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•NEUES THEMA17.09.2006, 14:16 Uhr
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• Vollbeschäftigung: von Reservearmeen und stehenden Heeren
Nicht jeder Autor kann professionell mit Metaphern umgehen. Das ist auch garnicht so schlimm; selbst Leute, die vom "Schweben, wie es Backsteine genau nicht tun" (D. Adams) schreiben, haben ein nettes Sümmchen damit verdient. Allerdings sollte so eine Metapher schon irgendwie zum Inhalt passen, was nicht immer gelingt. FAZ.net beispielsweise beschreibt den unflexiblen Arbeitsmarktteilnehmer als - Wasser! Und der Stellenmarkt ist - ein von Deichen umgebener Landstrich. Nahe liegt es dann schon, daraus diesen Schluss zu ziehen: "Arbeitslosigkeit und Deichbrüche haben vieles gemein. Richtig konstruiert und sorgfältig gepflegt, mindern Deiche die Gefahr von Überschwemmungen. Selbst mit normalem Hochwasser werden sie problemlos fertig. Bei sintflutartigen Regenfällen oder Sturmfluten können aber auch solche Deiche brechen. Lässt man sie allerdings verlottern, kann schon ein normales Hochwasser gravierende Probleme verursachen." Willkommen in Holland, oder "Warum ist Vollbeschäftigung möglich? Link ...jetzt anmelden!' target='blank"
Teil VI
Wem nach diesem Absatz nicht einleuchtet, warum man den Stellenmarkt von Arbeitskräften abschotten muss, aber dennoch neugierig ist, wie FAZ.net unter dieser Voraussetzung die Vollbeschäftigung erreichen will, der wird wohl noch eine Weile von Zweifeln geplagt werden.
Die Hauptschwierigkeiten der heutigen Wirtschaft, so stellt die FAZ fest, liegen bei der Globalisierung, die mit ihren "weltweit offeneren Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkten Arbeitnehmer und Unternehmen" herausfordert, und bei der fiesen Konkurrenz, der nichts besseres einfällt, als "in immer kürzeren Abständen neue Produkte auf den Markt" zu bringen. Ganz klar, da werden "Unternehmen gezwungen, auch stärker zu rationalisieren", was ihnen ja sonst nicht im Traum einfallen würde.
Früher war natürlich alles besser, erinnert sich Opa FAZ, und denkt zurück an die schöne alte Zeit der "wirtschaftlich relativ einheitlichen Welt des Industriezeitalters", von der heute nicht mehr viel übrig ist. Das "relativ" kann man bestimmt auch als Negation verstehen, gab es im Industriezeitalter doch noch viele feudal organisierte Staaten, noch fast gänzlich unerforschte Landstriche auf der Welt, und in Amerika zeitweise sogar die Sklaverei, während ja heutzutage eigentlich überall Kapitalismus herrscht. Also Flut aus allen Himmelsrichtungen, "die Deiche müssen verstärkt werden."
Was sagt uns eigentlich: "Arbeitnehmer müssen für sicherere Arbeitsplätze mit stärker schwankenden Einkommen zahlen."
Zahlen nicht in der Regel die "Arbeitgeber" (um mal einen sachlich absurden Modebegriff zu verwenden) die Einkommen an die "Arbeitnehmer"? Ist das so ein Freudscher Verschreiber, und die FAZ wünscht sich nichts sehnlicher, als eine Welt, in der Arbeiter dem Kapitalisten noch Geld dafür geben, dass sie bei ihm arbeiten dürfen? Man darf es wohl annehmen...
