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•NEUER BEITRAG06.11.2024, 22:57 Uhr
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arktika | |
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Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front
Erfreulich: Mal wieder eine Klatsche gegen die "deutsche Staatsräson" vor einem ordentlichen Gericht. Und eine Klatsche für eine dieser hörige Unität:
Proteste für Gaza
Gesichtsverlust für Unileitung
Berlin: Nach Hörsaalbesetzung drei Studentinnen wegen Hausfriedensbruch angeklagt
Von Annuschka Eckhardt
Schmückt sich die sogenannte Freie Universität (FU) zwar gerne mit ihrer Tradition studentischen Widerstands, liefert sie doch ihre protestierenden Studierenden ans Messer: Am Mittwoch sind Prozesse gegen drei Studentinnen vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt worden. Grund: Sie beteiligten sich an der Hörsaalbesetzung am 14. Dezember vergangenen Jahres auf dem Universitätsgelände, um gegen den Genozid in Gaza und die deutsche Beteiligung daran zu demonstrieren. Vorgeworfen wurde den jungen Erwachsenen Hausfriedensbruch.
»Für mich war alles nicht so durchsichtig«, sagte die damalige Leiterin der Stabsstelle des Universitätspräsidenten im Prozess gegen Sofia W., die als Zeugin gehört wurde. Diese war vom Präsidenten Günter Ziegler mit einer Vollmacht zur Durchsetzung des Hausrechts betraut worden. Sie konnte also entscheiden, ob der Hörsaal von den rund 150 anwesenden Polizisten geräumt werden sollte und ob die Studierenden mit Strafanzeigen versetzt werden sollten. Während der Besetzung war die Stabsleiterin mit den Erinnerungslücken, die mittlerweile nicht mehr an der FU beschäftigt ist, verantwortlich für die Korrespondenz mit der Polizei und mit den Studierenden.
Im Zuge ihrer Befragung wurde deutlich, dass der Strafantrag unwirksam war. Zunächst hatte die Unileitung während der Besetzung einen Strafantrag gestellt, diesen dann aber noch während der polizeilichen Räumung beschränkt. Den Besetzern wurde eine neue Frist gewährt, den Hörsaal zu verlassen. Eine solche Beschränkung ist unwiderruflich, so dass der einige Wochen später erneut gestellte Strafantrag unwirksam war. Daher plädierten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch W.s Verteidiger Benjamin Düsberg für eine Einstellung des Verfahrens aufgrund eines Prozesshindernisses.
Auch die Angeklagte meldete sich zu Wort: »Ich möchte mit großer Klarheit den Vorwurf des Antisemitismus, der als Begründung für die Räumung der Besetzung genutzt wird, zurückweisen«, sagte die 23jährige Studentin. Antisemitismus, der systematische Hass und Gewalt gegen Juden stehen in keinem Zusammenhang mit der Solidarität mit dem palästinensischen Volk, das gerade einen zweiten Massenvölkermord erlebt, eine zweite Nakba. »Dies zu vermischen ist gegenüber den Menschenrechten und gegenüber der Geschichte grob fahrlässig.«
Richterin Olsen entschied sich, das Verfahren einzustellen, auch für eine weitere Studentin, deren Prozess direkt im Anschluss stattfand. Das Verfahren der dritten Beschuldigten wurde vertagt. »Unabhängig von dem guten Ausgang des Strafverfahrens hatten die Besetzer ein inhaltlich berechtigtes Anliegen, gegen einen Genozid zu protestieren, und auch das Recht, dies im Rahmen einer Besetzung eines Hörsaals zu Wort zu bringen«, sagte Rechtsanwalt Düsberg nach der Verhandlung gegenüber junge Welt. Von der Unileitung sei es ihm zufolge unverhältnismäßig »und auch daneben«, die eigenen Studierenden mit 150 Beamten räumen zu lassen.
Die Uni habe gezeigt, auf wessen Seite sie stehe, sagte W. nach Einstellung des Prozesses: »auf der des Staates und nicht auf der Seite der eigenen Studierenden und damit auch nicht auf der Seite des wissenschaftlichen Diskurses«, sagte die Studentin gegenüber jW. »Das ist ein Gesichtsverlust!« Auch wenn der Prozess ein Erfolg für die Rechte der Studierenden gewesen sei, gehe der Genozid in Gaza weiter und damit auch die unbedingte Notwendigkeit, Widerstand dagegen zu leisten.
Aus der morgigen jW unter Link ...jetzt anmelden!
Proteste für Gaza
Gesichtsverlust für Unileitung
Berlin: Nach Hörsaalbesetzung drei Studentinnen wegen Hausfriedensbruch angeklagt
Von Annuschka Eckhardt
Schmückt sich die sogenannte Freie Universität (FU) zwar gerne mit ihrer Tradition studentischen Widerstands, liefert sie doch ihre protestierenden Studierenden ans Messer: Am Mittwoch sind Prozesse gegen drei Studentinnen vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt worden. Grund: Sie beteiligten sich an der Hörsaalbesetzung am 14. Dezember vergangenen Jahres auf dem Universitätsgelände, um gegen den Genozid in Gaza und die deutsche Beteiligung daran zu demonstrieren. Vorgeworfen wurde den jungen Erwachsenen Hausfriedensbruch.
»Für mich war alles nicht so durchsichtig«, sagte die damalige Leiterin der Stabsstelle des Universitätspräsidenten im Prozess gegen Sofia W., die als Zeugin gehört wurde. Diese war vom Präsidenten Günter Ziegler mit einer Vollmacht zur Durchsetzung des Hausrechts betraut worden. Sie konnte also entscheiden, ob der Hörsaal von den rund 150 anwesenden Polizisten geräumt werden sollte und ob die Studierenden mit Strafanzeigen versetzt werden sollten. Während der Besetzung war die Stabsleiterin mit den Erinnerungslücken, die mittlerweile nicht mehr an der FU beschäftigt ist, verantwortlich für die Korrespondenz mit der Polizei und mit den Studierenden.
Im Zuge ihrer Befragung wurde deutlich, dass der Strafantrag unwirksam war. Zunächst hatte die Unileitung während der Besetzung einen Strafantrag gestellt, diesen dann aber noch während der polizeilichen Räumung beschränkt. Den Besetzern wurde eine neue Frist gewährt, den Hörsaal zu verlassen. Eine solche Beschränkung ist unwiderruflich, so dass der einige Wochen später erneut gestellte Strafantrag unwirksam war. Daher plädierten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch W.s Verteidiger Benjamin Düsberg für eine Einstellung des Verfahrens aufgrund eines Prozesshindernisses.
Auch die Angeklagte meldete sich zu Wort: »Ich möchte mit großer Klarheit den Vorwurf des Antisemitismus, der als Begründung für die Räumung der Besetzung genutzt wird, zurückweisen«, sagte die 23jährige Studentin. Antisemitismus, der systematische Hass und Gewalt gegen Juden stehen in keinem Zusammenhang mit der Solidarität mit dem palästinensischen Volk, das gerade einen zweiten Massenvölkermord erlebt, eine zweite Nakba. »Dies zu vermischen ist gegenüber den Menschenrechten und gegenüber der Geschichte grob fahrlässig.«
Richterin Olsen entschied sich, das Verfahren einzustellen, auch für eine weitere Studentin, deren Prozess direkt im Anschluss stattfand. Das Verfahren der dritten Beschuldigten wurde vertagt. »Unabhängig von dem guten Ausgang des Strafverfahrens hatten die Besetzer ein inhaltlich berechtigtes Anliegen, gegen einen Genozid zu protestieren, und auch das Recht, dies im Rahmen einer Besetzung eines Hörsaals zu Wort zu bringen«, sagte Rechtsanwalt Düsberg nach der Verhandlung gegenüber junge Welt. Von der Unileitung sei es ihm zufolge unverhältnismäßig »und auch daneben«, die eigenen Studierenden mit 150 Beamten räumen zu lassen.
Die Uni habe gezeigt, auf wessen Seite sie stehe, sagte W. nach Einstellung des Prozesses: »auf der des Staates und nicht auf der Seite der eigenen Studierenden und damit auch nicht auf der Seite des wissenschaftlichen Diskurses«, sagte die Studentin gegenüber jW. »Das ist ein Gesichtsverlust!« Auch wenn der Prozess ein Erfolg für die Rechte der Studierenden gewesen sei, gehe der Genozid in Gaza weiter und damit auch die unbedingte Notwendigkeit, Widerstand dagegen zu leisten.
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•NEUER BEITRAG07.11.2024, 21:54 Uhr
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FPeregrin | |
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Wenn das, was in der Zeit einer akuten Regierungskrise eines imperialistischen Landes von einer drückenden Parlamentsmehrheit unter Einschluß der Faschisten gegen die Reste einer linken Sammlungspartei beschlossen wird, nicht Spiegelbild der Interessenlage der herrschenden Monopolbourgeoisie sein soll, dann möchte ich wissen, was es dann sein soll, ... ein Vorgriff auf den 11.11., 11 Uhr 11?
nd heute:
Antisemitismus-Resolution: Israelkritik und Judenhass werden eins
Bundestag beschließt umstrittene Antisemitismus-Resolution, Politiker diskutieren über Verschärfungen im Grundgesetz
Matthias Monroy 07.11.2024, 14:40 Uhr Lesedauer: 6 Min.
Nach einer fast zweistündigen Debatte hat der Bundestag am Donnerstag den von den Ampel-Fraktionen und der Union eingebrachten Entwurf für eine Antisemitismus-Resolution mit breiter Mehrheit angenommen. Auch die AfD stimmte dafür. Die BSW-Gruppe votierte dagegen, während sich die Linke-Gruppe enthielt.
Die Resolution mit dem Titel »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« beruft sich auf die Shoah. Als weiteren Bezugspunkt nennt der Antrag den »grausamen Terror-Überfall der Hamas« am 7. Oktober. Die vier Fraktionen sehen seitdem »Judenhass und israelbezogenen Antisemitismus auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau« – allerdings verzeichnet das Bundeskriminalamt derzeit einen starken Rückgang antisemitischer Straftaten, wie Anfragen der Linke-Politikerin Petra Pau belegen.
In dem nun beschlossenen Antrag zeigt sich der Bundestag »dankbar«, dass es wieder jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland gebe. Dies sei eine »Bereicherung unserer Gesellschaft«. Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, hier lebende Jüd*innen zu stärken, unter anderem durch das Wachhalten der Erinnerung an die Shoah und die Förderung von Gedenkstätten und Bildungsarbeit. Schließlich postuliert der Antrag das Bekenntnis, dass die Existenz und die Sicherheitsinteressen des Staates Israel »ein zentrales Prinzip der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik« seien.
In der Resolution ist auch die umstrittene Forderung enthalten, sicherzustellen, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten oder das Existenzrecht Israels infrage stellen. Die Regierung soll überdies ein Betätigungsverbot oder Organisationsverbot der BDS-Bewegung, die friedlich zum Boykott israelischer Produkte aus besetzten Gebieten aufruft, in Deutschland prüfen.
Ob Aktivitäten »israelbezogenen Antisemitismus« darstellen, soll zukünftig mit der von Bundesregierung und Bundestag bereits 2019 beschlossenen Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) überprüft werden. Die Regierung soll dafür sorgen, dass dies auch in Ländern und Kommunen umgesetzt wird. Kunst- und Kulturveranstaltungen sowie -einrichtungen sollen »gemeinsam mit Experten« auf antisemitismuskritische Codes überprüft werden.
Ebenfalls beschlossen wurde die Behauptung, es habe auf der jüngsten Berlinale einen »Antisemitismusskandal« gegeben. Damit begründen die Abgeordneten die Forderung, wonach Bund, Länder und Kommunen »rechtssichere Regelungen erarbeiten« sollen, damit keine Projekte und Vorhaben »insbesondere mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden«.
Damit wird auch der nach einem Hetzartikel in der »Bild«-Zeitung ins Rollen gekommenen Fördergeldaffäre der Wind aus den Segeln genommen. Die damalige Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte nach einem Offenen Brief Tausender Hochschulangehöriger die Unterzeichner*innen gegenüber der »Bild« unter Antisemitismus-Verdacht gestellt, eine Prüfung zu förderrechtlichen Konsequenzen angeregt und damit einen Streit um Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit ausgelöst.
Für die Linke-Gruppe sprach bei der Debatte Gregor Gysi, der vor einem Missbrauch von Antisemitismus-Vorwürfen zur Unterdrückung legitimer Kritik warnte. Gysi argumentierte für differenzierte Betrachtungen, die auch Kritik an der israelischen Regierung zulassen. Den kurzen Redebeitrag für die Wagenknecht-Partei hielt Sevim Dağdelen und betonte, der Schutz jüdischen Lebens habe auch für deren Mitglieder eine hohe Bedeutung. Die Resolution erweise diesem Ziel aber einen Bärendienst, da Kritik an Israel unter einen Generalverdacht gestellt werde.
Vor dem Beschluss wurden zunächst zwei Änderungsanträge abgestimmt. Ein Antrag der Linke-Gruppe sollte ursprünglich den gesamten Text durch einen Alternativvorschlag von sechs Jurist*innen und Wissenschaftler*innen ersetzen, der den Kampf gegen Antisemitismus ohne die Verfolgung von Israelkritik voranbringen wollte. Nach internen Debatten hat die Linke ihren Antrag jedoch herabgestuft, sodass nur die auf Israel gemünzten Absätze der Resolution von Ampel und Union zugunsten einer Betonung des Schutzes jüdischen Lebens ausgetauscht werden sollten. Auch die BSW-Gruppe stimmte für diesen Antrag, alle anderen Fraktionen dagegen.
Der zweite Änderungsantrag von der BSW-Gruppe ging in eine ähnliche Richtung, betonte aber auch Kritik an der Regierung Netanjahu und Waffenlieferungen an Israel. Er erhielt Zustimmung aus den eigenen Reihen; alle anderen, einschließlich der Linken, stimmten dagegen, wobei es bei der Linke-Gruppe auch Enthaltungen gab.
In einer Petition hatten sich über 4000 Menschen für den Gegenvorschlag der sechs Jurist*innen und Wissenschaftler*innen ausgesprochen. Am Mittwoch begründeten einige Unterzeichner*innen ihre Bedenken auf einer Pressekonferenz in Berlin. Die Rektorin des Berliner Wissenschaftskollegs, Barbara Stollberg-Rillinger, warnte, der Antisemitismus-Vorwurf werde benutzt, um auch kritische Positionen von Jüd*innen zum Schweigen zu bringen. Die Direktorin des Einstein-Forums in Potsdam, Susan Neiman, zog Parallelen zur DDR und sieht einen »verordneten Philosemitismus«.
Der Jurist Matthias Goldmann fühlt sich an den Radikalenerlass erinnert. Damals sei es um Beamt*innen gegangen, von denen der Staat Loyalität erwarten könne. Hier seien jedoch Bereiche der Bildung und Wissenschaft betroffen, die gemäß Grundgesetz staatsfern sein sollen. Der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck kritisierte, dass gegen Russland der Vorwurf von Kriegsverbrechen erhoben, das Anprangern von Apartheid und Genozid in Israel aber als »israelfeindlich« dargestellt werde. »Absolut absurd, da lacht die halbe Welt drüber«, sagte Kaleck.
Rund 1900 Personen haben sich in den Tagen vor der Abstimmung am Donnerstag in einem Appell für die Antisemitismus-Resolution des Deutschen Bundestags ausgesprochen. Zu ihnen gehört die vom Ex-Grünen Volker Beck gegründete Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), das Tikvah-Institut mit Beck als Leiter sowie die »Experteninitiative Religionspolitik«, die nach Fachtagungen der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Volker Beck gegründet wurde.
Die Bundestagsdebatte zur Antisemitismusresolution wurde von der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) geleitet. Beck nahm daran als Ehrengast auf der Tribüne teil und wurde von Bas ausdrücklich begrüßt – erst danach wurden jüdische Gäste genannt.
Die Ehre verweist auf die Rolle, die Beck beim Zustandekommen der Resolution gespielt hat. Derzeit setzt der pro-israelische Lobbyist weitere Verschärfungen aufs Gleis. Am Dienstag sprach Beck auf einer von ihm mitorganisierten Veranstaltung des Tikvah-Instituts in der Berliner Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dabei ging es um Vorschläge von Politikern, den Kampf gegen Antisemitismus verfassungsrechtlich zu verankern.
Der ehemalige bayerische Staatsminister und derzeitige Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle plädierte auf der Tagung für die Verankerung des Kampfes gegen Antisemitismus als Staatsziel im Grundgesetz. Der Grüne Till Steffen plädierte dafür, einen »Schutzauftrag für Juden« in den Antidiskriminierungsartikel 3 des Grundgesetzes zu schreiben – obwohl dieser Artikel aus gutem Grund keine Hierarchisierung von Opfergruppen vornimmt. Thorsten Lieb (FDP) regt an, die Meinungsfreiheit in Artikel 5 entsprechend einzuschränken.
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nd heute:
Antisemitismus-Resolution: Israelkritik und Judenhass werden eins
Bundestag beschließt umstrittene Antisemitismus-Resolution, Politiker diskutieren über Verschärfungen im Grundgesetz
Matthias Monroy 07.11.2024, 14:40 Uhr Lesedauer: 6 Min.
Nach einer fast zweistündigen Debatte hat der Bundestag am Donnerstag den von den Ampel-Fraktionen und der Union eingebrachten Entwurf für eine Antisemitismus-Resolution mit breiter Mehrheit angenommen. Auch die AfD stimmte dafür. Die BSW-Gruppe votierte dagegen, während sich die Linke-Gruppe enthielt.
Die Resolution mit dem Titel »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« beruft sich auf die Shoah. Als weiteren Bezugspunkt nennt der Antrag den »grausamen Terror-Überfall der Hamas« am 7. Oktober. Die vier Fraktionen sehen seitdem »Judenhass und israelbezogenen Antisemitismus auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau« – allerdings verzeichnet das Bundeskriminalamt derzeit einen starken Rückgang antisemitischer Straftaten, wie Anfragen der Linke-Politikerin Petra Pau belegen.
In dem nun beschlossenen Antrag zeigt sich der Bundestag »dankbar«, dass es wieder jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland gebe. Dies sei eine »Bereicherung unserer Gesellschaft«. Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, hier lebende Jüd*innen zu stärken, unter anderem durch das Wachhalten der Erinnerung an die Shoah und die Förderung von Gedenkstätten und Bildungsarbeit. Schließlich postuliert der Antrag das Bekenntnis, dass die Existenz und die Sicherheitsinteressen des Staates Israel »ein zentrales Prinzip der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik« seien.
In der Resolution ist auch die umstrittene Forderung enthalten, sicherzustellen, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten oder das Existenzrecht Israels infrage stellen. Die Regierung soll überdies ein Betätigungsverbot oder Organisationsverbot der BDS-Bewegung, die friedlich zum Boykott israelischer Produkte aus besetzten Gebieten aufruft, in Deutschland prüfen.
