie in Polen, Ungarn, Deutschland, den baltischen Staaten etc.) frontal mit dem antikommunistischen Vorschlaghammer durchgesetzt wird.
Putin ist also sicher kein standfester Antiimperialist (wie ihn manche Genossen darzustellen suchen), aber aufgrund der weltpolitischen Lage (den immer deutlicheren zwischenimperialistischen Auseinandersetzungen sowie der immer stärkeren Einkreisungspolitik gegen Russland und die VR China) wird er (bzw. die russische Bourgeoisie) zu antiimperialistischen Allianzen genötigt. Sollten sich perspektivisch andere Optionen bieten, wird die russische Bourgoisie sicher liebend gerne umsatteln und eine Allianz mit einem der Imperialisten eingehen. Russland ist also nur ein "antiimperialistischer Staat auf Zeit".
•NEUER BEITRAG05.08.2014, 23:14 Uhr
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secarts | |
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Ich denke, dieser Satz von Retmarut fasst die Dialektik der Verhältnisse gut zusammen.
Innenpolitisch fährt Putin ein Rollback, eine Glorifizierung des Zarismus, der Orthodoxie und der Familienwerte des Feudalismus; außenpolitisch agiert er objektiv antiimperialistisch. Die Klasse, die er repräsentiert, die erstarkte nationale Bourgeoisie, bewegt sich in diesem Spannungsfeld: In Verteidigungshaltung nach Außen (denn Rußland wird eingekreist und ist de facto in der Defensive, nicht der Aggressor. Darüber können Annektionen manchmal hinwegtäuschen), jedoch mitten bei der Formierung der Gesellschaft nach Innen: Das Ziel ist natürlich ein eigener Imperialismus, wie ihn sich alle Bourgeois der Welt wünschen. Die wenigstens schaffen es dahin, und Rußland ist m. E. sicher noch nicht so weit (Rohstoffabhängigkeit, unzureichende Monopolisierung, fehlende Qualität des Kapitalexports). Es soll dort auch nie hingelangen, wenn es nach Gusto der USA, der BRD und einiger anderer geht. Der Kuchen ist ja schließlich schon verteilt.
Unausgesprochen geht es bei der Diskussion um Rußland in unseren Reihen immer auch um folgendes: Der Frage nach dem Hauptwiderspruch der Epoche, dem vorrangigen Ansatzpunkt unserer konkreten Agitation und Propaganda.
- Ist's vielleicht der zwischen "Krieg" und "Frieden"? Das wurde in den 80ern schon mal vertreten, auch in der DKP, gleichwohl unter völlig andersgearteten internationalen Kräfteverhältnissen - in Anerkennung der Existenz der UdSSR konnte es vielleicht Sinn machen, mit Teilen der eigenen Bourgeoisie gegen den transatlantischen Flügel derselben zu agieren. Ist das immer noch so? Gibt es einen "friedlichen" Flügel des dt. Monopolkapitals, und lässt er sich anhand seines Verhaltens gegenüber Rußland erkennen? Soll man, wenn schon Weltkriegsgefahr drohen könnte, mit ihm paktieren? Oder steckt da Manichäismus dahinter, der Wunsch nach einem ungebrochenen in Blöcke aufgeteilten Weltsystem?
- Weiterhin wird auch der Standpunkt vertreten, es handele sich um einen Widerpruch Faschismus vs. Antifaschismus, und zwar im Weltmaßstab. Wäre dem so, wo sind dann unsere Interbrigaden - schon auf dem Weg in die Ukraine? Dort herrscht möglicherweise ein faschistisches Regime (wenn es das ist. Oder es ist noch komplizierter, und wir haben es schon eine Art Racket-Herrschaft zu tun), jedoch eingesetzt von aktuell nicht selbst faschistischen Imperialisten. Das gab es zwar schon früher (Chile, Griechenland, etc...), aber damals hat niemand daraus einen Epochenwiderspruch abgeleitet. Die Schlussfolgerung ist übrigens dieselbe wie bei Denkfigur eins: Rußland führe den "antifaschistischen" Block an, sei also Vertreter des Fortschritts reinsten Wassers.