Zurück zur Erde, auf der klar ist, dass es den Unternehmen zunehmend schlechter geht. Das wirkt sich auch auf die Arbeitskräfte aus, diese müssen "bereit sein, aus den alten Industrien in jene Unternehmen oder Regionen zu wandern, denen die Zukunft gehört", wobei uns nicht ganz klar werden kann, wo solch gigantisch umfangreiche Branchen herkommen sollen, die tatsächlich sämtliche latente Arbeitskraft absorbieren und bei angemessener Entlohnung gleichzeitig noch profitabel wirtschaften können. Oder versteckt sich z.B. in Deutschland irgendwo der noch unentdeckte Fünf-Millionen-Mann-Betrieb?
Nachteilig ist die Situation auf alle Fälle für schlecht ausgebildete Arbeiter, denn es "werden von geringqualifizierten Arbeitnehmern besondere Anstrengungen verlangt. Ohne höhere Qualifikationen sind sie eindeutig die Verlierer globalisierter Märkte."Geringqualifizierte Arbeitnehmer ohne höhere Qualifikationen; diese doppelt armen Kerle! Die haben wirklich großes Pech, denn "in Deutschland dominiert ein Kartell der Tarifpartner. Flächentarife, die für alle Unternehmen und viele Regionen gelten, scheren alles über einen Kamm. Weil hierzulande Abweichungen vom Flächentarif kaum möglich sind, finden viele Menschen keine Arbeit." Es ist wirklich zum Verzweifeln: "Die beschäftigungsschädlichen Folgen einer wettbewerbsfeindlichen Tarifautonomie werden verstärkt, weil der Staat die Tarifpartner aus der Verantwortung für die Beschäftigung entlässt. Er kauft vor allem über den Sozialstaat überschüssige Arbeit aus dem Markt. Die Menschen leben dann von staatlicher Unterstützung. Den Preis für die falsche Tarifpolitik zahlen Dritte: die Steuer- und Beitragszahler", die heldenhaft aus dem Nichts auftauchen, über unsere Dämme steigen, und mit ihrem aus unbekannter Quelle sprudelnden Geld für den Sozialstaat bürgen! Welch glückliche Fügung!
Für FAZ.net ist die Sache klar: "Mit der Sozialhilfe legt der Staat faktisch einen Mindestlohn fest." Der muss natürlich gesenkt werden, um "Anreize" (wie z.B. Existenzgefährdung) zu schaffen, damit irgendwelche unflexiblen, wässrigen, arbeitslosen Sozialschmarotzer sich 'nen Job suchen gehen, sei er auch noch so unrealistisch weit entfernt oder mies bezahlt. Wo diese ganzen Arbeitsplätze herkommen sollen, bleibt allerdings weiter unklar. Trotzdem ist das einzige Hindernis, das der Vollbeschäftigung in Deutschland entgegensteht, "der korporatistische Bazillus, der sich wie Mehltau auf die Märkte gelegt hat". Der "muss eliminiert" werden, es muss viel mehr, ja bestenfalls unbegrenzt Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt herrschen, "Konkurrenz belebt das Geschäft!", und dann klappt das schon mit der Vollbeschäftigung. Und wenn's doch nicht hilft, kann der Staat oder die FAZ die ganzen Arbeitslosen ja noch zum Bau von Dämmen verdonnern!
FAZ.net hat also, um die tatsächlich etwas Sinnvolles aussagenden Teile der Argumentation zusammenzufassen, erkannt, dass es nur deshalb keine Vollbeschäftigung gibt, weil sich ein "Kartell der Tarifpartner", sprich Gewerkschaften, gebildet hat, die für höhere Löhne kämpfen. Also ohne Gewerkschaften im Kapitalismus Vollbeschäftigung? Schauen wir uns das mal genauer an; mit einem Zeitzeugenbericht aus dem British Empire inmitten des 19. Jahrhunderts, einer Zeit, in der (so gut wie) keine Gewerkschaft für die Löhne kämpfte, lassen wir Friedrich Engels aus seiner "Lage der arbeitenden Klasse in England" sprechen.