Ob Aktivitäten »israelbezogenen Antisemitismus« darstellen, soll zukünftig mit der von Bundesregierung und Bundestag bereits 2019 beschlossenen Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) überprüft werden. Die Regierung soll dafür sorgen, dass dies auch in Ländern und Kommunen umgesetzt wird. Kunst- und Kulturveranstaltungen sowie -einrichtungen sollen »gemeinsam mit Experten« auf antisemitismuskritische Codes überprüft werden.
Ebenfalls beschlossen wurde die Behauptung, es habe auf der jüngsten Berlinale einen »Antisemitismusskandal« gegeben. Damit begründen die Abgeordneten die Forderung, wonach Bund, Länder und Kommunen »rechtssichere Regelungen erarbeiten« sollen, damit keine Projekte und Vorhaben »insbesondere mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden«.
Damit wird auch der nach einem Hetzartikel in der »Bild«-Zeitung ins Rollen gekommenen Fördergeldaffäre der Wind aus den Segeln genommen. Die damalige Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte nach einem Offenen Brief Tausender Hochschulangehöriger die Unterzeichner*innen gegenüber der »Bild« unter Antisemitismus-Verdacht gestellt, eine Prüfung zu förderrechtlichen Konsequenzen angeregt und damit einen Streit um Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit ausgelöst.
Für die Linke-Gruppe sprach bei der Debatte Gregor Gysi, der vor einem Missbrauch von Antisemitismus-Vorwürfen zur Unterdrückung legitimer Kritik warnte. Gysi argumentierte für differenzierte Betrachtungen, die auch Kritik an der israelischen Regierung zulassen. Den kurzen Redebeitrag für die Wagenknecht-Partei hielt Sevim Dağdelen und betonte, der Schutz jüdischen Lebens habe auch für deren Mitglieder eine hohe Bedeutung. Die Resolution erweise diesem Ziel aber einen Bärendienst, da Kritik an Israel unter einen Generalverdacht gestellt werde.
Vor dem Beschluss wurden zunächst zwei Änderungsanträge abgestimmt. Ein Antrag der Linke-Gruppe sollte ursprünglich den gesamten Text durch einen Alternativvorschlag von sechs Jurist*innen und Wissenschaftler*innen ersetzen, der den Kampf gegen Antisemitismus ohne die Verfolgung von Israelkritik voranbringen wollte. Nach internen Debatten hat die Linke ihren Antrag jedoch herabgestuft, sodass nur die auf Israel gemünzten Absätze der Resolution von Ampel und Union zugunsten einer Betonung des Schutzes jüdischen Lebens ausgetauscht werden sollten. Auch die BSW-Gruppe stimmte für diesen Antrag, alle anderen Fraktionen dagegen.
Der zweite Änderungsantrag von der BSW-Gruppe ging in eine ähnliche Richtung, betonte aber auch Kritik an der Regierung Netanjahu und Waffenlieferungen an Israel. Er erhielt Zustimmung aus den eigenen Reihen; alle anderen, einschließlich der Linken, stimmten dagegen, wobei es bei der Linke-Gruppe auch Enthaltungen gab.
In einer Petition hatten sich über 4000 Menschen für den Gegenvorschlag der sechs Jurist*innen und Wissenschaftler*innen ausgesprochen. Am Mittwoch begründeten einige Unterzeichner*innen ihre Bedenken auf einer Pressekonferenz in Berlin. Die Rektorin des Berliner Wissenschaftskollegs, Barbara Stollberg-Rillinger, warnte, der Antisemitismus-Vorwurf werde benutzt, um auch kritische Positionen von Jüd*innen zum Schweigen zu bringen. Die Direktorin des Einstein-Forums in Potsdam, Susan Neiman, zog Parallelen zur DDR und sieht einen »verordneten Philosemitismus«.
Der Jurist Matthias Goldmann fühlt sich an den Radikalenerlass erinnert. Damals sei es um Beamt*innen gegangen, von denen der Staat Loyalität erwarten könne. Hier seien jedoch Bereiche der Bildung und Wissenschaft betroffen, die gemäß Grundgesetz staatsfern sein sollen. Der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck kritisierte, dass gegen Russland der Vorwurf von Kriegsverbrechen erhoben, das Anprangern von Apartheid und Genozid in Israel aber als »israelfeindlich« dargestellt werde. »Absolut absurd, da lacht die halbe Welt drüber«, sagte Kaleck.
Rund 1900 Personen haben sich in den Tagen vor der Abstimmung am Donnerstag in einem Appell für die Antisemitismus-Resolution des Deutschen Bundestags ausgesprochen. Zu ihnen gehört die vom Ex-Grünen Volker Beck gegründete Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), das Tikvah-Institut mit Beck als Leiter sowie die »Experteninitiative Religionspolitik«, die nach Fachtagungen der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Volker Beck gegründet wurde.
Die Bundestagsdebatte zur Antisemitismusresolution wurde von der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) geleitet. Beck nahm daran als Ehrengast auf der Tribüne teil und wurde von Bas ausdrücklich begrüßt – erst danach wurden jüdische Gäste genannt.
Die Ehre verweist auf die Rolle, die Beck beim Zustandekommen der Resolution gespielt hat. Derzeit setzt der pro-israelische Lobbyist weitere Verschärfungen aufs Gleis. Am Dienstag sprach Beck auf einer von ihm mitorganisierten Veranstaltung des Tikvah-Instituts in der Berliner Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dabei ging es um Vorschläge von Politikern, den Kampf gegen Antisemitismus verfassungsrechtlich zu verankern.
Der ehemalige bayerische Staatsminister und derzeitige Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle plädierte auf der Tagung für die Verankerung des Kampfes gegen Antisemitismus als Staatsziel im Grundgesetz. Der Grüne Till Steffen plädierte dafür, einen »Schutzauftrag für Juden« in den Antidiskriminierungsartikel 3 des Grundgesetzes zu schreiben – obwohl dieser Artikel aus gutem Grund keine Hierarchisierung von Opfergruppen vornimmt. Thorsten Lieb (FDP) regt an, die Meinungsfreiheit in Artikel 5 entsprechend einzuschränken.
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•NEUER BEITRAG08.11.2024, 17:37 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
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Na denn: "HEIL, mein ..." - ja, wer oder was denn eigentlich???
Aber Scherz beiseite:
Die PDL macht(e) sich gerade ein mal mehr überflüssig: schwankend; die einen so, die andern so; mal den einen, mal den andern nachplappernd; wenn schon nicht (menschenrechtlich betrachtet) vorpreschend, dann wenigstens zurückpreschend - "Nach internen Debatten hat die Linke ihren Antrag jedoch herabgestuft," - ... So wird man am Ende von Niemandem ernst genommen und schon gar nicht gewählt. Eine parteiweite Diskussion - auch und gerade in den unteren Ebenen - findet nicht statt, um den süßen klebrigen (schon längst angebrannten und nicht mehr verwertbaren) Einheitsbrei irgendwie zu erhalten. Die perfekte Art, sich überflüssig zu machen. Da nützt auch kein *, : oder _ noch was, die Hipster in den Großstädten haben sich eh schon umorientiert. Zurück zu den Wurzeln? Ja, wie denn?! Und was wäre das eigentlich???
Der Verweis auf den "Radikalenerlaß" der BRD ist zutreffend. Im Gefolge dieser "Abstimmung" werden sicherlich noch deutlich mehr Verfahren wie das im davorigen Post beschriebene verteilt werden, bei schlechteren Siegeschancen der KämpferInnen (oder auch nur deren "SympathisantInnen" - auch ein Wort aus der "guten alten Zeit" des Radikalenerlasses) für Menschenrechte und gegen Apartheid und Völkermord. Der Willkürcharakter dieses Staates wird zunehmen und - dem folgend - die Zahl der ClaqeurInnen und derer, die "nichts gewußt haben" werden.
Und international?
"»Absolut absurd, da lacht die halbe Welt drüber«, sagte Kaleck."
Anzunehmen! Denn würde sie darüber weinen, so gäbe es gewaltige Überschwemmungskatastrofen, wogegen die derzeitigen in Spanien lächerlich wären.
Aber Scherz beiseite:
Die PDL macht(e) sich gerade ein mal mehr überflüssig: schwankend; die einen so, die andern so; mal den einen, mal den andern nachplappernd; wenn schon nicht (menschenrechtlich betrachtet) vorpreschend, dann wenigstens zurückpreschend - "Nach internen Debatten hat die Linke ihren Antrag jedoch herabgestuft," - ... So wird man am Ende von Niemandem ernst genommen und schon gar nicht gewählt. Eine parteiweite Diskussion - auch und gerade in den unteren Ebenen - findet nicht statt, um den süßen klebrigen (schon längst angebrannten und nicht mehr verwertbaren) Einheitsbrei irgendwie zu erhalten. Die perfekte Art, sich überflüssig zu machen. Da nützt auch kein *, : oder _ noch was, die Hipster in den Großstädten haben sich eh schon umorientiert. Zurück zu den Wurzeln? Ja, wie denn?! Und was wäre das eigentlich???
Der Verweis auf den "Radikalenerlaß" der BRD ist zutreffend. Im Gefolge dieser "Abstimmung" werden sicherlich noch deutlich mehr Verfahren wie das im davorigen Post beschriebene verteilt werden, bei schlechteren Siegeschancen der KämpferInnen (oder auch nur deren "SympathisantInnen" - auch ein Wort aus der "guten alten Zeit" des Radikalenerlasses) für Menschenrechte und gegen Apartheid und Völkermord. Der Willkürcharakter dieses Staates wird zunehmen und - dem folgend - die Zahl der ClaqeurInnen und derer, die "nichts gewußt haben" werden.
Und international?
"»Absolut absurd, da lacht die halbe Welt drüber«, sagte Kaleck."
Anzunehmen! Denn würde sie darüber weinen, so gäbe es gewaltige Überschwemmungskatastrofen, wogegen die derzeitigen in Spanien lächerlich wären.
•NEUER BEITRAG13.11.2024, 15:53 Uhr
Nutzer / in | |
arktika | |
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Kurz vor der Abstimmung im BRD-Parlament über die zionismusverklärende rassistische und juden-/jüdinnenfeindliche Resolution wurde diese auf german-foreign-policy auseinandergenommen. Gründlich! Die ZionismusverklärerInnen in diesem Land - und andere mitlesende - wird es sicher nicht erfreuen, aber die Ergebnisse sind eindeutig ...
Am 4. November:
Berlin und der Antisemitismus
Bundestag instrumentalisiert Antisemitismus-Resolution für repressive Maßnahmen gegen Kritiker der Politik Israels. Der Schritt sichert faktisch das geostrategisch motivierte Bündnis mit Israel ab.
BERLIN (Eigener Bericht) – Der Deutsche Bundestag plant eine Resolution gegen Antisemitismus und instrumentalisiert sie für repressive Maßnahmen gegen deutliche Kritik an der Politik der israelischen Regierung. Die Resolution, die noch in dieser Woche verabschiedet werden soll, gründet auf der wissenschaftlich umstrittenen IHRA-Definition, deren deutsche, bereits vor Jahren von der Bundesregierung verabschiedete Fassung in der Praxis die Diffamierung von Kritik an der Politik Israels als antisemitisch erlaubt. Wer Äußerungen tätigt, die nach dieser Definition als antisemitisch gewertet werden können, soll künftig keine staatlichen Fördermittel mehr erhalten, vom Schulunterricht ausgeschlossen und von Hochschulen exmatrikuliert werden können. Der Bundestag spricht sich zudem für Organisationsverbote aus, die nach Lage der Dinge auch jüdische Organisationen treffen könnten. Staatliche Stellen müssten die Kooperation mit Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International einstellen, die die israelische Regierungspolitik scharf attackieren. Gleichzeitig verweigert Berlin, das sich als Vorkämpfer gegen Antisemitismus in Szene zu setzen sucht, Nachfahren jüdischer NS-Opfer Entschädigung – bis heute.
Antisemitische Kontinuitäten
Die Resolution des Deutschen Bundestags, die in dieser Woche im Schnelldurchlauf durchs Parlament gepeitscht werden soll, zielt, so heißt es, darauf ab, „den Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen“.[1] Antisemitismus ist in der deutschen Mehrheitsgesellschaft in der Tat nach wie vor verbreitet. Das wäre womöglich in geringerem Maße der Fall, hätte die Bundesrepublik jemals einen klaren Trennstrich zu den alten NS-Antisemiten gezogen, die stattdessen in Westdeutschland auch nach 1945 in Amt und Würden blieben. „Die Funktionseliten der Hitler-Zeit“ hätten „das Projekt Bundesrepublik bis in die siebziger Jahre hinein entscheidend gestaltet“, hielt schon im Jahr 2001 der Historiker Norbert Frei im Resümee einer umfassenden Studie zu personellen Kontinuitäten in den bundesdeutschen Führungspositionen fest.[2] Das galt sogar auf den obersten staatlichen Ebenen; so brachte es etwa das NSDAP-Mitglied Kurt Georg Kiesinger in den Jahren vor 1945 bis zum Posten des Leiters der Rundfunkpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, im Jahr 1966 dann – inzwischen CDU-Mitglied –bis zum Bundeskanzler. Ein ehrendes Porträt Kiesingers hängt bis heute vollkommen selbstverständlich in der Kanzlergalerie im ersten Stock des Berliner Kanzleramts.[3]
Kritik unter Verdacht
Wurden Gelegenheiten, auf politischer und auf gesellschaftlicher Ebene konsequent gegen Antisemitismus vorzugehen, in der Bundesrepublik jahrzehntelang ignoriert, wenn nicht gar offen konterkariert, so dringt der Deutsche Bundestag nun auf ein Vorgehen gegen Antisemitismus in hohem Maße mit Mitteln der Repression. Dabei bezieht er sich exklusiv auf die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA).[4] Diese ist wissenschaftlich umstritten; unter anderem wird ihr eine fehlende Trennschärfe attestiert. Dennoch hat die Bundesregierung sie im September 2017 offiziell anerkannt [5] und damit zur Arbeitsgrundlage nicht zuletzt für Bundesbehörden, speziell auch für die Bundeszentrale für politische Bildung und insbesondere für Gedenkstätten und Geschichtsmuseen gemacht. Dies ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil damit staatliche Stellen abweichende wissenschaftliche Positionen ausgrenzen – ein Vorgang, der mit der Wissenschaftsfreiheit kaum zu vereinbaren ist –, sondern auch, weil die Bundesregierung der Definition den Satz angefügt hat: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“[6] Im gelebten politischen Alltag wird mit der Formulierung zur Zeit fast jede kritische Äußerung gegenüber Israel tendenziell des Antisemitismus verdächtigt.
Ausschluss und Verbot
Insofern wiegen die Forderungen, die der Bundestag in seinem Resolutionsentwurf erhebt, schwer. So heißt es etwa, es dürften „keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten“.[7] In der konkreten Praxis kann damit jeder Zusammenschluss, der scharfe Kritik an der Politik des Staates Israel übt, von der Vergabe staatlicher Mittel ausgeschlossen werden; dies gilt auch für wissenschaftliche Vorhaben und Projekte aus dem weiten Feld von Kunst und Kultur. Schulen und Hochschulen sollen hart gegen antisemitische Vorfälle vorgehen und dazu nicht nur das Hausrecht anwenden, sondern auch zum prinzipiellen Ausschluss vom Unterricht beziehungsweise – an Hochschulen – zur Exmatrikulation greifen. Auch dazu kann – auf der Basis der IHRA-Definition und vor allem ihrer erweiterten deutschen Fassung – entschiedene Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung ausreichen. Dies gilt ebenso für die Ankündigung, das Verbot von Organisationen zu erwägen; so soll insbesondere „ein Betätigungsverbot oder ein Organisationsverbot von BDS in Deutschland geprüft“ werden.[8] BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) ist eine internationale Kampagne, die zu Boykotten gegen Israel aufruft, um dessen Regierung zur Einhaltung internationalen Rechts zu veranlassen.
Besondere Diskriminierung von Migranten
Nicht zuletzt sollen repressive Maßnahmen in Sachen Antisemitismus künftig auch in das Aufenthalts-, das Asyl- sowie das Staatsangehörigkeitsrecht integriert werden. Dies sei nötig, befindet der Bundestag, weil in jüngster Zeit „das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden“ sei, „der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert“.[9] Wieso es nicht genügen soll, Personen arabischer Herkunft – auf sie zielt die Formulierung faktisch – nach denselben Kriterien des in Deutschland gültigen Rechts zu behandeln wie Personen deutscher Abstammung, erläutert der Bundestag nicht. Die Drohung mit aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen gegen Personen aus der arabischen Welt, die gegen die IHRA-Definition mit ihrer deutschen Ergänzung verstoßen, läuft auf eine zusätzliche Diskriminierung von Migranten hinaus.
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Am 4. November:
Berlin und der Antisemitismus
Bundestag instrumentalisiert Antisemitismus-Resolution für repressive Maßnahmen gegen Kritiker der Politik Israels. Der Schritt sichert faktisch das geostrategisch motivierte Bündnis mit Israel ab.
BERLIN (Eigener Bericht) – Der Deutsche Bundestag plant eine Resolution gegen Antisemitismus und instrumentalisiert sie für repressive Maßnahmen gegen deutliche Kritik an der Politik der israelischen Regierung. Die Resolution, die noch in dieser Woche verabschiedet werden soll, gründet auf der wissenschaftlich umstrittenen IHRA-Definition, deren deutsche, bereits vor Jahren von der Bundesregierung verabschiedete Fassung in der Praxis die Diffamierung von Kritik an der Politik Israels als antisemitisch erlaubt. Wer Äußerungen tätigt, die nach dieser Definition als antisemitisch gewertet werden können, soll künftig keine staatlichen Fördermittel mehr erhalten, vom Schulunterricht ausgeschlossen und von Hochschulen exmatrikuliert werden können. Der Bundestag spricht sich zudem für Organisationsverbote aus, die nach Lage der Dinge auch jüdische Organisationen treffen könnten. Staatliche Stellen müssten die Kooperation mit Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International einstellen, die die israelische Regierungspolitik scharf attackieren. Gleichzeitig verweigert Berlin, das sich als Vorkämpfer gegen Antisemitismus in Szene zu setzen sucht, Nachfahren jüdischer NS-Opfer Entschädigung – bis heute.