Solche Fragen werden verstärkt diskutiert, in der Berliner DKP, aber auch weit über die Partei hinaus. Beide Sichtweisen sind m. E. grundsätzlich falsch. Der Hauptwiderspruch bleibt der alte, der zwischen Kapital und Arbeit. International kann er sich als solcher zwischen sozialistischen und imperialistischen Ländern ausdrücken, auch als einer zwischen abhängiger kapitalistischer Peripherie und den imperialistischen Metropolen. Für uns aber drückt er sich stets in der Hauptfeindfrage aus. In der BRD als unser Gegner deutscher Imperialismus, räuberisch nach Innen und Außen, ob mit Rußland gegen die USA oder mit Obama gegen Putin, ob mit Merkel oder Gauweiler oder sonst einem Sachwalter als Kanzler-Charaktermaske.
Unversöhnliche Feindschaft gegenüber der eigenen herrschenden Klasse, und zwar in all ihren Facetten und Fraktionen, muss immer wieder eingebimst werden. Ständig blinken rechts und links des Wegs bequeme "Abkürzungen" auf. Doch die Illusion, mit "geläuterten" Teilen der Bourgeoisie gemeinsame Sache machen zu können, ist stets eine gefährliche. Auch wenn derzeit aufgrund unserer Schwäche nicht viel kaputt gemacht werden kann: An dieser Positionierung (und vielen anderen natürlich) wird es liegen, ob es in Zukunft noch eine handlungsfähige kommunistische Partei geben kann.
•NEUER BEITRAG11.08.2014, 01:15 Uhr
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smersch | |
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als lenin-laie, habe ich imperialismus durchaus als den versuch verstanden, die geschicke anderer länder zu seinen gunsten zu verändern um sie bestenfalls zu unterjochen. erlaubt ist, was mir nützt. dabei sind manche staaten eindeutig erfolgreicher als andere und solidarität blanker hohn.
daher finde ich die einschätzung russlands als nicht-imperialistische macht (wie im falle der ukraine, auch wenn dort meine priortät eindeutig bei der eliminierung der faschistischen kräfte liegen) nicht besonders überzeugend.
noch viel weniger überzeugend finde ich sie von diesem standpunkt aus für den iran und katar. diese beiden staaten mischen massiv in den geschehnissen andere länder mit und unterstützen dabei bevorzugt die barbarei. die katarische elite kauft sich zudem im großen stil in der welt ein.
oder geht es hier lediglich um die frage nach leninischer übereinstimmung?
•NEUER BEITRAG14.08.2014, 11:54 Uhr
Nutzer / in | |
secarts | |
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Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt:
"habe ich imperialismus durchaus als den versuch verstanden, die geschicke anderer länder zu seinen gunsten zu verändern um sie bestenfalls zu unterjochen. erlaubt ist, was mir nützt. dabei sind manche staaten eindeutig erfolgreicher als andere"
Mich interessiert die Frage, warum manche kapitalistische Staaten dabei erfolgreich sind, andere nicht. Lenin (auf den ich mich dabei berufe) gibt Kriterien an die Hand, das - jenseits von moralischer Entrüstung - zu verstehen, indem er den Kapitalexport als entscheidende Qualität benennt. Und eben nicht "die Gewalt" oder "die Aggressivität" der Außenpolitik, die durchaus auch von nichtimperialistischen, kapitalistischen Staaten so betrieben werden kann.
Trotzdem dürfte es, wenn der entscheidende Grad an Monopolisierung fehlt, nicht zu einer dauerhaften Unterjochung anderer Länder reichen. Das vermute ich auch bei Russland. Rohstofferpressung oder auch eigene Abhängigkeit vom Export landestypischer Rohstoffe ist etwas anderes als Kontrolle sämtlicher Finanzströme.