Wie waren denn so die Löhne? Welchen Lebensstandard konnten die unorganisierten Arbeiter vorweisen? Ein paar Beispiele:
- "Im Februar 1844 wurde eine Witwe von sechzig Jahren, Theresa Bishop, mit ihrer 26jährigen kranken Tochter der Wohltätigkeit des Polizeirichters von Marlborough Street empfohlen. Sie wohnte in Nr. 5, Brown Street, Grosvenor Square, in einem kleinen Hinterzimmer, nicht größer als ein Schrank, worin nicht ein einziges Stück Möbel war. In einer Ecke lagen einige Lumpen, auf denen die beiden schliefen; eine Kiste diente als Tisch und Stuhl zugleich. Die Mutter verdiente etwas durch Stubenreinigen; sie hatten, wie der Wirt sagte, seit Mai 1843 in diesem Zustande gelebt, allmählich alles verkauft oder versetzt, was sie noch hatten, und dennoch nie die Miete bezahlt. Der Polizeirichter ließ ihnen ein Pfund aus der Armenbüchse zukommen."
- "In London stehen jeden Morgen fünfzigtausend Menschen auf, ohne zu wissen, wo sie für die nächste Nacht ihr Haupt hinlegen sollen."
- "Die Wynds von Glasgow enthalten eine fluktuierende Bevölkerung von fünfzehn- bis dreißigtausend Menschen. Dies Viertel besteht aus lauter engen Gassen und viereckigen Höfen, in deren Mitte jedesmal ein Misthaufen liegt. So empörend das äußere Ansehen dieser Orte war, so war ich doch noch wenig vorbereitet auf den Schmutz und das Elend drinnen. In einigen dieser Schlafstuben, die wir (der Polizeisuperintendent Hauptmann Miller und Symons) bei Nacht besuchten, fanden wir eine vollständige Schicht menschlicher Wesen auf dem Fußboden ausgestreckt, oft fünfzehn bis zwanzig, einige bekleidet, andre nackt, Männer und Weiber durcheinander. Ihr Bett war eine Lage modriges Stroh mit einigen Lumpen vermengt. Wenig oder keine Möbel waren da, und das einzige, was diesen Löchern etwas wohnlichen Anschein gab, war ein Feuer im Kamin. Diebstahl und Prostitution machen die Haupterwerbsquellen dieser Bevölkerung aus."
- "Die ärmsten Arbeiter müssen noch einen andern Kunstgriff gebrauchen, um mit ihrem wenigen Gelde selbst bei der schlechtesten Qualität der einzukaufenden Artikel auszukommen. Da nämlich um zwölf Uhr am Sonnabendabend alle Läden geschlossen werden müssen und am Sonntag nichts verkauft werden darf, so werden zwischen zehn und zwölf Uhr diejenigen Waren, die bis zum Montagmorgen verderben würden, zu Spottpreisen losgeschlagen. Was aber um zehn Uhr noch liegengeblieben ist, davon sind neun Zehntel am Sonntagmorgen nicht mehr genießbar und gerade diese Waren bilden den Sonntagstisch der ärmsten Klasse. Das Fleisch, das die Arbeiter bekommen, ist sehr häufig ungenießbar - weil sie's aber einmal gekauft haben, so müssen sie es essen."
Es ist also vielleicht doch nicht so fein, als Lohn nur das Ãœberlebensminimum zu bekommen. Aber haben denn wenigstens alle Arbeiter eine sichere Arbeit?
- "Die durch die Konkurrenz der Arbeiter unter sich auf ihr Maximum gesteigerten Leistungen jedes einzelnen, die Teilung der Arbeit, die Einführung von Maschinerie, die Benutzung der Elementarkräfte werfen eine Menge Arbeiter außer Brot. Diese brotlosen Arbeiter kommen aber aus dem Markte; sie können nichts mehr kaufen, also die früher von ihnen verlangte Quantität Handelswaren wird jetzt nicht mehr verlangt, braucht also nicht mehr angefertigt zu werden, die früher mit deren Verfertigung beschäftigten Arbeiter werden also wieder brotlos, treten vom Markte ebenfalls ab, und so geht es immer weiter, immer denselben Kreislauf durch..."