Antisemitische Kontinuitäten
Die Resolution des Deutschen Bundestags, die in dieser Woche im Schnelldurchlauf durchs Parlament gepeitscht werden soll, zielt, so heißt es, darauf ab, „den Antisemitismus in unserem Land wirksam und nachhaltig zu bekämpfen“.[1] Antisemitismus ist in der deutschen Mehrheitsgesellschaft in der Tat nach wie vor verbreitet. Das wäre womöglich in geringerem Maße der Fall, hätte die Bundesrepublik jemals einen klaren Trennstrich zu den alten NS-Antisemiten gezogen, die stattdessen in Westdeutschland auch nach 1945 in Amt und Würden blieben. „Die Funktionseliten der Hitler-Zeit“ hätten „das Projekt Bundesrepublik bis in die siebziger Jahre hinein entscheidend gestaltet“, hielt schon im Jahr 2001 der Historiker Norbert Frei im Resümee einer umfassenden Studie zu personellen Kontinuitäten in den bundesdeutschen Führungspositionen fest.[2] Das galt sogar auf den obersten staatlichen Ebenen; so brachte es etwa das NSDAP-Mitglied Kurt Georg Kiesinger in den Jahren vor 1945 bis zum Posten des Leiters der Rundfunkpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, im Jahr 1966 dann – inzwischen CDU-Mitglied –bis zum Bundeskanzler. Ein ehrendes Porträt Kiesingers hängt bis heute vollkommen selbstverständlich in der Kanzlergalerie im ersten Stock des Berliner Kanzleramts.[3]
Kritik unter Verdacht
Wurden Gelegenheiten, auf politischer und auf gesellschaftlicher Ebene konsequent gegen Antisemitismus vorzugehen, in der Bundesrepublik jahrzehntelang ignoriert, wenn nicht gar offen konterkariert, so dringt der Deutsche Bundestag nun auf ein Vorgehen gegen Antisemitismus in hohem Maße mit Mitteln der Repression. Dabei bezieht er sich exklusiv auf die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA).[4] Diese ist wissenschaftlich umstritten; unter anderem wird ihr eine fehlende Trennschärfe attestiert. Dennoch hat die Bundesregierung sie im September 2017 offiziell anerkannt [5] und damit zur Arbeitsgrundlage nicht zuletzt für Bundesbehörden, speziell auch für die Bundeszentrale für politische Bildung und insbesondere für Gedenkstätten und Geschichtsmuseen gemacht. Dies ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil damit staatliche Stellen abweichende wissenschaftliche Positionen ausgrenzen – ein Vorgang, der mit der Wissenschaftsfreiheit kaum zu vereinbaren ist –, sondern auch, weil die Bundesregierung der Definition den Satz angefügt hat: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“[6] Im gelebten politischen Alltag wird mit der Formulierung zur Zeit fast jede kritische Äußerung gegenüber Israel tendenziell des Antisemitismus verdächtigt.
Ausschluss und Verbot
Insofern wiegen die Forderungen, die der Bundestag in seinem Resolutionsentwurf erhebt, schwer. So heißt es etwa, es dürften „keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten“.[7] In der konkreten Praxis kann damit jeder Zusammenschluss, der scharfe Kritik an der Politik des Staates Israel übt, von der Vergabe staatlicher Mittel ausgeschlossen werden; dies gilt auch für wissenschaftliche Vorhaben und Projekte aus dem weiten Feld von Kunst und Kultur. Schulen und Hochschulen sollen hart gegen antisemitische Vorfälle vorgehen und dazu nicht nur das Hausrecht anwenden, sondern auch zum prinzipiellen Ausschluss vom Unterricht beziehungsweise – an Hochschulen – zur Exmatrikulation greifen. Auch dazu kann – auf der Basis der IHRA-Definition und vor allem ihrer erweiterten deutschen Fassung – entschiedene Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung ausreichen. Dies gilt ebenso für die Ankündigung, das Verbot von Organisationen zu erwägen; so soll insbesondere „ein Betätigungsverbot oder ein Organisationsverbot von BDS in Deutschland geprüft“ werden.[8] BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) ist eine internationale Kampagne, die zu Boykotten gegen Israel aufruft, um dessen Regierung zur Einhaltung internationalen Rechts zu veranlassen.
Besondere Diskriminierung von Migranten
Nicht zuletzt sollen repressive Maßnahmen in Sachen Antisemitismus künftig auch in das Aufenthalts-, das Asyl- sowie das Staatsangehörigkeitsrecht integriert werden. Dies sei nötig, befindet der Bundestag, weil in jüngster Zeit „das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden“ sei, „der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert“.[9] Wieso es nicht genügen soll, Personen arabischer Herkunft – auf sie zielt die Formulierung faktisch – nach denselben Kriterien des in Deutschland gültigen Rechts zu behandeln wie Personen deutscher Abstammung, erläutert der Bundestag nicht. Die Drohung mit aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen gegen Personen aus der arabischen Welt, die gegen die IHRA-Definition mit ihrer deutschen Ergänzung verstoßen, läuft auf eine zusätzliche Diskriminierung von Migranten hinaus.
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•NEUER BEITRAG13.11.2024, 15:58 Uhr
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arktika | |
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Die Folgen
Die Folgen reichen weit. So müsste die Bundesrepublik bei einer Umsetzung der Resolution des Bundestags in konkrete Gesetze etwa den Verleger der israelischen Tageszeitung Haaretz, Amos Schocken, boykottieren. Schocken hat kürzlich auf einer Konferenz in London erklärt, er halte die Politik der israelischen Regierung für so fatal, dass er kein anderes Mittel mehr gegen sie sehe als die Verhängung internationaler Sanktionen, ähnlich wie im Fall Südafrikas während der Apartheid.[10] Sollten Bürger Israels, die in Deutschland leben, dem Haaretz-Herausgeber öffentlich zustimmen, dann machten sie sich womöglich eines Verstoßes gegen die erweiterte deutsche Version der IHRA-Definition schuldig und wären gegebenenfalls von aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, sprich: Abschiebung, bedroht. Sollten in Deutschland ansässige jüdische Vereinigungen sich der BDS-Kampagne anschließen – es gibt solche, die die Kampagne in der Vergangenheit unterstützten –, dann könnte es in der Bundesrepublik zum ersten Mal seit 1945 zum Verbot einer jüdischen Organisation kommen. Jegliche Kooperation staatlicher Stellen mit Amnesty International oder Human Rights Watch verböte sich: Die Menschenrechtsorganisationen stufen die Diskriminierung der palästinensischen Bevölkerung in Israel und im Westjordanland als Apartheid ein.[11]
Nur Deutschland entschädigt nicht
All dies droht, während Berlin den überlebenden Nachfahren jüdischer NS-Opfer nach wie vor jede Entschädigung verweigert. Ein aktuelles Beispiel ist die Weigerung der Deutschen Bahn, Entschädigung für die Deportation von Jüdinnen und Juden in die NS-Vernichtungslager zu leisten. Die Nederlandse Spoorwegen (NS) und die Société nationale des chemins de fer français (SNCF) haben für ihre Beteiligung an den Deportationen inzwischen wenigstens symbolische Beträge an die Nachkommen der Opfer gezahlt. Die Deutsche Bahn, deren Alleineigentümer – die Bundesrepublik – sich nun als Vorkämpferin gegen Antisemitismus in Szene setzt, zahlt für die antisemitischen Massenverbrechen ihrer Rechtsvorgängerin, der Reichsbahn, bis heute: Nichts.[12]
„Die Macht der Juden“
Dass der Bundestag mit seiner neuen Resolution faktisch die israelische Regierungspolitik gegen Kritik immunisieren wird, stärkt das geostrategisch motivierte Bündnis mit Israel [13], für das in den 1950er Jahren der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer die Grundlagen schuf (german-foreign-policy.com berichtete [14]). Adenauer äußerte am 4. Januar 1965 in einer Fernsehsendung: „Die Macht der Juden auch heute noch, insbesondere in Amerika, soll man nicht unterschätzen.“ Dies sei der Grund dafür, dass er „sehr bewusst“ seine „ganze Kraft daran gesetzt“ habe, „eine Versöhnung herbeizuführen zwischen dem jüdischen Volk und dem deutschen Volk“.[15] Der Verweis auf eine diffuse „Macht der Juden“ gilt nicht nur nach der IHRA-Definition als antisemitischer Code. Adenauer wird in Deutschland bis heute als prägender Gründungskanzler der Bundesrepublik geehrt.
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#Antisemitismusresolution
#DieJuden
#Rassismus
#Diskriminierung
Die Folgen
Die Folgen reichen weit. So müsste die Bundesrepublik bei einer Umsetzung der Resolution des Bundestags in konkrete Gesetze etwa den Verleger der israelischen Tageszeitung Haaretz, Amos Schocken, boykottieren. Schocken hat kürzlich auf einer Konferenz in London erklärt, er halte die Politik der israelischen Regierung für so fatal, dass er kein anderes Mittel mehr gegen sie sehe als die Verhängung internationaler Sanktionen, ähnlich wie im Fall Südafrikas während der Apartheid.[10] Sollten Bürger Israels, die in Deutschland leben, dem Haaretz-Herausgeber öffentlich zustimmen, dann machten sie sich womöglich eines Verstoßes gegen die erweiterte deutsche Version der IHRA-Definition schuldig und wären gegebenenfalls von aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, sprich: Abschiebung, bedroht. Sollten in Deutschland ansässige jüdische Vereinigungen sich der BDS-Kampagne anschließen – es gibt solche, die die Kampagne in der Vergangenheit unterstützten –, dann könnte es in der Bundesrepublik zum ersten Mal seit 1945 zum Verbot einer jüdischen Organisation kommen. Jegliche Kooperation staatlicher Stellen mit Amnesty International oder Human Rights Watch verböte sich: Die Menschenrechtsorganisationen stufen die Diskriminierung der palästinensischen Bevölkerung in Israel und im Westjordanland als Apartheid ein.[11]
Nur Deutschland entschädigt nicht
All dies droht, während Berlin den überlebenden Nachfahren jüdischer NS-Opfer nach wie vor jede Entschädigung verweigert. Ein aktuelles Beispiel ist die Weigerung der Deutschen Bahn, Entschädigung für die Deportation von Jüdinnen und Juden in die NS-Vernichtungslager zu leisten. Die Nederlandse Spoorwegen (NS) und die Société nationale des chemins de fer français (SNCF) haben für ihre Beteiligung an den Deportationen inzwischen wenigstens symbolische Beträge an die Nachkommen der Opfer gezahlt. Die Deutsche Bahn, deren Alleineigentümer – die Bundesrepublik – sich nun als Vorkämpferin gegen Antisemitismus in Szene setzt, zahlt für die antisemitischen Massenverbrechen ihrer Rechtsvorgängerin, der Reichsbahn, bis heute: Nichts.[12]
„Die Macht der Juden“
Dass der Bundestag mit seiner neuen Resolution faktisch die israelische Regierungspolitik gegen Kritik immunisieren wird, stärkt das geostrategisch motivierte Bündnis mit Israel [13], für das in den 1950er Jahren der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer die Grundlagen schuf (german-foreign-policy.com berichtete [14]). Adenauer äußerte am 4. Januar 1965 in einer Fernsehsendung: „Die Macht der Juden auch heute noch, insbesondere in Amerika, soll man nicht unterschätzen.“ Dies sei der Grund dafür, dass er „sehr bewusst“ seine „ganze Kraft daran gesetzt“ habe, „eine Versöhnung herbeizuführen zwischen dem jüdischen Volk und dem deutschen Volk“.[15] Der Verweis auf eine diffuse „Macht der Juden“ gilt nicht nur nach der IHRA-Definition als antisemitischer Code. Adenauer wird in Deutschland bis heute als prägender Gründungskanzler der Bundesrepublik geehrt.
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•NEUER BEITRAG13.11.2024, 17:08 Uhr
EDIT: FPeregrin
13.11.2024, 17:09 Uhr
13.11.2024, 17:09 Uhr
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FPeregrin | |
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Dank an gfp, daß es so mal auf den Punkt gebracht worden ist! Wer es jetzt nicht sieht, will es nicht sehen.
•NEUER BEITRAG13.11.2024, 18:24 Uhr
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FPeregrin | |
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Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front
... und so macht man das dann - jW heute:
Faeser verbietet rotes Dreieck
Berlin. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stuft ein rotes Dreieck als verbotenes Kennzeichen der palästinensischen Organisation Hamas ein. Das Ministerium »bewertet in seiner Kompetenz als Verbotsbehörde des Bundes auch das auf der Spitze stehende rote Dreieck als Kennzeichen der Hamas«, zitierte die Welt (Montag) aus einem internen Rundschreiben des Bundesministeriums vom 31. Oktober an die Innenressorts der Länder. Nach Rechtsauffassung des Ministeriums falle die Verbreitung oder öffentliche Verwendung dieser Symbole unter Paragraph 86 a des Strafgesetzbuchs. Die Hamas verwendet das Symbol – in Anlehnung an Computerspiele – in Propagandavideos zur Markierung von israelischen Soldaten und Panzern. Des weiteren gelten laut Schreiben auch »Bildnisse von Repräsentanten der Hamas als Kennzeichen der Hamas«. Das auch als »roter Winkel« bekannte auf der Spitze stehende Dreieck war im deutschen Faschismus Kennzeichen der politischen Häftlinge in den Konzentrationslagern und wurde zum Symbol für den antifaschistischen Widerstand. Heute ziert es unter anderem das Logo der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN–BdA). (AFP/jW)
Von jetzt an kann jeder kleine SA-Deputy auf Fingerzeig jedes kleinen Hitlerjungen darüber befinden, wie denn die roten Dreiecke am 8. und 9. Mai gemeint sind, dies in der selben großzügigen Art, wie dies seit Jahren mit Hammer&Sichel, überhaupt roten Fahnen etc. geschieht: Link ...jetzt anmelden!
#SiegHeilSiegHeilSiegHeil
Faeser verbietet rotes Dreieck
Berlin. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stuft ein rotes Dreieck als verbotenes Kennzeichen der palästinensischen Organisation Hamas ein. Das Ministerium »bewertet in seiner Kompetenz als Verbotsbehörde des Bundes auch das auf der Spitze stehende rote Dreieck als Kennzeichen der Hamas«, zitierte die Welt (Montag) aus einem internen Rundschreiben des Bundesministeriums vom 31. Oktober an die Innenressorts der Länder. Nach Rechtsauffassung des Ministeriums falle die Verbreitung oder öffentliche Verwendung dieser Symbole unter Paragraph 86 a des Strafgesetzbuchs. Die Hamas verwendet das Symbol – in Anlehnung an Computerspiele – in Propagandavideos zur Markierung von israelischen Soldaten und Panzern. Des weiteren gelten laut Schreiben auch »Bildnisse von Repräsentanten der Hamas als Kennzeichen der Hamas«. Das auch als »roter Winkel« bekannte auf der Spitze stehende Dreieck war im deutschen Faschismus Kennzeichen der politischen Häftlinge in den Konzentrationslagern und wurde zum Symbol für den antifaschistischen Widerstand. Heute ziert es unter anderem das Logo der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN–BdA). (AFP/jW)
Von jetzt an kann jeder kleine SA-Deputy auf Fingerzeig jedes kleinen Hitlerjungen darüber befinden, wie denn die roten Dreiecke am 8. und 9. Mai gemeint sind, dies in der selben großzügigen Art, wie dies seit Jahren mit Hammer&Sichel, überhaupt roten Fahnen etc. geschieht: Link ...jetzt anmelden!
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•NEUER BEITRAG13.11.2024, 18:40 Uhr
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FPeregrin | |
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Auf das, was hier vorsichgeht, haben die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora und die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis in einer Erklärung bereits am 9. August hingewiesen, die hier dokumentiert sei. - Wer sich jetzt verwundert die Augen reibt, hat vorher geschlafen.
Angriff auf den „roten Winkel“
9. August 2024
Vor einiger Zeit vernahm man lautstarkes Getöse aus dem Berliner Innensenat und vom hessischen Innenminister. Sie forderten die Innenministerkonferenz und die Bundesinnenministerin auf, den „roten Winkel“, den sie glaubten als „Hamas-Symbol“ denunzieren zu können, zu verbieten. Sie stützten sich dabei auf einzelne Fotos aus Kreuzberg und einigen Stadtteilen Londons, wo an öffentlichen Stellen ein längliches rotes Dreieck – angeblich zur „Feindmarkierung“ – zu sehen war. Wie wenig historische Bildung muss in den Köpfen dieser Politiker angekommen zu sein, wenn sie glauben, dies sei der „rote Winkel“?
Wir erinnern daran: Der „rote Winkel“ war die „Feindmarkierung“ des NS-Regimes gegen seine politischen Gegner und später aller Häftlinge aus den überfallenen Ländern, die in den Konzentrationslagern den roten Winkel mit einem Nationalitätenbuchstaben tragen mussten. Sie trugen ihn – nach der Befreiung von Faschismus – mit Stolz, in dem Bewusstsein, den faschistischen Terror überstanden zu haben und sich dem politischen Vermächtnis der Überlebenden – bis heute – verpflichtet zu fühlen. Wer also glaubt, den „roten Winkel“ verbieten zu können, der versucht damit das europäische antifaschistische Vermächtnis zu verbieten.
Vor einigen Jahren tönte schon einmal die Trump-Regierung, man müsse „die Antifa“ als Terrororganisation brandmarken. Damals nahmen Politiker der CDU/CSU diese „Vorlage“ gerne auf. Heute denunziert die ungarische Staatsanwaltschaft „die Antifa“ als internationales Terrornetzwerk und die bundesdeutsche Justiz liefert Beschuldigte auf fragwürdiger Grundlage nach Ungarn aus.
Solche Angriffe auf die Idee des Antifaschismus und ihre Organisationen sind in der BRD nicht neu. Immer wieder versuchten Bundes- und Länderregierungen Antifaschismus zu denunzieren und dessen Symbole zu kriminalisieren. Schon zweimal untersagte die Berliner Regierung am 8./9. Mai ein würdiges Gedenken an die Befreier und die Befreiung durch die militärischen Kräfte der Anti-Hitler-Koalition. Mit Polizeieinsatz wurde die öffentliche Präsentation deren Symbole an Gedenkorten in Berlin unterbunden.
Selbst mit dem Mittel des Steuerrechts, dem versuchten Entzug der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA, wurde antifaschistische Arbeit torpediert. Einer breiten gesellschaftlichen Solidarität war es zu verdanken, dass dieser Angriff auf die älteste überparteiliche antifaschistische Vereinigung in unserem Land abgewehrt werden konnte.
Gegen solche politische Bestrebungen treten wir – gemeinsam mit anderen europäischen Antifaschisten – auf. Die Bewahrung des politischen Vermächtnisses der Überlebenden der Lager und Haftstätten, die Würdigung der Befreier und der Befreiung sind unser Leitmotiv. Der „rote Winkel“ bleibt unser Symbol. Der lässt sich nicht verbieten!
Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V.
Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis e.V.
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"Anti-Antisemitismus" als Anti-Antifaschismus, auch das ist ein Zweck der Tätigkeit der dt. Staatsräson an der inneren Nahost-Front, vielleicht sogar der Wesentliche!
#FaschistischeGefahr
#DrohenderFaschismus
Angriff auf den „roten Winkel“
9. August 2024
Vor einiger Zeit vernahm man lautstarkes Getöse aus dem Berliner Innensenat und vom hessischen Innenminister. Sie forderten die Innenministerkonferenz und die Bundesinnenministerin auf, den „roten Winkel“, den sie glaubten als „Hamas-Symbol“ denunzieren zu können, zu verbieten. Sie stützten sich dabei auf einzelne Fotos aus Kreuzberg und einigen Stadtteilen Londons, wo an öffentlichen Stellen ein längliches rotes Dreieck – angeblich zur „Feindmarkierung“ – zu sehen war. Wie wenig historische Bildung muss in den Köpfen dieser Politiker angekommen zu sein, wenn sie glauben, dies sei der „rote Winkel“?