Für den Iran, aber gerade auch Katar trifft das m. E. noch stärker zu. Noch eine weitere Qualität muss meiner Meinung dazugezählt werden, sozusagen als Ableitung aus Lenins Kriterien (die er im Buch "Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" benennt): Verteidigungsfähigkeit gegenüber einzelnen imperialistischen Konkurrenten. Ist das nicht gegeben, bleibt die Expansivität eine auf Zeit - bis echte Imperialisten zuschlagen.
•NEUER BEITRAG14.08.2014, 21:42 Uhr
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MARFA | |
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Aber andererseits stelle ich mir die Frage, ob sich der Kreis der Imperialisten nicht allgemein sehr verringert haben könnte in den letzten Jahrzehnten. Es wurden ja auch zeitweise mal Länder wie Spanien, Portugal, die West-EU, dazugezählt. Das ist wohl nicht mehr sooo aktuell. Gibt es dafür nun ein paar Megaimperialisten (USA, GB, DE, Japan...) und darunter noch kleinere?
•NEUER BEITRAG15.08.2014, 00:41 Uhr
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secarts | |
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Trotzdem bringt es uns analytisch m. E. nicht weiter, mal dieses, mal jenes Land (aus oft eher agitatorischen Gründen) zu "den Imperialisten" zu schlagen. Die West-EU-Staaten sind ein gutes Beispiel: Spanien unterdrückt die Basken, also = imperialistisch, hieß es beharrlich. Was sagen wir zu einem EU-Krisenregime und Bonitätsverlust bis in die Ewigkeit? Passiert das einem imperialistischen Land?
Ich halte es für plausibel, dass es zwischen den total abhängigen Ländern (die ebenfalls eine riesige Spannbreite von de-facto-Kolonien bis zu formal unabhängigen, verschuldeten "failed states" darstellen) und der "Handvoll imperialistischer Großmächte" (Lenin) noch eine breite "Mittelschicht" gibt: Starke kapitalistische Nationen, die selbst auf Raubzug gehen und zwei, drei eigene, international agierende Monopole beheimaten. Dies aber im Hinterhof oder im Windschatten - und mit "Duldung" oder dank momentanen Desinteresses - der wirklichen Imperialisten. Bei denen sitzen jeweils gleich dutzende und hunderte Monopole, die in fast sämtlichen Bereichen mit allen anderen konkurrieren können. Das ist eine andere Qualität.
Ich vermute auch, dass der Kreis der Imperialisten seit Lenins Zeiten geschrumpft sein könnte. Die USA, Deutschland, Japan, das UK zählen sicherlich dazu, Frankreich kämpft, Italien ist vielleicht schon ausgeschieden. Und Russland... will wohl gerne wieder: Putins jüngste Rede war ein guter Hinweis. Wenn die Bolschewiken "uns" um "unseren" Sieg (im ersten Weltkrieg, durch Revolution und Separatfrieden 1917) geprellt haben, ist der historische Andockpunkt klar: Es sind die letzten russischen Herrscher, die am imperialistischen Raubkrieg beteiligt waren. Der Zar und die Kerenski-Brüder. Dort soll weitergemacht werden, nach 70 Jahren roter Betriebsunterbrechung.
Trotz solcher ärgerlicher Töne: Auch im Falle Rußlands hilft uns ein Schnellschuss gar nicht, weder als Damnatio noch als hoffnungsvolle Projektion auf Putin. In vielen linken Zusammenhängen wird offenkundig nicht mehr sachlich zur Rußlandfrage diskutiert, da prallen schon "Einstellungen" aufeinander - stets höchst bedenklich. Zumal dabei immer auf der Strecke bleibt, dass wir doch sowieso keinen anderen Ausweg haben als den Angriff auf die eigenen Herrschenden, völlig egal, was wir uns über die weite Welt denken. Es sind die westlichen Imperialisten, die sich derzeit nach Kräften mühen, Russland zu "entlarven"; Beteiligung durch linke Organisationen an diesem Spielchen ist nichts anderes als Unterstützung einer imperialistischen Intrige.