Da sehen wir es! Die Gewerkschaften, die "Tarifkartelle", der Kampf um höhere Löhne trägt nicht die Hauptschuld an, und ist vor allem nicht Ursache der Arbeitslosigkeit, sondern die Probleme entspringen "aus dem Wesen der Industrie und Konkurrenz und den darin begründeten Handelskrisen. Bei der heutigen regellosen Produktion und Verteilung der Lebensmittel, die nicht um der unmittelbaren Befriedigung der Bedürfnisse, sondern um des Geldgewinns willen unternommen wird, bei dem System, wonach jeder auf eigne Faust arbeitet und sich bereichert, muß alle Augenblicke eine Stockung entstehen. England z.B. versorgt eine Menge Länder mit den verschiedensten Waren. Wenn nun auch der Fabrikant weiß, wieviel von jedem Artikel in jedem einzelnen Lande jährlich gebraucht wird, so weiß er doch nicht, wieviel zu jeder Zeit die Vorräte dort betragen, und noch viel weniger, wieviel seine Konkurrenten dorthin schicken. Er kann nur aus den ewig schwankenden Preisen einen unsichern Schluß auf den Stand der Vorräte und der Bedürfnisse machen, er muß aufs Geratewohl seine Waren hinausschicken; alles geschieht blindlings ins Blaue hinein, mehr oder weniger nur unter der Ägide des Zufalls. Auf die geringsten günstigen Berichte hin schickt jeder, was er kann - und nicht lange, so ist ein solcher Markt überfüllt mit Waren, der Verkauf stockt, die Rückflüsse bleiben aus, die Preise fallen, und die englische Industrie hat keine Beschäftigung für ihre Arbeiter mehr."
Dazu kommt noch der allgemeine Zwang zur Rationalisierung, der dem Kapitalisten vorscheibt, ständig die neusten Maschinen einsetzen zu müssen, egal wie viele Arbeiter dadurch auch wieder überschüssig und entlassen werden.
Der Fehler liegt also im System selbst; die Behebung kann nur in der Abschaffung, in der Überwindung des Systems liegen, und bis die FAZ das erkannt haben wird, wird sie noch viele große Dämme hochgezogen haben und dann im nächsten großen Dauerregen ertrinken.
der nächste Artikel der elfteiligen Serie "Verklär' mir die Welt - von Dummies für Dummies: die FAZ erklärt die Wirtschaft" erscheint am Donnerstag, den 21.09.2006, auf Link ...jetzt anmelden!
Teil VI
Wem nach diesem Absatz nicht einleuchtet, warum man den Stellenmarkt von Arbeitskräften abschotten muss, aber dennoch neugierig ist, wie FAZ.net unter dieser Voraussetzung die Vollbeschäftigung erreichen will, der wird wohl noch eine Weile von Zweifeln geplagt werden.
Die Hauptschwierigkeiten der heutigen Wirtschaft, so stellt die FAZ fest, liegen bei der Globalisierung, die mit ihren "weltweit offeneren Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkten Arbeitnehmer und Unternehmen" herausfordert, und bei der fiesen Konkurrenz, der nichts besseres einfällt, als "in immer kürzeren Abständen neue Produkte auf den Markt" zu bringen. Ganz klar, da werden "Unternehmen gezwungen, auch stärker zu rationalisieren", was ihnen ja sonst nicht im Traum einfallen würde.
Früher war natürlich alles besser, erinnert sich Opa FAZ, und denkt zurück an die schöne alte Zeit der "wirtschaftlich relativ einheitlichen Welt des Industriezeitalters", von der heute nicht mehr viel übrig ist. Das "relativ" kann man bestimmt auch als Negation verstehen, gab es im Industriezeitalter doch noch viele feudal organisierte Staaten, noch fast gänzlich unerforschte Landstriche auf der Welt, und in Amerika zeitweise sogar die Sklaverei, während ja heutzutage eigentlich überall Kapitalismus herrscht. Also Flut aus allen Himmelsrichtungen, "die Deiche müssen verstärkt werden."