Wir erinnern daran: Der „rote Winkel“ war die „Feindmarkierung“ des NS-Regimes gegen seine politischen Gegner und später aller Häftlinge aus den überfallenen Ländern, die in den Konzentrationslagern den roten Winkel mit einem Nationalitätenbuchstaben tragen mussten. Sie trugen ihn – nach der Befreiung von Faschismus – mit Stolz, in dem Bewusstsein, den faschistischen Terror überstanden zu haben und sich dem politischen Vermächtnis der Überlebenden – bis heute – verpflichtet zu fühlen. Wer also glaubt, den „roten Winkel“ verbieten zu können, der versucht damit das europäische antifaschistische Vermächtnis zu verbieten.
Vor einigen Jahren tönte schon einmal die Trump-Regierung, man müsse „die Antifa“ als Terrororganisation brandmarken. Damals nahmen Politiker der CDU/CSU diese „Vorlage“ gerne auf. Heute denunziert die ungarische Staatsanwaltschaft „die Antifa“ als internationales Terrornetzwerk und die bundesdeutsche Justiz liefert Beschuldigte auf fragwürdiger Grundlage nach Ungarn aus.
Solche Angriffe auf die Idee des Antifaschismus und ihre Organisationen sind in der BRD nicht neu. Immer wieder versuchten Bundes- und Länderregierungen Antifaschismus zu denunzieren und dessen Symbole zu kriminalisieren. Schon zweimal untersagte die Berliner Regierung am 8./9. Mai ein würdiges Gedenken an die Befreier und die Befreiung durch die militärischen Kräfte der Anti-Hitler-Koalition. Mit Polizeieinsatz wurde die öffentliche Präsentation deren Symbole an Gedenkorten in Berlin unterbunden.
Selbst mit dem Mittel des Steuerrechts, dem versuchten Entzug der Gemeinnützigkeit für die VVN-BdA, wurde antifaschistische Arbeit torpediert. Einer breiten gesellschaftlichen Solidarität war es zu verdanken, dass dieser Angriff auf die älteste überparteiliche antifaschistische Vereinigung in unserem Land abgewehrt werden konnte.
Gegen solche politische Bestrebungen treten wir – gemeinsam mit anderen europäischen Antifaschisten – auf. Die Bewahrung des politischen Vermächtnisses der Überlebenden der Lager und Haftstätten, die Würdigung der Befreier und der Befreiung sind unser Leitmotiv. Der „rote Winkel“ bleibt unser Symbol. Der lässt sich nicht verbieten!
Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e.V.
Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis e.V.
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"Anti-Antisemitismus" als Anti-Antifaschismus, auch das ist ein Zweck der Tätigkeit der dt. Staatsräson an der inneren Nahost-Front, vielleicht sogar der Wesentliche!
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•NEUER BEITRAG14.11.2024, 19:53 Uhr
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... und es geht so weiter - jW heute -:
Fraktionen im Resolutionsfieber
SPD, Grüne, Union und FDP planen Antrag gegen Palästina-Solidarität an Schulen und Hochschulen
Von Annuschka Eckhardt
Mehr Befugnisse für Inlandsgeheimdienst, Polizei und Leitungsebene an Schulen und Universitäten: Sie bekommen den Hals nicht voll im vermeintlichen Kampf gegen Antisemitismus. Die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP planen einen weiteren Antrag, diesmal: »Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern«.
Die Plattform »Frag den Staat« hat den Antrag veröffentlicht. »An Schulen und Hochschulen zeigt sich vermehrt, dass unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung offen antiisraelische, antisemitische und verfassungsfeindliche Äußerungen vorgetragen und Taten begangen werden. (…) Es wird systematisch versucht, ein Klima der Unsicherheit und Angst an Schulen und Hochschulen zu erzeugen und eine antisemitische Deutungshoheit über den Nahostkonflikt zu etablieren«, meinen die Antragssteller zu wissen. Dagegen fordern sie einen ganzen Katalog von Maßnahmen – angefangen bei »Antisemitismusforschung in ihrer Breite weiter zu stärken und bilaterale Forschungskooperationen zu Antisemitismus zu vertiefen«, über »konsequentes Vorgehen gegen antisemitisches Verhalten«, bis dahin einen »engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden zu etablieren und bei Bedarf Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken«.
Vermischung von Antisemitismus und Kritik am israelischen Staat: Aktivitäten von Gruppierungen, die »israelbezogenen Antisemitismus« verbreiten, zu deren Mitteln auch »Boykottaufrufe, Delegitimierung, Desinformation und Dämonisierung des jüdischen Staates« gehören, sollen unterbunden werden. Dazu gehörten Aktivitäten der BDS-Bewegung. »Unterstützerinnen und Unterstützer etwaiger Bewegungen dürfen in deutschen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen keinen Platz haben«, wird im Antrag gefordert.
Mehr als zwanzig Professoren und Hochschulmitarbeiter haben eine Stellungnahme unterzeichnet, die jW vorliegt. In dieser kritisieren sie unter anderem die Verengung des Wissens zum Nahostkonflikt auf die Geschichte Israels: »Palästinenser*innen kommen als mögliches Thema von Forschungen oder der Wissensvermittlung an Schulen oder Hochschulen nicht vor, sondern werden nur an einer Stelle im Zusammenhang mit dem Terrorismus der Hamas angeführt«, so die Unterzeichner. Auch eine Bedrohung der Diskursoffenheit wird angesprochen sowie eine isolierte Behandlung des Antisemitismus.
Von studentischer Seite wird der Antrag ebenfalls wenig begeistert zur Kenntnis genommen: Der Antrag sei geprägt von »Autoritarismus und analytischem Versagen«, beschwerte sich Bene Laub, Sprecherin der Kampagne Hands Off Student Rights, am Mittwoch gegenüber junge Welt. Eine Externalisierung von Antisemitismus mittels rassistischer Zuschreibungen, wie sie im Antrag von den Fraktionen vorgenommen wird, stehe konträr zum Anspruch, Antisemitismus zu bekämpfen. »Wir verurteilen die vorgenommenen Anstrengungen der oben genannten Parteien, den Kampf gegen Antisemitismus für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, die palästinasolidarische Bewegung mittels rassistischer Narrative zu diskreditieren und ein Klima der Angst und Polarisierung an Universitäten und Schulen zu schaffen«, so die Studentin.
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Fraktionen im Resolutionsfieber
SPD, Grüne, Union und FDP planen Antrag gegen Palästina-Solidarität an Schulen und Hochschulen
Von Annuschka Eckhardt
Mehr Befugnisse für Inlandsgeheimdienst, Polizei und Leitungsebene an Schulen und Universitäten: Sie bekommen den Hals nicht voll im vermeintlichen Kampf gegen Antisemitismus. Die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP planen einen weiteren Antrag, diesmal: »Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern«.
Die Plattform »Frag den Staat« hat den Antrag veröffentlicht. »An Schulen und Hochschulen zeigt sich vermehrt, dass unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung offen antiisraelische, antisemitische und verfassungsfeindliche Äußerungen vorgetragen und Taten begangen werden. (…) Es wird systematisch versucht, ein Klima der Unsicherheit und Angst an Schulen und Hochschulen zu erzeugen und eine antisemitische Deutungshoheit über den Nahostkonflikt zu etablieren«, meinen die Antragssteller zu wissen. Dagegen fordern sie einen ganzen Katalog von Maßnahmen – angefangen bei »Antisemitismusforschung in ihrer Breite weiter zu stärken und bilaterale Forschungskooperationen zu Antisemitismus zu vertiefen«, über »konsequentes Vorgehen gegen antisemitisches Verhalten«, bis dahin einen »engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden zu etablieren und bei Bedarf Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken«.
Vermischung von Antisemitismus und Kritik am israelischen Staat: Aktivitäten von Gruppierungen, die »israelbezogenen Antisemitismus« verbreiten, zu deren Mitteln auch »Boykottaufrufe, Delegitimierung, Desinformation und Dämonisierung des jüdischen Staates« gehören, sollen unterbunden werden. Dazu gehörten Aktivitäten der BDS-Bewegung. »Unterstützerinnen und Unterstützer etwaiger Bewegungen dürfen in deutschen Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen keinen Platz haben«, wird im Antrag gefordert.
Mehr als zwanzig Professoren und Hochschulmitarbeiter haben eine Stellungnahme unterzeichnet, die jW vorliegt. In dieser kritisieren sie unter anderem die Verengung des Wissens zum Nahostkonflikt auf die Geschichte Israels: »Palästinenser*innen kommen als mögliches Thema von Forschungen oder der Wissensvermittlung an Schulen oder Hochschulen nicht vor, sondern werden nur an einer Stelle im Zusammenhang mit dem Terrorismus der Hamas angeführt«, so die Unterzeichner. Auch eine Bedrohung der Diskursoffenheit wird angesprochen sowie eine isolierte Behandlung des Antisemitismus.
Von studentischer Seite wird der Antrag ebenfalls wenig begeistert zur Kenntnis genommen: Der Antrag sei geprägt von »Autoritarismus und analytischem Versagen«, beschwerte sich Bene Laub, Sprecherin der Kampagne Hands Off Student Rights, am Mittwoch gegenüber junge Welt. Eine Externalisierung von Antisemitismus mittels rassistischer Zuschreibungen, wie sie im Antrag von den Fraktionen vorgenommen wird, stehe konträr zum Anspruch, Antisemitismus zu bekämpfen. »Wir verurteilen die vorgenommenen Anstrengungen der oben genannten Parteien, den Kampf gegen Antisemitismus für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, die palästinasolidarische Bewegung mittels rassistischer Narrative zu diskreditieren und ein Klima der Angst und Polarisierung an Universitäten und Schulen zu schaffen«, so die Studentin.
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•NEUER BEITRAG16.11.2024, 01:54 Uhr
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Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front
Jacobin, 11. Nov.:
Mit der Antisemitismus-Resolution schafft sich der Staat eine Schattenverfassung
Die vom Bundestag verabschiedete Antisemitismus-Resolution ist nicht geeignet, um jüdisches Leben zu schützen. Sie ist vor allem dazu geeignet, um den deutschen Staat autoritärer und repressiver zu machen.
Von Andreas Engelmann
Mit den Stimmen von AfD, CDU, CSU, SPD, Grünen hat der Bundestag am 07. November 2024 den Antrag »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« beschlossen. Gegenstimmen gab es lediglich von den Angeordneten des BSW. Sonderlob erhielt der Antrag von Beatrix von Storch (AfD). Storch sah in diesem Entwurf alle Thesen ihrer Partei bestätigt und verwirklicht. Insbesondere die Grünen hätten nun die Vorzüge von Nationalismus und geschlossenen Grenzen erkannt, wie sie in Israel so vorbildlich zu finden seien. Die Linkspartei, die beantragt hatte, den Resolutionstext durch einen alternativen Vorschlag zu ersetzen, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von einer Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern veröffentlicht worden war, enthielt sich der Stimme, nachdem ihr Vorschlag abgelehnt worden war.
Der interfraktionelle Antrag von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP beschreibt, dass die »Entwicklung seit dem 7. Oktober« zu einem Ansteigen von Antisemitismus nicht nur im »rechtsextremen und islamistischen« Milieu geführt habe, sondern auch zur Stärkung eines »israelbezogenen und links-antiimperialistischen« Antisemitismus. »Judenhass und israelbezogener Antisemitismus« befänden sich »auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau«. Um dem entgegenzutreten, fordert der Antrag eine strikte Regulierung bei der Vergabe von staatlichen Mitteln in der Kunst- und Wissenschaftsförderung, repressive Maßnahmen im Ausländer-, Asyl- und Strafrecht und die Festschreibung eines israelbezogenen Antisemitismusbegriffs sowie des »Existenzrechts« Israels.
Die Geschichte neu schreiben
Drei Ebenen sind in der Resolution intrikat miteinander verwoben: Die erste Ebene betrifft eine Revision der deutschen Geschichte und Gegenwart aus der Sicht des Berliner Politapparats. Die Bundesrepublik erhält rückwirkend die Staatszielbestimmung, dass sie zum Schutz jüdischen Lebens für einen eigenen jüdischen Staat auf dem ehemaligen Mandatsgebiet Palästina eintreten soll. Die Neubestimmung der Vergangenheit wäre kaum möglich, wenn die Fraktionen mit Resten von historischem Tatsachenwissen hätten rechnen müssen. Die Alliierten, die sich 1945 im Potsdamer Abkommen auf die »vollständige und endgültige« Entwaffnung Deutschlands verständigt hatten, hatten bei der Gründung der Bundesrepublik 1949 nicht im Entferntesten im Sinn, das Land der Konzentrationslager zur Sicherheitsmacht eines jüdischen Staates zu machen. Die realexistierende Bundesrepublik erkannte Israel erst 1965 als eigenständigen Staat an. Kontrafaktisch wie die Deutung der Vergangenheit ist auch die Deutung der Gegenwart.
Nach einem wortkargen Bekenntnis zur Existenz von rechtem Antisemitismus wird die Ursache für den Anstieg antisemitischer Vorfälle in linken politischen Auffassungen und dem Zuzug aus arabischen Ländern verortet. Das führte zu besagtem Applaus von Frau Storch, und ist auch naheliegend, wenn man, wie der CDU-Abgeordnete Breilmann in der Bundestagsdebatte »israelbezogenen Antisemitismus« für die »häufigste Form« des Antisemitismus hält. Zur Deutung der Wirklichkeit aus deutscher Sicht gehört zuletzt, dass die Geschichte des Konflikts im Nahen Osten für die Resolution am 7. Oktober zugleich beginnt und endet. Kein Tag davor oder danach fand in Antrag oder Bundestagsdebatte überhaupt Erwähnung.
Nach einer Wirklichkeitsdeutung enthält der Antrag auf einer zweiten Ebene definitorische Festlegungen zum »Begriff des Antisemitismus«. Erneut bekennt sich der Bundestag zur Definition der »International Holocaust Remembrance Alliance« und appelliert an alle Hoheitsträger, sie allein für den Kampf gegen Antisemitismus zugrunde zu legen. Unter Vornahme einer beachtlichen Geschichtsklitterung wird Antisemitismus vorrangig in ein Problem mit dem Staat Israel umdefiniert. Nach der IHRA-Definition ist nicht nur jede prinzipielle Ablehnung des zionistischen Siedlungsprojekts, wie sie in der jüdischen Diaspora seit jeher verbreitet ist, »antisemitisch«, sondern die zulässige Kritik an der jeweiligen israelischen Regierung ist auf das Maß begrenzt, das auch gegenüber anderen demokratischen Regierungen geübt wird. Ob Kritik auf nachvollziehbaren Tatsachen und Wertungen basiert, ist kein Kriterium der Definition. Das ermöglicht es deutschen Bürokratinnen, Bürokraten und Stiftungsangestellten, sich bei Meinungsäußerung von – sagen wir – Judith Butler oder Naomi Klein als »Opfer von Antisemitismus« auszugeben, oder es erlaubt Koalitionspartnern von Hubert Aiwanger, jüdische Organisationen wie »Jewish Voice« als »antisemitisch« zu diffamieren.
So vorbereitet entfaltet der Antrag auf einer dritten Ebene Appelle an andere Hoheitsträger, möglichst »repressive« Maßnahmen zu treffen. Nach einer flüchtigen Erwähnung von Gedenkstätten und historisch-politischer Bildung geht der Antrag in die Vollen: Begrüßt werden Vereins- und Betätigungsverbote, eine Verschärfung des Strafrechts, Asylrechts, Aufenthaltsrechts und Staatsangehörigkeitsrecht, repressive Maßnahmen in Schule und Studium bis hin zur Exmatrikulation und die vollständige Entziehung von Haushaltsmitteln für Projekte, die auf Grundlage der IHRA-Definition als »antisemitisch« einzustufen sind oder die sich nicht klar genug zum »Existenzrecht« Israels bekennen. »Länder und Gemeinden« sollen zu diesem Zweck in eigener Regie »rechtssichere Regeln« finden.
Wer sich einmal durch die repressive Wucht der Resolution gearbeitet hat, wird vor allem über die seltsame Abwesenheit eines Regelungsgehalts staunen. Der Bundestag ist die rechtssetzende Gewalt des Bundesstaates. Er hat die verfassungsmäßige Kompetenz, mit normativer Wirkung abstrakt-generelle Regelungen zu erlassen. Seine Aufgabe ist es hingegen nicht, alternative historische Wahrheiten festzulegen oder gesellschaftliche Debatten durch Begriffsfestlegungen abzuschließen. Während der Bundestag also jenseits seiner Kompetenzen eine seltsame Anmaßung an den Tag legt, ist er im Kernbereich seiner Kompetenzen eigentümlich zurückhaltend. Statt normative Anweisungen zu treffen, wendet er sich bescheiden in der Form des Appells an andere Hoheitsträger und fordert sie auf, seine Wirklichkeitsauffassung bei ihrer Beurteilung zugrunde zu legen oder Recht in seinem Sinne zu setzen und anzuwenden. Diese Bescheidenheit hat eine rechtliche Ursache, denn die Zurückhaltung birgt einen entscheidenden Vorteil für die Fraktionen.
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Mit der Antisemitismus-Resolution schafft sich der Staat eine Schattenverfassung
Die vom Bundestag verabschiedete Antisemitismus-Resolution ist nicht geeignet, um jüdisches Leben zu schützen. Sie ist vor allem dazu geeignet, um den deutschen Staat autoritärer und repressiver zu machen.
Von Andreas Engelmann
Mit den Stimmen von AfD, CDU, CSU, SPD, Grünen hat der Bundestag am 07. November 2024 den Antrag »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken« beschlossen. Gegenstimmen gab es lediglich von den Angeordneten des BSW. Sonderlob erhielt der Antrag von Beatrix von Storch (AfD). Storch sah in diesem Entwurf alle Thesen ihrer Partei bestätigt und verwirklicht. Insbesondere die Grünen hätten nun die Vorzüge von Nationalismus und geschlossenen Grenzen erkannt, wie sie in Israel so vorbildlich zu finden seien. Die Linkspartei, die beantragt hatte, den Resolutionstext durch einen alternativen Vorschlag zu ersetzen, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von einer Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern veröffentlicht worden war, enthielt sich der Stimme, nachdem ihr Vorschlag abgelehnt worden war.
Der interfraktionelle Antrag von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP beschreibt, dass die »Entwicklung seit dem 7. Oktober« zu einem Ansteigen von Antisemitismus nicht nur im »rechtsextremen und islamistischen« Milieu geführt habe, sondern auch zur Stärkung eines »israelbezogenen und links-antiimperialistischen« Antisemitismus. »Judenhass und israelbezogener Antisemitismus« befänden sich »auf einem seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Niveau«. Um dem entgegenzutreten, fordert der Antrag eine strikte Regulierung bei der Vergabe von staatlichen Mitteln in der Kunst- und Wissenschaftsförderung, repressive Maßnahmen im Ausländer-, Asyl- und Strafrecht und die Festschreibung eines israelbezogenen Antisemitismusbegriffs sowie des »Existenzrechts« Israels.