•NEUER BEITRAG15.08.2014, 23:04 Uhr
Nutzer / in | |
mischa | |
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Zugleich meine ich, daß der Kapitalexport nicht die entscheidende Meßlatte für die Durchsetzungsfähigkeit eines imperialistischen Landes ist, sondern in letzter Instanz die militärische Macht, über die es gebietet. Ein Blick in die Statistik: Nach Berechnungen des Ifo-Instituts war Deutschland 2013 der größten Kapitalexporteur der Welt. „Leistungsbilanzüberschüsse messen jenen Teil der Ersparnis eines Landes, der nicht zu Hause investiert wird“, erklärte das Institut. „Anstatt im Inland viel zu investieren, exportierte Deutschland wiederum einen Großteil seiner Ersparnis ins Ausland.“ Das Geld gehe einerseits in Sach- und Finanzanlagen. Andererseits fließe es - direkt oder indirekt - auch in Form von Rettungskrediten oder öffentlichen Hilfen in Euro-Krisenländer. Das sieht der DIHK genauso. „Wir sind der größte Gläubiger der Welt“, sagte der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. „Mit unseren Überschüssen waren wir überhaupt erst in der Lage, als Garantiegeber für die Euro-Krisenländer aufzutreten.“
Die Schweiz gehört wie Saudi-Arabien unter die zehn größten Kapitalexporteure der Welt - sie sind aber wohl kaum unter die imperialistischen Hauptländer zu rechnen.
Lenin schreibt: " Denn unter dem Kapitalismus ist für die Aufteilung der Interessen- und Einflußsphären, der Kolonien usw. eine andere Grundlage als die Stärke der daran Beteiligten, ihre allgemeinwirtschaftliche, finanzielle, militärische und sonstige Stärke, nicht denkbar. Die Stärke der Beteiligten aber ändert sich ungleichmäßig, denn eine gleichmäßige Entwicklung der einzelnen Unternehmungen. Trusts, Industriezweige und Länder kann es unter dem Kapitalismus nicht geben. Vor einem halben Jahrhundert war Deutschland, wenn man seine kapitalistische Macht mit der des damaligen Englands vergleicht, eine klägliche Null; ebenso Japan im Vergleich zu Rußland. Ist die Annahme „denkbar“, daß das Kräfteverhältnis zwischen den imperialistischen Mächten nach zehn, zwanzig Jahren unverändert geblieben sein wird? Das ist absolut undenkbar."
Was wissen wir über die "russische Stärke" heute?
•NEUER BEITRAG17.08.2014, 16:33 Uhr
Nutzer / in | |
Hennes | |
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Kapitalexport alleine sagt sicher nicht viel aus.
Entsprechende militärische Macht ist aber i. d. R. schon eine "Ableitung" aus ökonomischer Stärke und ner gewissen Mindestgröße des Landes wie der Bevölkerung (vulgo Binnenmarkt, aber auch Kanonenfutter).
Das alles hat Rußland im Gegensatz zu CH und den Saudis. Die militärische Stärke dürfte v. a. aus Sowjetzeiten kommen, ist also eine der "Besonderheiten" des heutigen Rußland ggb. dem imperialistischen Westen.
Bleibt dann als letztlich entscheidendes Kriterium wieder der Kapitalexport. Wichtig scheint mir die Unterscheidung zwischen Monopolen, die lediglich durch Rußlands Rohstoffvorkommen Monopolstellung haben (Rosneft, Gasprom), und tatsächlich durchmonopolisierter Finanzoligarchie. Die einzige russische Bank auf der "Forbes"-Liste liegt irgendwo auf Platz 90, sonst sind da wirklich nur die Rohstoff"monopole". Wer sich mal den Spaß macht und die westlichen Länder durchgeht wird da jeweils Dutzende Monopole aus allen ökonomischen Bereichen finden.
•NEUER BEITRAG18.08.2014, 18:51 Uhr
Nutzer / in | |
joe123 | |
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Na, ob da nicht wieder mal Lieblings-Imperialismus-Kandidat Israel einen fiesen Strich durch die Rechnung macht? Kaum Leute, kaum Binnenmarkt, aber waffenstarrend wie nur - ein Imp! Andrerseits sage Brasilien massig nach Markt und Volk, ohne Imp zu sein. Daher:
1. Man wird kein isoliertes Merkmal für Imperialismus auf eine mechanistische Leierkasten-Skala ziehen können – kommt immer noch einer vom Mond gestiegen, der 4 von 5 Merkmalen aufweist. Runde 5 Merkmale allein backen den Imp.