Was sagt uns eigentlich: "Arbeitnehmer müssen für sicherere Arbeitsplätze mit stärker schwankenden Einkommen zahlen."
Zahlen nicht in der Regel die "Arbeitgeber" (um mal einen sachlich absurden Modebegriff zu verwenden) die Einkommen an die "Arbeitnehmer"? Ist das so ein Freudscher Verschreiber, und die FAZ wünscht sich nichts sehnlicher, als eine Welt, in der Arbeiter dem Kapitalisten noch Geld dafür geben, dass sie bei ihm arbeiten dürfen? Man darf es wohl annehmen...
Zurück zur Erde, auf der klar ist, dass es den Unternehmen zunehmend schlechter geht. Das wirkt sich auch auf die Arbeitskräfte aus, diese müssen "bereit sein, aus den alten Industrien in jene Unternehmen oder Regionen zu wandern, denen die Zukunft gehört", wobei uns nicht ganz klar werden kann, wo solch gigantisch umfangreiche Branchen herkommen sollen, die tatsächlich sämtliche latente Arbeitskraft absorbieren und bei angemessener Entlohnung gleichzeitig noch profitabel wirtschaften können. Oder versteckt sich z.B. in Deutschland irgendwo der noch unentdeckte Fünf-Millionen-Mann-Betrieb?
Nachteilig ist die Situation auf alle Fälle für schlecht ausgebildete Arbeiter, denn es "werden von geringqualifizierten Arbeitnehmern besondere Anstrengungen verlangt. Ohne höhere Qualifikationen sind sie eindeutig die Verlierer globalisierter Märkte."Geringqualifizierte Arbeitnehmer ohne höhere Qualifikationen; diese doppelt armen Kerle! Die haben wirklich großes Pech, denn "in Deutschland dominiert ein Kartell der Tarifpartner. Flächentarife, die für alle Unternehmen und viele Regionen gelten, scheren alles über einen Kamm. Weil hierzulande Abweichungen vom Flächentarif kaum möglich sind, finden viele Menschen keine Arbeit." Es ist wirklich zum Verzweifeln: "Die beschäftigungsschädlichen Folgen einer wettbewerbsfeindlichen Tarifautonomie werden verstärkt, weil der Staat die Tarifpartner aus der Verantwortung für die Beschäftigung entlässt. Er kauft vor allem über den Sozialstaat überschüssige Arbeit aus dem Markt. Die Menschen leben dann von staatlicher Unterstützung. Den Preis für die falsche Tarifpolitik zahlen Dritte: die Steuer- und Beitragszahler", die heldenhaft aus dem Nichts auftauchen, über unsere Dämme steigen, und mit ihrem aus unbekannter Quelle sprudelnden Geld für den Sozialstaat bürgen! Welch glückliche Fügung!
Für FAZ.net ist die Sache klar: "Mit der Sozialhilfe legt der Staat faktisch einen Mindestlohn fest." Der muss natürlich gesenkt werden, um "Anreize" (wie z.B. Existenzgefährdung) zu schaffen, damit irgendwelche unflexiblen, wässrigen, arbeitslosen Sozialschmarotzer sich 'nen Job suchen gehen, sei er auch noch so unrealistisch weit entfernt oder mies bezahlt. Wo diese ganzen Arbeitsplätze herkommen sollen, bleibt allerdings weiter unklar. Trotzdem ist das einzige Hindernis, das der Vollbeschäftigung in Deutschland entgegensteht, "der korporatistische Bazillus, der sich wie Mehltau auf die Märkte gelegt hat". Der "muss eliminiert" werden, es muss viel mehr, ja bestenfalls unbegrenzt Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt herrschen, "Konkurrenz belebt das Geschäft!", und dann klappt das schon mit der Vollbeschäftigung. Und wenn's doch nicht hilft, kann der Staat oder die FAZ die ganzen Arbeitslosen ja noch zum Bau von Dämmen verdonnern!