Die Geschichte neu schreiben
Drei Ebenen sind in der Resolution intrikat miteinander verwoben: Die erste Ebene betrifft eine Revision der deutschen Geschichte und Gegenwart aus der Sicht des Berliner Politapparats. Die Bundesrepublik erhält rückwirkend die Staatszielbestimmung, dass sie zum Schutz jüdischen Lebens für einen eigenen jüdischen Staat auf dem ehemaligen Mandatsgebiet Palästina eintreten soll. Die Neubestimmung der Vergangenheit wäre kaum möglich, wenn die Fraktionen mit Resten von historischem Tatsachenwissen hätten rechnen müssen. Die Alliierten, die sich 1945 im Potsdamer Abkommen auf die »vollständige und endgültige« Entwaffnung Deutschlands verständigt hatten, hatten bei der Gründung der Bundesrepublik 1949 nicht im Entferntesten im Sinn, das Land der Konzentrationslager zur Sicherheitsmacht eines jüdischen Staates zu machen. Die realexistierende Bundesrepublik erkannte Israel erst 1965 als eigenständigen Staat an. Kontrafaktisch wie die Deutung der Vergangenheit ist auch die Deutung der Gegenwart.
Nach einem wortkargen Bekenntnis zur Existenz von rechtem Antisemitismus wird die Ursache für den Anstieg antisemitischer Vorfälle in linken politischen Auffassungen und dem Zuzug aus arabischen Ländern verortet. Das führte zu besagtem Applaus von Frau Storch, und ist auch naheliegend, wenn man, wie der CDU-Abgeordnete Breilmann in der Bundestagsdebatte »israelbezogenen Antisemitismus« für die »häufigste Form« des Antisemitismus hält. Zur Deutung der Wirklichkeit aus deutscher Sicht gehört zuletzt, dass die Geschichte des Konflikts im Nahen Osten für die Resolution am 7. Oktober zugleich beginnt und endet. Kein Tag davor oder danach fand in Antrag oder Bundestagsdebatte überhaupt Erwähnung.
Nach einer Wirklichkeitsdeutung enthält der Antrag auf einer zweiten Ebene definitorische Festlegungen zum »Begriff des Antisemitismus«. Erneut bekennt sich der Bundestag zur Definition der »International Holocaust Remembrance Alliance« und appelliert an alle Hoheitsträger, sie allein für den Kampf gegen Antisemitismus zugrunde zu legen. Unter Vornahme einer beachtlichen Geschichtsklitterung wird Antisemitismus vorrangig in ein Problem mit dem Staat Israel umdefiniert. Nach der IHRA-Definition ist nicht nur jede prinzipielle Ablehnung des zionistischen Siedlungsprojekts, wie sie in der jüdischen Diaspora seit jeher verbreitet ist, »antisemitisch«, sondern die zulässige Kritik an der jeweiligen israelischen Regierung ist auf das Maß begrenzt, das auch gegenüber anderen demokratischen Regierungen geübt wird. Ob Kritik auf nachvollziehbaren Tatsachen und Wertungen basiert, ist kein Kriterium der Definition. Das ermöglicht es deutschen Bürokratinnen, Bürokraten und Stiftungsangestellten, sich bei Meinungsäußerung von – sagen wir – Judith Butler oder Naomi Klein als »Opfer von Antisemitismus« auszugeben, oder es erlaubt Koalitionspartnern von Hubert Aiwanger, jüdische Organisationen wie »Jewish Voice« als »antisemitisch« zu diffamieren.
So vorbereitet entfaltet der Antrag auf einer dritten Ebene Appelle an andere Hoheitsträger, möglichst »repressive« Maßnahmen zu treffen. Nach einer flüchtigen Erwähnung von Gedenkstätten und historisch-politischer Bildung geht der Antrag in die Vollen: Begrüßt werden Vereins- und Betätigungsverbote, eine Verschärfung des Strafrechts, Asylrechts, Aufenthaltsrechts und Staatsangehörigkeitsrecht, repressive Maßnahmen in Schule und Studium bis hin zur Exmatrikulation und die vollständige Entziehung von Haushaltsmitteln für Projekte, die auf Grundlage der IHRA-Definition als »antisemitisch« einzustufen sind oder die sich nicht klar genug zum »Existenzrecht« Israels bekennen. »Länder und Gemeinden« sollen zu diesem Zweck in eigener Regie »rechtssichere Regeln« finden.
Wer sich einmal durch die repressive Wucht der Resolution gearbeitet hat, wird vor allem über die seltsame Abwesenheit eines Regelungsgehalts staunen. Der Bundestag ist die rechtssetzende Gewalt des Bundesstaates. Er hat die verfassungsmäßige Kompetenz, mit normativer Wirkung abstrakt-generelle Regelungen zu erlassen. Seine Aufgabe ist es hingegen nicht, alternative historische Wahrheiten festzulegen oder gesellschaftliche Debatten durch Begriffsfestlegungen abzuschließen. Während der Bundestag also jenseits seiner Kompetenzen eine seltsame Anmaßung an den Tag legt, ist er im Kernbereich seiner Kompetenzen eigentümlich zurückhaltend. Statt normative Anweisungen zu treffen, wendet er sich bescheiden in der Form des Appells an andere Hoheitsträger und fordert sie auf, seine Wirklichkeitsauffassung bei ihrer Beurteilung zugrunde zu legen oder Recht in seinem Sinne zu setzen und anzuwenden. Diese Bescheidenheit hat eine rechtliche Ursache, denn die Zurückhaltung birgt einen entscheidenden Vorteil für die Fraktionen.
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•NEUER BEITRAG16.11.2024, 01:57 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
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Souverän ist, wer über den Antisemitismusvorwurf entscheidet
Dass der Bundestag überhaupt Resolutionen beschließen darf, wird staatsrechtlich damit begründet, dass er als Staatsorgan an der politischen Willensbildung beteiligt ist. Wenn er schon eine zwingende Regelung fassen könne, dann müsse es ihm auch offenstehen, seine Auffassung nur zu äußern. Dieses Argument ist aber weit weniger selbstverständlich, als es auf den ersten Blick aussehen mag. Denn wenn der Bundestag seine Auffassung zur historischen Wirklichkeit äußert, Definitionen in gesellschaftlichen Streitfragen festlegt und andere Staatsorgane dazu aufruft, im Sinne gefasster Beschlüsse zu handeln, hat das faktische Auswirkungen auf die Bedingungen des Freiheitsgebrauchs von Grundrechtsträgern. Gleichzeitig werden Resolutionen nahezu uni sono als sowohl für Hoheitsträger wie Staatsbürger unverbindlich angesehen.
Das bedeutet, dass der Bundestag im Resolutionstext Festlegungen treffen kann, die sich auf das Leben der Menschen auswirken, gegen die es aber kein Rechtsmittel gibt. Wie die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in einer Erklärung zu einem früheren Entwurf des Antrags beschreibt, hat sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in Hinblick auf eine Bundestagsresolution zum BDS-Verbot mit der Begründung als unzuständig erklärt, dass es sich um eine »verfassungsrechtliche Streitigkeit« handle. Der Verwaltungsrechtsweg war den Betroffenen damit versperrt. Aber auch der Weg vor die Verfassungsgerichte war nicht eröffnet. Denn eine Verfassungsbeschwerde erfordert, dass die Beschwerdeführerin durch den angegriffenen Rechtsakt »unmittelbar und gegenwärtig betroffen« ist. Eine unmittelbare Betroffenheit kommt bei einer Resolution aber nicht in Frage, da es zur Verletzung von Grundrechten eines weiteren Umsetzungsakts bedarf. Die Konsequenz daraus ist, dass sich Resolutionen unabhängig von ihrem Inhalt der rechtlichen Kontrolle entziehen. Gleichzeitig bauen sie ihrem Inhalt nach darauf, dass Hoheitsträger sie für ihre Entscheidungen heranziehen und sich Grundrechtsträger in vorauseilendem Gehorsam an ihrem Inhalt orientieren werden.
Die Zurückhaltung des Bundestages hat genau darin ihren Grund. Den Autorinnen und Autoren des Entwurfs war bewusst, dass es rechtlich nicht zulässig ist, die Unterstützung des zionistischen Siedlungsprojekts zum Sachkriterium für die Förderung eines Theaterprojekt für Jugendliche mit besonderen Bedarfen oder die Förderung der Forschung an Schwerionen zu machen. Um einen Inhalt in die Welt zu setzen, der einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten würde, musste sich der Bundestag einer Form bedienen, die nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. So kann er – wie bereits in früheren Resolutionen – seine Deutungshoheit in Sachen Antisemitismus mit ihrer Fixierung auf kritische Bezugnahmen auf Israel aufrechterhalten, ohne – wie die Stadt München – Gefahr zu laufen, dass ihm das um die Ohren fliegt. Denn als die Stadt München auf eine frühere unverbindliche Bundestagsresolution Taten folgen ließ und eine Veranstaltung mit dem Thema BDS-Sanktionen in ihren Räumen unterbinden wollte, erklärten ihr Bundesverwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof zutreffend, dass dies unter der Geltung des Grundgesetzes unzulässig sei. Die Programmatik der Fraktionen ist also nur möglich, wenn sie in einem Schattenbereich operiert, der nicht auf seine Kompatibilität mit dem Grundgesetz überprüft werden kann.
Das erklärt, warum sich das Parlament so skrupulös um normative Anweisungen gewunden hat. Souverän ist in der Bundesrepublik, wer entscheidet, wann etwas antisemitisch ist, und damit den Rahmen von legitimen und illegitimen Positionen einseitig bestimmen kann. Diese Souveränität hat der Bundestag, indem er eine Form findet, die sich der gerichtlichen Kontrolle entzieht.
Die Bürgerrechtsbewegung zieht ins letzte Gefecht
Der Resolutionsentwurf hat eine Ablehnung entzündet, die über die üblichen Protestnoten von linksgerichteten Organisationen hinausging. Seit der Entwurf durchgesteckt wurde, ist das Thema in Stellungnahmen und Artikeln aufgegriffen worden. Im Vergleich zu anderen Grundrechtseinschränkungen gab es geradezu eine Flut von Beiträgen und eine breite, kritische Aufarbeitung selbst großer Medien. Allein in der Woche der Verabschiedung berichtete kritisch unter anderem die FAZ, der Deutschlandfunk, die tagesschau, dw, taz, LTO und sogar Die Welt. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung machten Wissenschaftlerinnen und Juristen unterschiedlicher politischer Couleur einen alternativen Resolutionsvorschlag, wie Jüdisches Leben in Deutschland gestärkt werden könnte und vermieden dabei sowohl die IHRA-Definition wie die Betonung repressiver Maßnahmen. Am 6. November 2024 hielten vier Wissenschaftlerinnen und Juristen eine Pressekonferenz in Berlin. Es hatte, verglichen mit der Lethargie der letzten Jahre, den Anschein eines Aufbäumens. Die ehemalige Bundesjustizministern Herta Däubler-Gmelin schrieb einen offenen Brief an SPD-Fraktion und Öffentlichkeit, in der sie die Resolution energisch kritisierte, und die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer unterstützte eine Stellungnahme von hunderten Wissenschaftlerinnen und Künstlern, die die Bedenken gegen den Entwurf ein weiteres Mal ausführte.
Die geäußerten Bedenken betrafen im Wesentlichen zwei Aspekte: Erstens die hoheitliche Festlegung eines Antisemitismusbegriffs und zweitens die Repressionsgefahr infolge der Uneindeutigkeit der Resolution. Prominent wurde vorgetragen, dass der Begriff des Antisemitismus der wissenschaftlichen Ausdeutung unterliege und nicht hoheitlich fixiert werden könne. Nicht der Staat dürfe für Kunst und Wissenschaft entscheiden, was Antisemitismus ist, der Prozess der Erkenntnisbildung müsse offen bleiben. Die vorgeschlagene Festlegung führe insbesondere deswegen zu einer Repressionsgefahr, weil sich Hoheitsträger infolge der Uneindeutigkeit der IHRA-Definition berufen fühlen könnten, jede Kritik an Israel als negatives Kriterium für eine Förderungen oder als Anlass für sonstige Sanktionsmaßnahmen heranzuziehen. Das lasse befürchten, dass das Thema Nahost oder Personen, die sich damit auseinandersetzen, insgesamt gemieden würden, was die Meinungsfreiheit beschränke und die Zusammenarbeit mit regierungskritischen jüdischen Initiativen in Israel gefährde. Kronzeuge für diese Kritik ist einer der Autoren der IHRA-Definition, der US-amerikanische Rechtsanwalt Kenneth Stern, der in einer Anhörung vor dem US-Kongress erklärte, die IHRA-Definition »sei nicht verfasst worden, und hatte nie die Absicht, Meinungsäußerungen auf Uni-Campus ins Visier zu nehmen oder abzuschrecken«. Eine Gruppe von (Rechts-)Wissenschaftlern hatte bereits im vergangenen Jahr ausführlich dargestellt, das sie sich insbesondere nicht für rechtliche Sanktionsdrohungen eignet.
Dass diese Sorgen berechtigt sind, belegen Raumnutzungsverbote für Veranstaltungen oder Festnahmen wegen vermeintlich verbotener Plakatsprüche. Sie taugen aber nicht als Kritik an der Resolution. Denn genau das ist ihre Absicht – wer daran noch Zweifel hatte, könnte sich in der Bundestagsdebatte eines Besseren belehren. Deshalb wäre man auf dem Holzweg, wenn man die Resolution nach brauchbaren Ansatzpunkten für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland durchsuchen wollte. Wenn es darum ginge, zu verhindern, dass »Stolpersteine ausgegraben und Gedenkbäume zerstört« werden, wie Simone Koß (SPD) in der Bundestagsdebatte sagte, wäre unerklärlich, wie die Regulierung von Förderanträgen oder Raumvergaben das bewirken soll. Stattdessen muss die Resolution in den Punkten ernst genommen werden, die sie ausdrücklich sagt oder ausdrücklich nicht sagt: Als antisemitischer Vorfall wird der gemeinsame Auftritt eines jüdisch-israelischen und eines palästinensischen Regisseurs genannt, bei dem sie das Kriegshandeln Israels kritisierten. Keine Erwähnung findet der rechte Terrorangriff auf eine Synagoge in Halle, wo es nur durch Zufall nicht zu einem Blutbad kam.
Der Antrag adressiert linksgerichteten und internationalistischen Protest gegen das Handeln Israels. Die ideelle und finanzielle Unterstützung Israels durch die Bundesrepublik soll nicht mit den Begriffen der Besatzung, Apartheid oder mit Kriegsverbrechen belastet werden. Da dieses Ziel normativ nicht realisiert werden kann – im Wege stehen unter anderem Meinungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit – muss der Resolutionsweg beschritten werden. Unsicherheit ist dafür ein nützliches Mittel, denn das Signal, das die Bürgerrechtsbewegung über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus ja auch verstanden hat, lautet: Finger weg, sonst knallt’s.
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Souverän ist, wer über den Antisemitismusvorwurf entscheidet
Dass der Bundestag überhaupt Resolutionen beschließen darf, wird staatsrechtlich damit begründet, dass er als Staatsorgan an der politischen Willensbildung beteiligt ist. Wenn er schon eine zwingende Regelung fassen könne, dann müsse es ihm auch offenstehen, seine Auffassung nur zu äußern. Dieses Argument ist aber weit weniger selbstverständlich, als es auf den ersten Blick aussehen mag. Denn wenn der Bundestag seine Auffassung zur historischen Wirklichkeit äußert, Definitionen in gesellschaftlichen Streitfragen festlegt und andere Staatsorgane dazu aufruft, im Sinne gefasster Beschlüsse zu handeln, hat das faktische Auswirkungen auf die Bedingungen des Freiheitsgebrauchs von Grundrechtsträgern. Gleichzeitig werden Resolutionen nahezu uni sono als sowohl für Hoheitsträger wie Staatsbürger unverbindlich angesehen.
Das bedeutet, dass der Bundestag im Resolutionstext Festlegungen treffen kann, die sich auf das Leben der Menschen auswirken, gegen die es aber kein Rechtsmittel gibt. Wie die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen in einer Erklärung zu einem früheren Entwurf des Antrags beschreibt, hat sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in Hinblick auf eine Bundestagsresolution zum BDS-Verbot mit der Begründung als unzuständig erklärt, dass es sich um eine »verfassungsrechtliche Streitigkeit« handle. Der Verwaltungsrechtsweg war den Betroffenen damit versperrt. Aber auch der Weg vor die Verfassungsgerichte war nicht eröffnet. Denn eine Verfassungsbeschwerde erfordert, dass die Beschwerdeführerin durch den angegriffenen Rechtsakt »unmittelbar und gegenwärtig betroffen« ist. Eine unmittelbare Betroffenheit kommt bei einer Resolution aber nicht in Frage, da es zur Verletzung von Grundrechten eines weiteren Umsetzungsakts bedarf. Die Konsequenz daraus ist, dass sich Resolutionen unabhängig von ihrem Inhalt der rechtlichen Kontrolle entziehen. Gleichzeitig bauen sie ihrem Inhalt nach darauf, dass Hoheitsträger sie für ihre Entscheidungen heranziehen und sich Grundrechtsträger in vorauseilendem Gehorsam an ihrem Inhalt orientieren werden.
Die Zurückhaltung des Bundestages hat genau darin ihren Grund. Den Autorinnen und Autoren des Entwurfs war bewusst, dass es rechtlich nicht zulässig ist, die Unterstützung des zionistischen Siedlungsprojekts zum Sachkriterium für die Förderung eines Theaterprojekt für Jugendliche mit besonderen Bedarfen oder die Förderung der Forschung an Schwerionen zu machen. Um einen Inhalt in die Welt zu setzen, der einer gerichtlichen Prüfung nicht standhalten würde, musste sich der Bundestag einer Form bedienen, die nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. So kann er – wie bereits in früheren Resolutionen – seine Deutungshoheit in Sachen Antisemitismus mit ihrer Fixierung auf kritische Bezugnahmen auf Israel aufrechterhalten, ohne – wie die Stadt München – Gefahr zu laufen, dass ihm das um die Ohren fliegt. Denn als die Stadt München auf eine frühere unverbindliche Bundestagsresolution Taten folgen ließ und eine Veranstaltung mit dem Thema BDS-Sanktionen in ihren Räumen unterbinden wollte, erklärten ihr Bundesverwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof zutreffend, dass dies unter der Geltung des Grundgesetzes unzulässig sei. Die Programmatik der Fraktionen ist also nur möglich, wenn sie in einem Schattenbereich operiert, der nicht auf seine Kompatibilität mit dem Grundgesetz überprüft werden kann.
Das erklärt, warum sich das Parlament so skrupulös um normative Anweisungen gewunden hat. Souverän ist in der Bundesrepublik, wer entscheidet, wann etwas antisemitisch ist, und damit den Rahmen von legitimen und illegitimen Positionen einseitig bestimmen kann. Diese Souveränität hat der Bundestag, indem er eine Form findet, die sich der gerichtlichen Kontrolle entzieht.