2. Zu unterscheiden indes zwischen "Land, in dem Imperialisten direkt schalten und walten"/"unmittelbaren Filialen" (Schweiz) und "imperialistischer Großmacht". Auch: "Epoche des Imperialismus" = weltumspannend, in ihr aber jene besonderen Imp-"Akteure" – die guten alten Großmächte.
3. Streng genommen ist Russland der einzige Fall einer imp.Großmacht, von der seit rotem Oktober fraglich, ob noch Imp. China war vor 1949 nicht Imp, und DDR nur Teil des dt.Imp.
4. Nenne einer historisch EINEN Imp, der nach 1900 aufkam. THEORETISCH mags möglich sein, aber diese Theorie scheint zunehmend dünnluftige "Lebensmittelllabor"-Theorie, 1000%-Theorie. PRAKTISCH wards nicht gesehen – wenn denn nicht die Streitfälle Russland und China wären!
5. Dass Russland vor 1917 Imp war, wird allerorten nicht genügend ernstgenommen, mit inflationär-vulgärem Verweis vor allem auf Bauernstruktur und "Unentwickeltheit" ("Marx' Prognose übern Ort der Revo trat nicht ein, daher musste Osten scheitern" etcetc). Als wäre Russland Usbekistan gewesen! Als wären die USA oder Schland frei von kleinbäuerlichen Massen gewesen! Der Quantizismus-Soziologismus, unter 5 % Arbeitern solle man keine Revo anfangen, sehr beruhigend für jene, die Beruhigung bedürfen.
6. Zuletzt die altbekannten britischen und deutschen Einkäufe ins russische Gas indizieren eher einen absteigenden Ast der Prätenz und des innigen WUNSCHES der russischen Bourgeois, WIEDER Imperialist zu WERDEN (m.E. mit aber der Option, an der Seite Chinas eine andere,neue Hilfsfunktion ausüben zu können). Es ist Pokern drauf, mit nicht wenigen Insignien und Traditionen aus "besseren Tagen" bewappnet – von Zarenpflege und orthodoxem Weihrauch bis UN-Sicherheitsrat-Playertum und gelegentlich sogar roter Selbstversicherung (8.Mai-Paraden etc.).
7. Es wäre ein welthistorisch neuer Fall, dass ein Ex-Imp sich nach gehabter Revo re-impt – wie alle Bocksprünge des neuen Russland durch die roten Schatten der Vergangenheit absonderlich neu eingetrübt. In den diesbezüglichen Diskussionen scheint mir indes mitzuschwingen, als hinge momentan wunder was an der Entscheidung dieser Frage.
8. Wenn Russland ein Imp, sollen dann die Donezker Antifas ihre genauso ungerechte Klappe wie "die Wessis" ihre halten? Und wir plädieren noch für Nichteinmischung Russlands in Ukraine?
9. Und wenn Russland KEIN Imp, haben die russischen Arbeiter dann eine neue Aufgabe wie z.B. Sturz des dt. Imperialismus? Und wir neuerdings die Aufgabe, alles auf "Hände weg von Russland" zu konzentrieren? Und uns zu sorgen, ob dem dt.Imp das Bündnis mit West oder Ost oder der Alleingang besser gelingt?
10. Oder haben nicht vielmehr die Arbeiter in den Imps UND in den Nicht-Imps die historische Mission, "zunächst" ihren jeweiligen eigenen Hauptfeind zu plätten? Und ihre Außenpolitik in dieser ungerecht-kriegerischen Welt entsprechend nüchtern zu gestalten?
11. Sehr schön, dass Hermann Jacobs entdeckt ward
• Hier gibt's was extra: mehr Debatten aus den www.secarts.org-Foren
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