FAZ.net hat also, um die tatsächlich etwas Sinnvolles aussagenden Teile der Argumentation zusammenzufassen, erkannt, dass es nur deshalb keine Vollbeschäftigung gibt, weil sich ein "Kartell der Tarifpartner", sprich Gewerkschaften, gebildet hat, die für höhere Löhne kämpfen. Also ohne Gewerkschaften im Kapitalismus Vollbeschäftigung? Schauen wir uns das mal genauer an; mit einem Zeitzeugenbericht aus dem British Empire inmitten des 19. Jahrhunderts, einer Zeit, in der (so gut wie) keine Gewerkschaft für die Löhne kämpfte, lassen wir Friedrich Engels aus seiner "Lage der arbeitenden Klasse in England" sprechen.
Wie waren denn so die Löhne? Welchen Lebensstandard konnten die unorganisierten Arbeiter vorweisen? Ein paar Beispiele:
- "Im Februar 1844 wurde eine Witwe von sechzig Jahren, Theresa Bishop, mit ihrer 26jährigen kranken Tochter der Wohltätigkeit des Polizeirichters von Marlborough Street empfohlen. Sie wohnte in Nr. 5, Brown Street, Grosvenor Square, in einem kleinen Hinterzimmer, nicht größer als ein Schrank, worin nicht ein einziges Stück Möbel war. In einer Ecke lagen einige Lumpen, auf denen die beiden schliefen; eine Kiste diente als Tisch und Stuhl zugleich. Die Mutter verdiente etwas durch Stubenreinigen; sie hatten, wie der Wirt sagte, seit Mai 1843 in diesem Zustande gelebt, allmählich alles verkauft oder versetzt, was sie noch hatten, und dennoch nie die Miete bezahlt. Der Polizeirichter ließ ihnen ein Pfund aus der Armenbüchse zukommen."
- "In London stehen jeden Morgen fünfzigtausend Menschen auf, ohne zu wissen, wo sie für die nächste Nacht ihr Haupt hinlegen sollen."
- "Die Wynds von Glasgow enthalten eine fluktuierende Bevölkerung von fünfzehn- bis dreißigtausend Menschen. Dies Viertel besteht aus lauter engen Gassen und viereckigen Höfen, in deren Mitte jedesmal ein Misthaufen liegt. So empörend das äußere Ansehen dieser Orte war, so war ich doch noch wenig vorbereitet auf den Schmutz und das Elend drinnen. In einigen dieser Schlafstuben, die wir (der Polizeisuperintendent Hauptmann Miller und Symons) bei Nacht besuchten, fanden wir eine vollständige Schicht menschlicher Wesen auf dem Fußboden ausgestreckt, oft fünfzehn bis zwanzig, einige bekleidet, andre nackt, Männer und Weiber durcheinander. Ihr Bett war eine Lage modriges Stroh mit einigen Lumpen vermengt. Wenig oder keine Möbel waren da, und das einzige, was diesen Löchern etwas wohnlichen Anschein gab, war ein Feuer im Kamin. Diebstahl und Prostitution machen die Haupterwerbsquellen dieser Bevölkerung aus."