Die Bürgerrechtsbewegung zieht ins letzte Gefecht
Der Resolutionsentwurf hat eine Ablehnung entzündet, die über die üblichen Protestnoten von linksgerichteten Organisationen hinausging. Seit der Entwurf durchgesteckt wurde, ist das Thema in Stellungnahmen und Artikeln aufgegriffen worden. Im Vergleich zu anderen Grundrechtseinschränkungen gab es geradezu eine Flut von Beiträgen und eine breite, kritische Aufarbeitung selbst großer Medien. Allein in der Woche der Verabschiedung berichtete kritisch unter anderem die FAZ, der Deutschlandfunk, die tagesschau, dw, taz, LTO und sogar Die Welt. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung machten Wissenschaftlerinnen und Juristen unterschiedlicher politischer Couleur einen alternativen Resolutionsvorschlag, wie Jüdisches Leben in Deutschland gestärkt werden könnte und vermieden dabei sowohl die IHRA-Definition wie die Betonung repressiver Maßnahmen. Am 6. November 2024 hielten vier Wissenschaftlerinnen und Juristen eine Pressekonferenz in Berlin. Es hatte, verglichen mit der Lethargie der letzten Jahre, den Anschein eines Aufbäumens. Die ehemalige Bundesjustizministern Herta Däubler-Gmelin schrieb einen offenen Brief an SPD-Fraktion und Öffentlichkeit, in der sie die Resolution energisch kritisierte, und die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer unterstützte eine Stellungnahme von hunderten Wissenschaftlerinnen und Künstlern, die die Bedenken gegen den Entwurf ein weiteres Mal ausführte.
Die geäußerten Bedenken betrafen im Wesentlichen zwei Aspekte: Erstens die hoheitliche Festlegung eines Antisemitismusbegriffs und zweitens die Repressionsgefahr infolge der Uneindeutigkeit der Resolution. Prominent wurde vorgetragen, dass der Begriff des Antisemitismus der wissenschaftlichen Ausdeutung unterliege und nicht hoheitlich fixiert werden könne. Nicht der Staat dürfe für Kunst und Wissenschaft entscheiden, was Antisemitismus ist, der Prozess der Erkenntnisbildung müsse offen bleiben. Die vorgeschlagene Festlegung führe insbesondere deswegen zu einer Repressionsgefahr, weil sich Hoheitsträger infolge der Uneindeutigkeit der IHRA-Definition berufen fühlen könnten, jede Kritik an Israel als negatives Kriterium für eine Förderungen oder als Anlass für sonstige Sanktionsmaßnahmen heranzuziehen. Das lasse befürchten, dass das Thema Nahost oder Personen, die sich damit auseinandersetzen, insgesamt gemieden würden, was die Meinungsfreiheit beschränke und die Zusammenarbeit mit regierungskritischen jüdischen Initiativen in Israel gefährde. Kronzeuge für diese Kritik ist einer der Autoren der IHRA-Definition, der US-amerikanische Rechtsanwalt Kenneth Stern, der in einer Anhörung vor dem US-Kongress erklärte, die IHRA-Definition »sei nicht verfasst worden, und hatte nie die Absicht, Meinungsäußerungen auf Uni-Campus ins Visier zu nehmen oder abzuschrecken«. Eine Gruppe von (Rechts-)Wissenschaftlern hatte bereits im vergangenen Jahr ausführlich dargestellt, das sie sich insbesondere nicht für rechtliche Sanktionsdrohungen eignet.
Dass diese Sorgen berechtigt sind, belegen Raumnutzungsverbote für Veranstaltungen oder Festnahmen wegen vermeintlich verbotener Plakatsprüche. Sie taugen aber nicht als Kritik an der Resolution. Denn genau das ist ihre Absicht – wer daran noch Zweifel hatte, könnte sich in der Bundestagsdebatte eines Besseren belehren. Deshalb wäre man auf dem Holzweg, wenn man die Resolution nach brauchbaren Ansatzpunkten für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland durchsuchen wollte. Wenn es darum ginge, zu verhindern, dass »Stolpersteine ausgegraben und Gedenkbäume zerstört« werden, wie Simone Koß (SPD) in der Bundestagsdebatte sagte, wäre unerklärlich, wie die Regulierung von Förderanträgen oder Raumvergaben das bewirken soll. Stattdessen muss die Resolution in den Punkten ernst genommen werden, die sie ausdrücklich sagt oder ausdrücklich nicht sagt: Als antisemitischer Vorfall wird der gemeinsame Auftritt eines jüdisch-israelischen und eines palästinensischen Regisseurs genannt, bei dem sie das Kriegshandeln Israels kritisierten. Keine Erwähnung findet der rechte Terrorangriff auf eine Synagoge in Halle, wo es nur durch Zufall nicht zu einem Blutbad kam.
Der Antrag adressiert linksgerichteten und internationalistischen Protest gegen das Handeln Israels. Die ideelle und finanzielle Unterstützung Israels durch die Bundesrepublik soll nicht mit den Begriffen der Besatzung, Apartheid oder mit Kriegsverbrechen belastet werden. Da dieses Ziel normativ nicht realisiert werden kann – im Wege stehen unter anderem Meinungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit – muss der Resolutionsweg beschritten werden. Unsicherheit ist dafür ein nützliches Mittel, denn das Signal, das die Bürgerrechtsbewegung über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus ja auch verstanden hat, lautet: Finger weg, sonst knallt’s.
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Die Fraktionen schreiben eine Schattenverfassung
Dies eingepreist, ist der überwältigende Protest gegen die Resolution trotzdem nicht selbstverständlich. Die Zeit des energischen Widerstands, der standhaften Verteidigung von bürgerrechtlichem Terrain, schien sich dem Ende zu neigen. Zur IHRA-Definition hatte sich das Parlament bereits bekannt, die BDS-Bewegung sollte bereits durch eine frühere Resolution vom öffentlichen Leben ausgeschlossen worden. Trotz der indirekten Beeinflussung – verbindlich ist die Resolution nicht und gegenüber individuellen Rechtsverletzungen bleibt der Rechtsweg bestehen.
Der Widerstand gegen die Resolution geht jedoch über den konkreten Anlass hinaus: Das grundsätzliche rechtsstaatliche Gefüge scheint in Schieflage geraten zu sein. Bei allen Gewöhnungseffekten bleibt ein Unwohlsein bei täglich neuen Aufnahmen von Polizeigewalt gegen Demonstrierende, Festnahmen für das Zeigen von Plakaten, Foltervorwürfen in bayerischen Gefängnissen, dem Höchststand von Todesschüssen durch Polizisten, der Ausdehnung von polizeilichen Kontrollkompetenzen durch das sogenannte Sicherheitspaket, umfassende private und staatliche Überwachung, die Aufhebung von rechtsstaatlichen Schutzmechanismen für Asylsuchende durch Umsetzung der Reform des GEAS oder die Wiedereinführung von Grenzkontrollen.
Der Abbau von Freiheitsräumen analog und digital, eine Sicherheitsfixierung unter Aushöhlung des Rechtsstaats und die permanente digitale Nachvollziehbarkeit von Äußerungen, Meinungen und Gesinnungen verstärkten sich schrittweise, gingen aber zumindest in bürgerrechtlichen Milieus nie ohne Rest in eine neue Normalität über. Hatte man im Zuge der Pandemie noch weitestgehend klaglos akzeptiert, dass die Regierenden sich die Disposition über die Grundrechte angemaßt hatten – das Versammlungsrecht sei auch durch Komplettverbote nicht verletzt, weil man in Zukunft wieder demonstrieren dürfe –, ist die Disposition der Regierenden über die Freiheiten und Grundrechte ohne schützenden Ausnahmezustand weniger erträglich.
Die Resolution steht dafür pars pro toto. Sie manifestiert eine Gleichgültigkeit gegen Recht und Verfassung, indem das Parlament repressive Maßnahmen einfordert, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. Wo Gerichte festgestellt haben, dass die BDS-Resolution aus Verfassungsgründen keine Grundlage für den Ausschluss einer Veranstaltung sein kann, da »bekräftigt« die Resolution den alten BDS-Beschluss, als wäre nichts geschehen. Es ist diese Anmaßung, die den Protest belebte.
Indem sich die Resolution der rechtlichen Kontrolle entzieht, arbeitet sie daran, die formelle Verfassung durch einen alternativen Text zu ersetzen. Die Etablierung einer Schattenverfassung vollzieht sich unter dem Begriff der Staatsräson. Der Bundesrepublik werden Zwecke zugeschrieben, die nicht im Grundgesetz zu finden sind, die aber die Grenzen des politischen Spiels markieren sollen. Annalena Baerbock brachte das am 10. Oktober 2024 im Bundestag vorbildlich zum Ausdruck: »Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson, unabhängig davon, wer Deutschland regiert, unabhängig davon, wer Außenpolitik macht.« Problematisch ist daran nicht, dass sich die Regierung für die Sicherheit Israels einsetzen möchte – das ist ihre politische Entscheidung. Das Problem liegt darin, politische Fragen unabhängig davon machen zu wollen, »wer Deutschland regiert« und sie damit der Entscheidung des formal souveränen Wahlvolks zu entziehen.
Der Begriff der Staatsräson ist für dieses Bestreben nicht unzutreffend gewählt, steht er doch für genau diejenigen Interessen der Regierenden, die so wichtig sind, dass sie sich gegen Recht und Moral oder den Mehrheitswillen durchsetzen sollen. Eine Staatsräson in Einklang mit Recht und Verfassung ist unnötig. Sie wird dort benötigt, wo es um eine Vorrangentscheidung geht. In dem Begriff artikuliert sich, dass die rechtsstaatlichen Verfahren ausgesetzt werden können, wenn es um höhere Ziele geht. Die Schattenverfassung der Staatsräson soll den Bestand an Regeln erweitern, die dem politischen Spiel entzogen sind. Diese im Grundgesetz festgelegten Regeln – Menschenwürde und Demokratieprinzip – sind als absolute Ausnahmen aber nicht erweiterungsfähig. Der Versuch, über den Begriff der Staatsräson politischen Forderungen in einen Rang noch über der Verfassung zu verhelfen, ist de facto ein Angriff auf die bestehende Verfassung.
Die Zivilgesellschaft scheint das intuitiv begriffen zu haben. Die Vertreter der Staatsräson haben das Kräftemessen angenommen und in einer breiten Koalition für die Etablierung einer Schattenverfassung gestimmt. Vielleicht werden die Gerichte einige Ausreißer – besonders gravierende Fälle der Einschränkung von Grundrechten – einfangen. Vielfach wird es diese Kontrolle nicht geben oder sie wird leerlaufen. Das Aufbäumen der Regierten war den Regierenden am Ende egal. Die Resolution mag als Erinnerung an eine Gewissheit dienen, die Sozialistinnen und Sozialisten ohnehin nicht vergessen sollten, nämlich dass Freiheit und Recht im Kapitalismus gegen den Staat erkämpft werden müssen.
Andreas Engelmann ist Professor für Rechtswissenschaft an der University of Labour und Bundessekretär der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ).
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Die Fraktionen schreiben eine Schattenverfassung
Dies eingepreist, ist der überwältigende Protest gegen die Resolution trotzdem nicht selbstverständlich. Die Zeit des energischen Widerstands, der standhaften Verteidigung von bürgerrechtlichem Terrain, schien sich dem Ende zu neigen. Zur IHRA-Definition hatte sich das Parlament bereits bekannt, die BDS-Bewegung sollte bereits durch eine frühere Resolution vom öffentlichen Leben ausgeschlossen worden. Trotz der indirekten Beeinflussung – verbindlich ist die Resolution nicht und gegenüber individuellen Rechtsverletzungen bleibt der Rechtsweg bestehen.
Der Widerstand gegen die Resolution geht jedoch über den konkreten Anlass hinaus: Das grundsätzliche rechtsstaatliche Gefüge scheint in Schieflage geraten zu sein. Bei allen Gewöhnungseffekten bleibt ein Unwohlsein bei täglich neuen Aufnahmen von Polizeigewalt gegen Demonstrierende, Festnahmen für das Zeigen von Plakaten, Foltervorwürfen in bayerischen Gefängnissen, dem Höchststand von Todesschüssen durch Polizisten, der Ausdehnung von polizeilichen Kontrollkompetenzen durch das sogenannte Sicherheitspaket, umfassende private und staatliche Überwachung, die Aufhebung von rechtsstaatlichen Schutzmechanismen für Asylsuchende durch Umsetzung der Reform des GEAS oder die Wiedereinführung von Grenzkontrollen.
Der Abbau von Freiheitsräumen analog und digital, eine Sicherheitsfixierung unter Aushöhlung des Rechtsstaats und die permanente digitale Nachvollziehbarkeit von Äußerungen, Meinungen und Gesinnungen verstärkten sich schrittweise, gingen aber zumindest in bürgerrechtlichen Milieus nie ohne Rest in eine neue Normalität über. Hatte man im Zuge der Pandemie noch weitestgehend klaglos akzeptiert, dass die Regierenden sich die Disposition über die Grundrechte angemaßt hatten – das Versammlungsrecht sei auch durch Komplettverbote nicht verletzt, weil man in Zukunft wieder demonstrieren dürfe –, ist die Disposition der Regierenden über die Freiheiten und Grundrechte ohne schützenden Ausnahmezustand weniger erträglich.
Die Resolution steht dafür pars pro toto. Sie manifestiert eine Gleichgültigkeit gegen Recht und Verfassung, indem das Parlament repressive Maßnahmen einfordert, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. Wo Gerichte festgestellt haben, dass die BDS-Resolution aus Verfassungsgründen keine Grundlage für den Ausschluss einer Veranstaltung sein kann, da »bekräftigt« die Resolution den alten BDS-Beschluss, als wäre nichts geschehen. Es ist diese Anmaßung, die den Protest belebte.
Indem sich die Resolution der rechtlichen Kontrolle entzieht, arbeitet sie daran, die formelle Verfassung durch einen alternativen Text zu ersetzen. Die Etablierung einer Schattenverfassung vollzieht sich unter dem Begriff der Staatsräson. Der Bundesrepublik werden Zwecke zugeschrieben, die nicht im Grundgesetz zu finden sind, die aber die Grenzen des politischen Spiels markieren sollen. Annalena Baerbock brachte das am 10. Oktober 2024 im Bundestag vorbildlich zum Ausdruck: »Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson, unabhängig davon, wer Deutschland regiert, unabhängig davon, wer Außenpolitik macht.« Problematisch ist daran nicht, dass sich die Regierung für die Sicherheit Israels einsetzen möchte – das ist ihre politische Entscheidung. Das Problem liegt darin, politische Fragen unabhängig davon machen zu wollen, »wer Deutschland regiert« und sie damit der Entscheidung des formal souveränen Wahlvolks zu entziehen.
Der Begriff der Staatsräson ist für dieses Bestreben nicht unzutreffend gewählt, steht er doch für genau diejenigen Interessen der Regierenden, die so wichtig sind, dass sie sich gegen Recht und Moral oder den Mehrheitswillen durchsetzen sollen. Eine Staatsräson in Einklang mit Recht und Verfassung ist unnötig. Sie wird dort benötigt, wo es um eine Vorrangentscheidung geht. In dem Begriff artikuliert sich, dass die rechtsstaatlichen Verfahren ausgesetzt werden können, wenn es um höhere Ziele geht. Die Schattenverfassung der Staatsräson soll den Bestand an Regeln erweitern, die dem politischen Spiel entzogen sind. Diese im Grundgesetz festgelegten Regeln – Menschenwürde und Demokratieprinzip – sind als absolute Ausnahmen aber nicht erweiterungsfähig. Der Versuch, über den Begriff der Staatsräson politischen Forderungen in einen Rang noch über der Verfassung zu verhelfen, ist de facto ein Angriff auf die bestehende Verfassung.
Die Zivilgesellschaft scheint das intuitiv begriffen zu haben. Die Vertreter der Staatsräson haben das Kräftemessen angenommen und in einer breiten Koalition für die Etablierung einer Schattenverfassung gestimmt. Vielleicht werden die Gerichte einige Ausreißer – besonders gravierende Fälle der Einschränkung von Grundrechten – einfangen. Vielfach wird es diese Kontrolle nicht geben oder sie wird leerlaufen. Das Aufbäumen der Regierten war den Regierenden am Ende egal. Die Resolution mag als Erinnerung an eine Gewissheit dienen, die Sozialistinnen und Sozialisten ohnehin nicht vergessen sollten, nämlich dass Freiheit und Recht im Kapitalismus gegen den Staat erkämpft werden müssen.
Andreas Engelmann ist Professor für Rechtswissenschaft an der University of Labour und Bundessekretär der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ).
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•NEUER BEITRAG21.11.2024, 16:59 Uhr
EDIT: FPeregrin
21.11.2024, 17:01 Uhr
21.11.2024, 17:01 Uhr
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Dt. Imp. an der inneren Nahost-Front
jW gestern:
Autoritär und undemokratisch
Die Regierung und eine Mehrheit des Bundestags argumentieren beim Kampf gegen Antisemitismus mit der Staatsräson. Das Konzept ist juristisch problematisch
Von Spyro Marasovic
Es ist der 17. August 2024. An diesem Tag soll in Leipzig der Christopher Street Day stattfinden. Die rechtsextreme Szene hat überregional mobilisiert. Angekündigt ist eine Gegendemonstration unter dem Motto »Stolz, deutsch, national«. Im Laufe des Vormittags versammeln sich ungefähr 350 Leute an der Westseite des Leipziger Hauptbahnhofs. Rechtsextreme Parolen werden skandiert, verbotene Symbole gezeigt. Gegen Mittag wird die Versammlung nach Rücksprache mit der Polizei abgesagt. Obwohl die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Versammlung nicht zu überhören bzw. zu übersehen ist – über Social Media werden Videos verbreitet, die dokumentieren, wie einzelne Teilnehmer ungestört den Hitlergruß zeigen –, handelt die Polizei zögerlich.
Parallel findet in Berlin eine propalästinensische Demonstration statt, zu der unter anderem die Gruppe »Palästina spricht« aufgerufen hat. Während der Demonstration kommt es zu Ausschreitungen, Flaschen und Eier fliegen. Im Anschluss kursieren Videos im Internet, die zeigen, wie mehrere Polizeibeamte einen am Boden fixierten Jugendlichen mit Schlägen traktieren und ein Polizist eine Frau von hinten brutal zu Boden stößt.
Diese Übergriffe sind keine Einzelfälle. Seit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 kommt es bei Demonstrationen, die das Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen kritisieren, vermehrt zu Ausschreitungen wie diesen. Sie sind nicht selten das Ergebnis des brutalen Vorgehens der Polizei gegen Demonstrantinnen und Demonstranten.¹ Was im Ausland zunehmend auf Kritik stößt, interessiert hierzulande aber kaum jemanden.
Im Interesse des Staates
Das brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten ist für Menschen, die schon mal auf einer linken Demonstration waren, zwar keine Überraschung. Es greift jedoch zu kurz, die Repression nicht auch als sehr konkrete Folge staatlicher Politik zu begreifen. Bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Israel formulierte dieser, dass die »Sicherheit Israels deutsche Staatsräson« sei. Dies gelte für die außenpolitische Unterstützung Israels wie auch für die deutsche Innen- und Sicherheitspolitik mit Blick auf den Schutz jüdischen Lebens sowie den Umgang mit »israelfeindlichen« Demonstrationen. Doch was meint Scholz damit? Dass Deutschland eine rechtliche Verpflichtung zur Israel-Solidarität habe? Oder dient die Aussage einfach nur dazu, eine bestimmte Politik zu forcieren?
Der Begriff »Staatsräson« wurde in den vergangenen Jahrzehnten nur zögerlich verwendet. Dunkel erinnert man sich noch an die Rede, die Angela Merkel 2008 in der Knesset in Jerusalem hielt. Mit Blick auf den Holocaust äußerte Merkel: »Die historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes.« Scholz greift den Begriff nun auf und beschreibt damit eine ganz konkrete Politik: die der Israel-Solidarität. Deutschland ist, will das heißen, im Konflikt um die Besatzung und die Unabhängigkeit Palästinas nicht neutral, sondern steht auf der Seite Israels, und dies findet innen- wie außenpolitisch seinen Ausdruck.
Wenn die Bundesregierung sich auf den Begriff der Staatsräson zur Begründung politischer Maßnahmen bezieht, dann wendet sie die Staatsrechtslehre Machiavellis (1469–1527) an. Der Philosoph und Politiker des frühen 16. Jahrhunderts sah den Staat nicht als Resultat gesellschaftlicher Machtverhältnisse oder gar Klassenkämpfe an, sondern als ein über der Gesellschaft stehendes Wesen, das über den Wechsel politischer Verhältnisse hinaus Bestandskraft habe. Nach Machiavelli verfügt der Staat als Wesen an sich über ureigene Interessen und Ziele, die, wenn sie in Konflikt mit Moral, Religion und dem formalen Recht geraten, den Vorrang haben. Eine politische Maßnahme darf also auch dann vorgenommen werden, wenn sie rechtswidrig ist, solange sie dem ureigenen Staatsinteresse dient. Auf dieser Grundlage wurde schon zu Zeiten Machiavellis die Ermordung von Kriegsgefangenen diskutiert, die zwar als »unchristlich« galt, aber durch die »Staatsräson« legitimiert wurde.
Laut der Rechtswissenschaftlerin Marietta Auer ist »Staatsräson« ein offener, unbestimmter Begriff, eine sogenannte Generalklausel. Als Generalklausel bezeichnet man in der Rechtswissenschaft Normen, deren Tatbestand besonders weitgefasst ist und unter die man sehr viele Handlungen subsumieren kann. Dabei unterscheidet sich die Staatsräson je nach Geschichte des jeweiligen Staates und muss von den Regierenden ausgedeutet werden.
Dabei ist die Diskussion um die Staatsräson längst keine politische Debatte mehr um die Frage der Solidarität mit Israel, sondern auch eine Debatte, in der ausgehandelt wird, wie Herrschaft in Demokratien funktioniert. Wie lassen sich Regierungen überhaupt noch überprüfen, wenn deren Handeln nicht mehr durch Recht und Gesetz legitimiert sein muss, sondern durch ein ureigenes Interesse des Staates, dass die Regierenden selbst formulieren können?
Eine ähnliche Tendenz lässt sich aktuell in den USA beobachten, wo nach neuester Rechtsprechung des Supreme Courts die Handlungen des Präsidenten gerichtliche Immunität besitzen und demgemäß juristisch nicht angegriffen werden können (»the king can do no wrong« – der König kann kein Unrecht tun). Es ist keineswegs das erste Mal, dass die Frage über die Bindung der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz im deutschen Staatsrecht relevant wird. Zu denken wäre etwa an den Hochverratsprozess gegen Karl Liebknecht im Jahr 1907 oder die Notstandsgesetzgebung der ersten großen Koalition in Westdeutschland 1967.
Resolution mit Rechtscharakter
Welche Wirkung die »Staatsräson« entfaltet, zeigt sich anhand der Resolution des Bundestags vom 17. Mai 2019 »Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen«, die mit der großen Mehrheit der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet wurde. Die Resolution fordert öffentliche Träger auf, jede Raumzuweisung oder Mittelvergabe an Personen, die der BDS-Bewegung nahestehen, zu unterlassen. Die Resolution ist rechtlich fragwürdig und wurde von verschiedener Seite scharf kritisiert. Vergleichbare Beschlüsse – wie zum Beispiel der BDS-Beschluss des Münchner Stadtrats aus dem Jahr 2017 – wurden vom Bundesverwaltungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Die Resolution des Bundestags aber ist noch in Kraft. Der Grund dafür ist der Rechtscharakter der Resolution. Da der Bundestag nur »auffordere« und damit keine Rechtsbindung einhergehe oder in Rechte eingreife, kann die Resolution auch nicht individualrechtlich angegriffen werden (fehlendes Rechtsschutzbedürfnis). Die Resolution ist somit ein politisches Mittel der Regierenden, das nicht durch Gerichte überprüfbar ist und sich damit der demokratischen Kontrolle entzieht.
Diese bürgerliche Regierungspraxis wiederholt sich nun mit der Resolution »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken«, die am 7. November 2024 im Bundestag mit der Mehrheit der Stimmen von SPD, FDP, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen sowie der AfD beschlossen wurde. Die parlamentarische Gruppe des BSW stimmte dagegen, die Mitglieder der Linkspartei enthielten sich. Bereits im Vorfeld hatte es scharfe Kritik an der Resolution gegeben. Amnesty International startete zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen einen Appell gegen die Resolution und sprach von der Gefährdung von Grundrechten. Eine Gruppe von Juristen um den Göttinger Professor Kai Ambos wandte sich in einem offenen Brief an die Bundestagsfraktion und kritisierte den Gebrauch der IHRA-Definition² sowie damit einhergehende Meinungsprüfungen bei staatlicher Fördermittelvergabe. Dieselbe Kritik wurde von Barbara Stollberg-Rilinger, der Rektorin des Berliner Wissenschaftskollegs, vorgebracht. Auch zahlreiche weitere Organisationen wie Medico International, Pax Christi, der »Rat für die Künste Berlin« usw. kritisierten die Resolution.
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Autoritär und undemokratisch
Die Regierung und eine Mehrheit des Bundestags argumentieren beim Kampf gegen Antisemitismus mit der Staatsräson. Das Konzept ist juristisch problematisch
Von Spyro Marasovic
Es ist der 17. August 2024. An diesem Tag soll in Leipzig der Christopher Street Day stattfinden. Die rechtsextreme Szene hat überregional mobilisiert. Angekündigt ist eine Gegendemonstration unter dem Motto »Stolz, deutsch, national«. Im Laufe des Vormittags versammeln sich ungefähr 350 Leute an der Westseite des Leipziger Hauptbahnhofs. Rechtsextreme Parolen werden skandiert, verbotene Symbole gezeigt. Gegen Mittag wird die Versammlung nach Rücksprache mit der Polizei abgesagt. Obwohl die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Versammlung nicht zu überhören bzw. zu übersehen ist – über Social Media werden Videos verbreitet, die dokumentieren, wie einzelne Teilnehmer ungestört den Hitlergruß zeigen –, handelt die Polizei zögerlich.
Parallel findet in Berlin eine propalästinensische Demonstration statt, zu der unter anderem die Gruppe »Palästina spricht« aufgerufen hat. Während der Demonstration kommt es zu Ausschreitungen, Flaschen und Eier fliegen. Im Anschluss kursieren Videos im Internet, die zeigen, wie mehrere Polizeibeamte einen am Boden fixierten Jugendlichen mit Schlägen traktieren und ein Polizist eine Frau von hinten brutal zu Boden stößt.
Diese Übergriffe sind keine Einzelfälle. Seit dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 kommt es bei Demonstrationen, die das Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen kritisieren, vermehrt zu Ausschreitungen wie diesen. Sie sind nicht selten das Ergebnis des brutalen Vorgehens der Polizei gegen Demonstrantinnen und Demonstranten.¹ Was im Ausland zunehmend auf Kritik stößt, interessiert hierzulande aber kaum jemanden.
Im Interesse des Staates
Das brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten ist für Menschen, die schon mal auf einer linken Demonstration waren, zwar keine Überraschung. Es greift jedoch zu kurz, die Repression nicht auch als sehr konkrete Folge staatlicher Politik zu begreifen. Bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Israel formulierte dieser, dass die »Sicherheit Israels deutsche Staatsräson« sei. Dies gelte für die außenpolitische Unterstützung Israels wie auch für die deutsche Innen- und Sicherheitspolitik mit Blick auf den Schutz jüdischen Lebens sowie den Umgang mit »israelfeindlichen« Demonstrationen. Doch was meint Scholz damit? Dass Deutschland eine rechtliche Verpflichtung zur Israel-Solidarität habe? Oder dient die Aussage einfach nur dazu, eine bestimmte Politik zu forcieren?
Der Begriff »Staatsräson« wurde in den vergangenen Jahrzehnten nur zögerlich verwendet. Dunkel erinnert man sich noch an die Rede, die Angela Merkel 2008 in der Knesset in Jerusalem hielt. Mit Blick auf den Holocaust äußerte Merkel: »Die historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes.« Scholz greift den Begriff nun auf und beschreibt damit eine ganz konkrete Politik: die der Israel-Solidarität. Deutschland ist, will das heißen, im Konflikt um die Besatzung und die Unabhängigkeit Palästinas nicht neutral, sondern steht auf der Seite Israels, und dies findet innen- wie außenpolitisch seinen Ausdruck.
Wenn die Bundesregierung sich auf den Begriff der Staatsräson zur Begründung politischer Maßnahmen bezieht, dann wendet sie die Staatsrechtslehre Machiavellis (1469–1527) an. Der Philosoph und Politiker des frühen 16. Jahrhunderts sah den Staat nicht als Resultat gesellschaftlicher Machtverhältnisse oder gar Klassenkämpfe an, sondern als ein über der Gesellschaft stehendes Wesen, das über den Wechsel politischer Verhältnisse hinaus Bestandskraft habe. Nach Machiavelli verfügt der Staat als Wesen an sich über ureigene Interessen und Ziele, die, wenn sie in Konflikt mit Moral, Religion und dem formalen Recht geraten, den Vorrang haben. Eine politische Maßnahme darf also auch dann vorgenommen werden, wenn sie rechtswidrig ist, solange sie dem ureigenen Staatsinteresse dient. Auf dieser Grundlage wurde schon zu Zeiten Machiavellis die Ermordung von Kriegsgefangenen diskutiert, die zwar als »unchristlich« galt, aber durch die »Staatsräson« legitimiert wurde.
Laut der Rechtswissenschaftlerin Marietta Auer ist »Staatsräson« ein offener, unbestimmter Begriff, eine sogenannte Generalklausel. Als Generalklausel bezeichnet man in der Rechtswissenschaft Normen, deren Tatbestand besonders weitgefasst ist und unter die man sehr viele Handlungen subsumieren kann. Dabei unterscheidet sich die Staatsräson je nach Geschichte des jeweiligen Staates und muss von den Regierenden ausgedeutet werden.
Dabei ist die Diskussion um die Staatsräson längst keine politische Debatte mehr um die Frage der Solidarität mit Israel, sondern auch eine Debatte, in der ausgehandelt wird, wie Herrschaft in Demokratien funktioniert. Wie lassen sich Regierungen überhaupt noch überprüfen, wenn deren Handeln nicht mehr durch Recht und Gesetz legitimiert sein muss, sondern durch ein ureigenes Interesse des Staates, dass die Regierenden selbst formulieren können?
Eine ähnliche Tendenz lässt sich aktuell in den USA beobachten, wo nach neuester Rechtsprechung des Supreme Courts die Handlungen des Präsidenten gerichtliche Immunität besitzen und demgemäß juristisch nicht angegriffen werden können (»the king can do no wrong« – der König kann kein Unrecht tun). Es ist keineswegs das erste Mal, dass die Frage über die Bindung der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz im deutschen Staatsrecht relevant wird. Zu denken wäre etwa an den Hochverratsprozess gegen Karl Liebknecht im Jahr 1907 oder die Notstandsgesetzgebung der ersten großen Koalition in Westdeutschland 1967.
Resolution mit Rechtscharakter
Welche Wirkung die »Staatsräson« entfaltet, zeigt sich anhand der Resolution des Bundestags vom 17. Mai 2019 »Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen«, die mit der großen Mehrheit der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet wurde. Die Resolution fordert öffentliche Träger auf, jede Raumzuweisung oder Mittelvergabe an Personen, die der BDS-Bewegung nahestehen, zu unterlassen. Die Resolution ist rechtlich fragwürdig und wurde von verschiedener Seite scharf kritisiert. Vergleichbare Beschlüsse – wie zum Beispiel der BDS-Beschluss des Münchner Stadtrats aus dem Jahr 2017 – wurden vom Bundesverwaltungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Die Resolution des Bundestags aber ist noch in Kraft. Der Grund dafür ist der Rechtscharakter der Resolution. Da der Bundestag nur »auffordere« und damit keine Rechtsbindung einhergehe oder in Rechte eingreife, kann die Resolution auch nicht individualrechtlich angegriffen werden (fehlendes Rechtsschutzbedürfnis). Die Resolution ist somit ein politisches Mittel der Regierenden, das nicht durch Gerichte überprüfbar ist und sich damit der demokratischen Kontrolle entzieht.
Diese bürgerliche Regierungspraxis wiederholt sich nun mit der Resolution »Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken«, die am 7. November 2024 im Bundestag mit der Mehrheit der Stimmen von SPD, FDP, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen sowie der AfD beschlossen wurde. Die parlamentarische Gruppe des BSW stimmte dagegen, die Mitglieder der Linkspartei enthielten sich. Bereits im Vorfeld hatte es scharfe Kritik an der Resolution gegeben. Amnesty International startete zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen einen Appell gegen die Resolution und sprach von der Gefährdung von Grundrechten. Eine Gruppe von Juristen um den Göttinger Professor Kai Ambos wandte sich in einem offenen Brief an die Bundestagsfraktion und kritisierte den Gebrauch der IHRA-Definition² sowie damit einhergehende Meinungsprüfungen bei staatlicher Fördermittelvergabe. Dieselbe Kritik wurde von Barbara Stollberg-Rilinger, der Rektorin des Berliner Wissenschaftskollegs, vorgebracht. Auch zahlreiche weitere Organisationen wie Medico International, Pax Christi, der »Rat für die Künste Berlin« usw. kritisierten die Resolution.
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•NEUER BEITRAG21.11.2024, 17:03 Uhr
Nutzer / in | |
FPeregrin | |
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»Importierter Antisemitismus«
Gleich zu Beginn der Resolution rücken die Verfasser islamistischen und »links-antiimperialistischen« Antisemitismus ins Zentrum. Die starke Zunahme von Antisemitismus seit dem 7. Oktober 2023 gehe »auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens« zurück. In den Worten der AfD: »importierter Antisemitismus«. Dass der politische Rechtsextremismus für mehr als 60 Prozent aller antisemitisch motivierten Straftaten verantwortlich ist, bleibt genauso außen vor wie der rechtsterroristische Anschlag auf eine Synagoge in Halle (Saale), der im Jahre 2019 zwei Todesopfer forderte.
Statt dessen findet die Berlinale Erwähnung, in deren Rahmen der israelische Journalist und Regisseur Yuval Abraham anlässlich einer Preisverleihung die israelische Besatzungspolitik als »Apartheid« kritisiert hatte. Die Leitmedien hatten daraus einen Antisemitismusskandal gemacht; Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) äußerte in dem Zusammenhang den denkwürdigen Satz, sie habe nicht für den Palästinenser geklatscht. Die Familie Yuval Abrahams erhielt im Anschluss Morddrohungen.
Dass in einer Resolution des Deutschen Bundestages, im Land der Täter, hauptsächlich »Ausländer« und »Linke« für den überbordenden Antisemitismus verantwortlich sein sollen, ist an Zynismus nicht zu überbieten. Anders ließ sich wohl die rechtsextreme AfD nicht gewinnen, die sich in der Debatte im Bundestag (in Form von Beatrix von Storch) ausdrücklich bei den Grünen für die Übernahme ihrer Positionen bedankte. Eine Entwicklung, die nicht überrascht: Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ist ja auch noch im Amt.
Natürlich fehlt auch die Staatsräson nicht in der Resolution. Die deutsche Staatsräson würde den Schutz jüdischen Lebens und somit auch das Existenzrecht des Staates Israel enthalten, heißt es da. Warum zur Staatsvernunft eines Staates ein völkerrechtlich nichtexistierendes Recht auf Existenz eines anderen Staates enthalten sein sollte, wird nicht erklärt, ebensowenig, warum dieser scheinbar zentrale Grundsatz deutscher Staatlichkeit erst sechzig Jahre nach Gründung der Bundesrepublik artikuliert wurde und nicht schon früher. Eine Antwort wäre, dass dieser Grundsatz vor Angela Merkel schlichtweg nicht existiert hat bzw. niemand auf die Idee gekommen ist, die israelsolidarische Politik der Bundesregierung dergestalt politisch zu legitimieren. In anderen Kontexten nennt man das Geschichtsrevisionismus.
Die neue Resolution beruft sich auch auf ihren Vorgänger, die BDS-Resolution von 2019, und bekräftigt diese. Damit ignoriert der Deutsche Bundestag die ständige Rechtsprechung deutscher Gerichte, die Maßnahmen, die sich aus dieser Resolution ableiten, wiederholt für rechtswidrig erklärt hat.³ Ein Umstand, der den rechtspolitischen Sprechern der Fraktionen bekannt sein dürfte. Man muss also davon ausgehen, dass deutsche Behörden hier zu rechtswidrigem Handeln aufgefordert werden.
Problematische Definition
Den Kern der Resolution bildet die Heranziehung der IHRA-Definition. Diese lässt sich im Kontext des bürgerlichen Antisemitismusdiskurses durchaus als hegemonial bezeichnen, auch wenn es bereits eine formulierte Gegendefinition in Form der Jerusalem Declaration on Antisemitism gibt.⁴ Die Resolution schlägt vor, dass deutsche Behörden die IHRA-Definition als maßgeblich heranziehen, um zu prüfen, ob Bundesmittel im Rahmen der Fördermittelvergabe an Organisationen oder Vereine vergeben werden, die Antisemitismus verbreiten.
Das Problem an der ganzen Sache ist jedoch: Die IHRA-Definition ist für diesen Zweck absolut ungeeignet. Sie wurde ausdrücklich nicht für einen rechtlichen Tatbestand entwickelt und ist mit Absicht offen formuliert. Ein entsprechender Versuch des Kultursenators von Berlin, Joe Chialo (CDU), scheiterte im vergangenen Jahr. Eine Implementierung dieser Definition in Gesetzen und Ordnungen würde zu einer Einstufung von legitimer Kritik an israelischer Politik als Antisemitismus und einer Einschränkung der Kunst- sowie Wissenschaftsfreiheit führen. Skandale sind vorgezeichnet.