- "Die ärmsten Arbeiter müssen noch einen andern Kunstgriff gebrauchen, um mit ihrem wenigen Gelde selbst bei der schlechtesten Qualität der einzukaufenden Artikel auszukommen. Da nämlich um zwölf Uhr am Sonnabendabend alle Läden geschlossen werden müssen und am Sonntag nichts verkauft werden darf, so werden zwischen zehn und zwölf Uhr diejenigen Waren, die bis zum Montagmorgen verderben würden, zu Spottpreisen losgeschlagen. Was aber um zehn Uhr noch liegengeblieben ist, davon sind neun Zehntel am Sonntagmorgen nicht mehr genießbar und gerade diese Waren bilden den Sonntagstisch der ärmsten Klasse. Das Fleisch, das die Arbeiter bekommen, ist sehr häufig ungenießbar - weil sie's aber einmal gekauft haben, so müssen sie es essen."
Es ist also vielleicht doch nicht so fein, als Lohn nur das Ãœberlebensminimum zu bekommen. Aber haben denn wenigstens alle Arbeiter eine sichere Arbeit?
- "Die durch die Konkurrenz der Arbeiter unter sich auf ihr Maximum gesteigerten Leistungen jedes einzelnen, die Teilung der Arbeit, die Einführung von Maschinerie, die Benutzung der Elementarkräfte werfen eine Menge Arbeiter außer Brot. Diese brotlosen Arbeiter kommen aber aus dem Markte; sie können nichts mehr kaufen, also die früher von ihnen verlangte Quantität Handelswaren wird jetzt nicht mehr verlangt, braucht also nicht mehr angefertigt zu werden, die früher mit deren Verfertigung beschäftigten Arbeiter werden also wieder brotlos, treten vom Markte ebenfalls ab, und so geht es immer weiter, immer denselben Kreislauf durch..."
Da sehen wir es! Die Gewerkschaften, die "Tarifkartelle", der Kampf um höhere Löhne trägt nicht die Hauptschuld an, und ist vor allem nicht Ursache der Arbeitslosigkeit, sondern die Probleme entspringen "aus dem Wesen der Industrie und Konkurrenz und den darin begründeten Handelskrisen. Bei der heutigen regellosen Produktion und Verteilung der Lebensmittel, die nicht um der unmittelbaren Befriedigung der Bedürfnisse, sondern um des Geldgewinns willen unternommen wird, bei dem System, wonach jeder auf eigne Faust arbeitet und sich bereichert, muß alle Augenblicke eine Stockung entstehen. England z.B. versorgt eine Menge Länder mit den verschiedensten Waren. Wenn nun auch der Fabrikant weiß, wieviel von jedem Artikel in jedem einzelnen Lande jährlich gebraucht wird, so weiß er doch nicht, wieviel zu jeder Zeit die Vorräte dort betragen, und noch viel weniger, wieviel seine Konkurrenten dorthin schicken. Er kann nur aus den ewig schwankenden Preisen einen unsichern Schluß auf den Stand der Vorräte und der Bedürfnisse machen, er muß aufs Geratewohl seine Waren hinausschicken; alles geschieht blindlings ins Blaue hinein, mehr oder weniger nur unter der Ägide des Zufalls. Auf die geringsten günstigen Berichte hin schickt jeder, was er kann - und nicht lange, so ist ein solcher Markt überfüllt mit Waren, der Verkauf stockt, die Rückflüsse bleiben aus, die Preise fallen, und die englische Industrie hat keine Beschäftigung für ihre Arbeiter mehr."
Dazu kommt noch der allgemeine Zwang zur Rationalisierung, der dem Kapitalisten vorscheibt, ständig die neusten Maschinen einsetzen zu müssen, egal wie viele Arbeiter dadurch auch wieder überschüssig und entlassen werden.
Der Fehler liegt also im System selbst; die Behebung kann nur in der Abschaffung, in der Überwindung des Systems liegen, und bis die FAZ das erkannt haben wird, wird sie noch viele große Dämme hochgezogen haben und dann im nächsten großen Dauerregen ertrinken.
der nächste Artikel der elfteiligen Serie "Verklär' mir die Welt - von Dummies für Dummies: die FAZ erklärt die Wirtschaft" erscheint am Donnerstag, den 21.09.2006, auf Link ...jetzt anmelden!
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