Darüber hinaus sollen laut Resolution Gesetzeslücken geschlossen und repressive Maßnahmen ausgeschöpft werden. Ein Fokus solle hier vor allem auf dem Asyl-, Aufenthalts- und Staatsbürgerlichkeits- sowie dem Strafrecht liegen. Das bedeutet weitere Verbote und Kriminalisierung von Protest gegen die rechtsextreme Regierung Israels, eine Gesinnungsprüfung bei Einbürgerung und erleichterte Abschiebungen. Ausdrücklich hervorgehoben wird die Kunst- und Kulturpolitik: Hier sollen haushälterische Lösungen erarbeitet werden, die sicherstellen, dass keine Mittel an Projekte vergeben werden, die politisch unliebsam sind bzw. unter die IHRA-Definition fallen. Das ist zweifellos auch eine Reaktion auf die Berliner Vorfälle; Kultursenator Chialo wollte dem Kulturzentrum Oyoun zunächst wegen Antisemitismus die Mittel streichen, eine Prüfung kam zu dem Schluss, dass es dafür keine Anhaltspunkte gebe. Der Senator setzte die Mittelstreichung dann trotzdem durch.⁵ Derartige Vorgänge wären bei einer Umsetzung der Resolution stark vereinfacht und geltendes Recht. Eine ähnliche Klausel bezüglich der Wissenschaftsfreiheit an deutschen Hochschulen steht zwar nicht in der Resolution, die Verfasser heben aber die Erforderlichkeit eines hochschulgesetzlichen Ordnungsrechts – eine Idee der Berliner AfD – hervor, das auch schon in der Berliner Landespolitik kontrovers diskutiert wurde. Im März 2024 hatte der Berliner Senat bereits eine Verschärfung des Hochschulgesetzes beschlossen und die Möglichkeit der Exmatrikulation, die erst 2021 abgeschafft worden war, wieder eingeführt.
Auch wenn die beschlossene Bundestagsresolution nicht rechtsverbindlich ist, kann man doch davon ausgehen, dass sie eine ähnliche politische Wirkung wie die vorherige BDS-Resolution entfalten wird. Deutsche Bundes-, Landes- sowie Kommunalbehörden werden sich an ihr orientieren, was zu Grundrechtsverletzungen führen wird, gegen die lange und teure Verfahren über mehrere Instanzen geführt werden müssen, um solche Maßnahmen zu annullieren. Hinzu kommt, dass die Resolution über den ordentlichen Rechtsweg nicht aus der Welt zu schaffen ist, weshalb in puncto Rechtssicherheit erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen sollten.
Die Resolution des Bundestags begründet die Gefahr drastischer Grundrechtseinschränkungen und der Kriminalisierung von antiimperialistischem Protest unter dem Vorwand der Bekämpfung des Antisemitismus. Die Verfasser sind sich bewusst, dass sie zu rechtswidrigem Handeln in Form eines Beschlusses aufrufen, der vor deutschen Gerichten aufgrund von Rechtsdogmatik nicht thematisiert werden kann. Hier wird staatliches Handeln nicht an Recht und Gesetz geknüpft, sondern an ein dieses Recht überschreitendes, nicht demokratisch festgelegtes Interesse. Es wird sich lediglich auf die Staatsräson berufen, wenn Maßnahmen durchgesetzt werden sollen, die gegen Recht und Gesetz verstoßen, andernfalls könnte man sich ja im Rahmen der Rechtsordnung des Grundgesetzes bewegen und bedürfte nicht solcher Methoden.
Das ist der Kern der Staatsräson. Wenn Regierende ein bestimmtes politisches Ziel zur Staatsräson ausrufen, dann hat das Recht diesem Ziel nachzugehen. Das Interesse des Staates geht vor, die Grundrechte jedes einzelnen sind nachrangig. In der aktuellen Situation wird die Staatsräson verbunden mit der Bekämpfung des Antisemitismus. Getreu dem Motto: Wenn es gegen Judenhass geht, wen interessiert dann noch das Versammlungsrecht oder die Wissenschaftsfreiheit.
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»Importierter Antisemitismus«
Gleich zu Beginn der Resolution rücken die Verfasser islamistischen und »links-antiimperialistischen« Antisemitismus ins Zentrum. Die starke Zunahme von Antisemitismus seit dem 7. Oktober 2023 gehe »auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens« zurück. In den Worten der AfD: »importierter Antisemitismus«. Dass der politische Rechtsextremismus für mehr als 60 Prozent aller antisemitisch motivierten Straftaten verantwortlich ist, bleibt genauso außen vor wie der rechtsterroristische Anschlag auf eine Synagoge in Halle (Saale), der im Jahre 2019 zwei Todesopfer forderte.
Statt dessen findet die Berlinale Erwähnung, in deren Rahmen der israelische Journalist und Regisseur Yuval Abraham anlässlich einer Preisverleihung die israelische Besatzungspolitik als »Apartheid« kritisiert hatte. Die Leitmedien hatten daraus einen Antisemitismusskandal gemacht; Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) äußerte in dem Zusammenhang den denkwürdigen Satz, sie habe nicht für den Palästinenser geklatscht. Die Familie Yuval Abrahams erhielt im Anschluss Morddrohungen.
Dass in einer Resolution des Deutschen Bundestages, im Land der Täter, hauptsächlich »Ausländer« und »Linke« für den überbordenden Antisemitismus verantwortlich sein sollen, ist an Zynismus nicht zu überbieten. Anders ließ sich wohl die rechtsextreme AfD nicht gewinnen, die sich in der Debatte im Bundestag (in Form von Beatrix von Storch) ausdrücklich bei den Grünen für die Übernahme ihrer Positionen bedankte. Eine Entwicklung, die nicht überrascht: Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ist ja auch noch im Amt.
Natürlich fehlt auch die Staatsräson nicht in der Resolution. Die deutsche Staatsräson würde den Schutz jüdischen Lebens und somit auch das Existenzrecht des Staates Israel enthalten, heißt es da. Warum zur Staatsvernunft eines Staates ein völkerrechtlich nichtexistierendes Recht auf Existenz eines anderen Staates enthalten sein sollte, wird nicht erklärt, ebensowenig, warum dieser scheinbar zentrale Grundsatz deutscher Staatlichkeit erst sechzig Jahre nach Gründung der Bundesrepublik artikuliert wurde und nicht schon früher. Eine Antwort wäre, dass dieser Grundsatz vor Angela Merkel schlichtweg nicht existiert hat bzw. niemand auf die Idee gekommen ist, die israelsolidarische Politik der Bundesregierung dergestalt politisch zu legitimieren. In anderen Kontexten nennt man das Geschichtsrevisionismus.
Die neue Resolution beruft sich auch auf ihren Vorgänger, die BDS-Resolution von 2019, und bekräftigt diese. Damit ignoriert der Deutsche Bundestag die ständige Rechtsprechung deutscher Gerichte, die Maßnahmen, die sich aus dieser Resolution ableiten, wiederholt für rechtswidrig erklärt hat.³ Ein Umstand, der den rechtspolitischen Sprechern der Fraktionen bekannt sein dürfte. Man muss also davon ausgehen, dass deutsche Behörden hier zu rechtswidrigem Handeln aufgefordert werden.
Problematische Definition
Den Kern der Resolution bildet die Heranziehung der IHRA-Definition. Diese lässt sich im Kontext des bürgerlichen Antisemitismusdiskurses durchaus als hegemonial bezeichnen, auch wenn es bereits eine formulierte Gegendefinition in Form der Jerusalem Declaration on Antisemitism gibt.⁴ Die Resolution schlägt vor, dass deutsche Behörden die IHRA-Definition als maßgeblich heranziehen, um zu prüfen, ob Bundesmittel im Rahmen der Fördermittelvergabe an Organisationen oder Vereine vergeben werden, die Antisemitismus verbreiten.
Das Problem an der ganzen Sache ist jedoch: Die IHRA-Definition ist für diesen Zweck absolut ungeeignet. Sie wurde ausdrücklich nicht für einen rechtlichen Tatbestand entwickelt und ist mit Absicht offen formuliert. Ein entsprechender Versuch des Kultursenators von Berlin, Joe Chialo (CDU), scheiterte im vergangenen Jahr. Eine Implementierung dieser Definition in Gesetzen und Ordnungen würde zu einer Einstufung von legitimer Kritik an israelischer Politik als Antisemitismus und einer Einschränkung der Kunst- sowie Wissenschaftsfreiheit führen. Skandale sind vorgezeichnet.
Darüber hinaus sollen laut Resolution Gesetzeslücken geschlossen und repressive Maßnahmen ausgeschöpft werden. Ein Fokus solle hier vor allem auf dem Asyl-, Aufenthalts- und Staatsbürgerlichkeits- sowie dem Strafrecht liegen. Das bedeutet weitere Verbote und Kriminalisierung von Protest gegen die rechtsextreme Regierung Israels, eine Gesinnungsprüfung bei Einbürgerung und erleichterte Abschiebungen. Ausdrücklich hervorgehoben wird die Kunst- und Kulturpolitik: Hier sollen haushälterische Lösungen erarbeitet werden, die sicherstellen, dass keine Mittel an Projekte vergeben werden, die politisch unliebsam sind bzw. unter die IHRA-Definition fallen. Das ist zweifellos auch eine Reaktion auf die Berliner Vorfälle; Kultursenator Chialo wollte dem Kulturzentrum Oyoun zunächst wegen Antisemitismus die Mittel streichen, eine Prüfung kam zu dem Schluss, dass es dafür keine Anhaltspunkte gebe. Der Senator setzte die Mittelstreichung dann trotzdem durch.⁵ Derartige Vorgänge wären bei einer Umsetzung der Resolution stark vereinfacht und geltendes Recht. Eine ähnliche Klausel bezüglich der Wissenschaftsfreiheit an deutschen Hochschulen steht zwar nicht in der Resolution, die Verfasser heben aber die Erforderlichkeit eines hochschulgesetzlichen Ordnungsrechts – eine Idee der Berliner AfD – hervor, das auch schon in der Berliner Landespolitik kontrovers diskutiert wurde. Im März 2024 hatte der Berliner Senat bereits eine Verschärfung des Hochschulgesetzes beschlossen und die Möglichkeit der Exmatrikulation, die erst 2021 abgeschafft worden war, wieder eingeführt.
Auch wenn die beschlossene Bundestagsresolution nicht rechtsverbindlich ist, kann man doch davon ausgehen, dass sie eine ähnliche politische Wirkung wie die vorherige BDS-Resolution entfalten wird. Deutsche Bundes-, Landes- sowie Kommunalbehörden werden sich an ihr orientieren, was zu Grundrechtsverletzungen führen wird, gegen die lange und teure Verfahren über mehrere Instanzen geführt werden müssen, um solche Maßnahmen zu annullieren. Hinzu kommt, dass die Resolution über den ordentlichen Rechtsweg nicht aus der Welt zu schaffen ist, weshalb in puncto Rechtssicherheit erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen sollten.
Die Resolution des Bundestags begründet die Gefahr drastischer Grundrechtseinschränkungen und der Kriminalisierung von antiimperialistischem Protest unter dem Vorwand der Bekämpfung des Antisemitismus. Die Verfasser sind sich bewusst, dass sie zu rechtswidrigem Handeln in Form eines Beschlusses aufrufen, der vor deutschen Gerichten aufgrund von Rechtsdogmatik nicht thematisiert werden kann. Hier wird staatliches Handeln nicht an Recht und Gesetz geknüpft, sondern an ein dieses Recht überschreitendes, nicht demokratisch festgelegtes Interesse. Es wird sich lediglich auf die Staatsräson berufen, wenn Maßnahmen durchgesetzt werden sollen, die gegen Recht und Gesetz verstoßen, andernfalls könnte man sich ja im Rahmen der Rechtsordnung des Grundgesetzes bewegen und bedürfte nicht solcher Methoden.
Das ist der Kern der Staatsräson. Wenn Regierende ein bestimmtes politisches Ziel zur Staatsräson ausrufen, dann hat das Recht diesem Ziel nachzugehen. Das Interesse des Staates geht vor, die Grundrechte jedes einzelnen sind nachrangig. In der aktuellen Situation wird die Staatsräson verbunden mit der Bekämpfung des Antisemitismus. Getreu dem Motto: Wenn es gegen Judenhass geht, wen interessiert dann noch das Versammlungsrecht oder die Wissenschaftsfreiheit.
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Carl Schmitt grüßt
Aber ist das Herrschaftsinstrument »Staatsräson« überhaupt vorgesehen in einer Demokratie? Verträgt es sich mit der Grundformel aus Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz (GG), welche besagt, dass die vollziehende Gewalt (Regierung) an Recht und Gesetz gebunden ist? Die Bundesrepublik wurde 1949 als eine parlamentarische Demokratie gegründet. Der Parlamentarische Rat, der die Rolle des Verfassungsgebers übernahm, legte großen Wert darauf, die staatsorganisationsrechtlichen Fehler der Weimarer Verfassung nicht zu wiederholen. Aus Hannah Arendts »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« wissen wir, dass die Machtübernahme der Nazifaschisten nur durch die Entwertung von Rechten möglich wurde, indem marginalisierte Gruppen ihrer Rechte und dann ihrer Menschlichkeit beraubt wurden. Daraus haben die Verfasser des Grundgesetzes gelernt. Grundsätze wie die Menschenwürde aus Artikel 1 GG sind unabänderlich, aus Artikel 79 Absatz 3 GG geht eine Ewigkeitsgarantie hervor. Die Grundsätze der Artikel 1 und 20 GG können auch durch Zweidrittelmehrheit nicht geändert werden. An diesem Ast wird jetzt gesägt, indem die Regierenden mit dem System der Staatsräson Rechtssätze schaffen, die über der Verfassung stehen.
Die Art der Argumentation ist zutiefst reaktionär und historisch problematisch, denn die hinter der Staatsräson stehende Systematik bildete den Kern der Rechtslehre Carl Schmitts. Der Kronjurist des deutschen Faschismus vertrat die Position, dass der Staat durch Formalrecht (also Recht) die Durchsetzung wahrhaftiger Gerechtigkeit blockiere. Wenn es nötig wäre, müsste der Staat sein eigenes Recht brechen und Gerechtigkeit durchsetzen. Diese Systematik bildete das Schlüsselargument, um Menschengruppen nach der Machtübertragung 1933 erst zu entrechten und dann zu entmenschlichen.
Wozu überhaupt braucht es die Staatsräson in einem demokratisch organisierten Staat? Die staatsrechtliche Kategorie der Staatsräson ist das Gegenteil von Demokratie, in der sämtliche Handlungen des Staates demokratisch legitimiert sein müssen und dies nur in den Grenzen von Recht und Gesetz stattfinden kann, welche jeweils wieder demokratisch legitimiert sein müssen. Staatsräson steht für ein autoritäres Konzept von Obrigkeitsstaatlichkeit, ein Konzept der Restauration. Entweder ist die Verfassung die höchste Rechtsquelle der demokratischen Staatlichkeit, oder sie ist es nicht. Eine Abweichung von diesem Grundsatz öffnet den Antidemokraten und staatlicher Willkür Tür und Tor.
Die Beziehung von Sozialisten und Kommunisten zum bürgerlichen Staat ist seit jeher zwiegespalten. Zu Zeiten der Weimarer Republik gab es eine klare Trennung der beiden großen Parteien der Arbeiterklasse: SPD und KPD. Dieses Verhältnis sollte sich nach dem Krieg jedoch grundlegend ändern. So formulierte der KPD-Vorsitzende Max Reimann, dass man als Kommunisten dem Grundgesetz zwar nicht zustimmen werde, der Tag aber kommen werde, an dem dieses gegen seine Verfasser verteidigt werden müsse. Seit jeher fiel der sozialistischen Linken in der Bundesrepublik in diesem Sinne eine gewisse Politik der Verteidigung zu. Nach der Meinung des Juristen und Sozialisten Wolfgang Abendroth stellt die parlamentarische Demokratie des Grundgesetzes ein erkämpftes Transformationsfeld. Durch die Feststellung, die Bundesrepublik sei ein »sozialer Bundesstaat«, wäre die Möglichkeit gegeben, dass die demokratisch organisierte Gesellschaft sich selber umformen könnte, von einer monopolkapitalistischen in eine sozialistische Gesellschaft. Dies kann nur durch das Garantieren der politischen Freiheitsrechte des Grundgesetzes im politischen Kampf erreicht werden. Daher müssen sich Sozialisten in diesen Kämpfen stetig engagieren, um das Transformationsfeld zu erhalten.
In einem ähnlichen Verhältnis stehen die Grundrechte und der Kampf gegen den Antisemitismus. In der aktuellen Debatte hört man oft, dass Grundrechte dort enden, wo Antisemitismus beginnt. Dass also ein Widerspruchsverhältnis zwischen dem Kampf gegen den Antisemitismus und den garantierten Grundrechten bestehe. Der Gedanke dahinter ist, dass die Menschenwürde (Artikel 1 GG) den politischen Freiheitsrechten entgegenstehe. Das ist ein Trugschluss. Die Menschenwürde ist nicht Kontrahent der politischen Freiheitsrechte, sie ist deren Begründung. Die Grundrechte und der soziale Rechtsstaat sind Grundvoraussetzung für den Kampf gegen den Antisemitismus und fungieren als Bollwerk gegen den Faschismus.
Wenn der Staat mit Begründung eines autoritären Herrschaftsinstruments, welches bewusst Recht bricht, die Freiheitsrechte im Namen der Israel-Solidarität attackiert, dann erweist er dem Kampf gegen Antisemitismus einen Bärendienst und läuft Gefahr, Einfallstore für autokratische und diktatorische Umdeutungen der Grundrechte zu schaffen, wie es in der Endphase der Weimarer Republik praktiziert wurde. Nur ein Beharren auf dem sozialistischen Gehalt des Grundgesetzes als Voraussetzung für einen sozialistischen und antifaschistischen Kampf garantiert eine erfolgreiche Politik gegen faschistoide Tendenzen innerhalb der Gesellschaft und damit auch gegen Antisemitismus.
Anmerkungen:
1 Siehe Mariam Salameh-Puvogel: Mit aller Härte. In: junge Welt vom 2.10.2024
2 Vgl. holocaustremembrance.com/resources/arbeitsdefinition-antisem-
itismus
3 Vgl. Link ...jetzt anmelden!
4 jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/2021/03/JDA-deut-
sch-final.ok_.pdf
5 Link ...jetzt anmelden!
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#DrohenderFaschismus
Carl Schmitt grüßt
Aber ist das Herrschaftsinstrument »Staatsräson« überhaupt vorgesehen in einer Demokratie? Verträgt es sich mit der Grundformel aus Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz (GG), welche besagt, dass die vollziehende Gewalt (Regierung) an Recht und Gesetz gebunden ist? Die Bundesrepublik wurde 1949 als eine parlamentarische Demokratie gegründet. Der Parlamentarische Rat, der die Rolle des Verfassungsgebers übernahm, legte großen Wert darauf, die staatsorganisationsrechtlichen Fehler der Weimarer Verfassung nicht zu wiederholen. Aus Hannah Arendts »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« wissen wir, dass die Machtübernahme der Nazifaschisten nur durch die Entwertung von Rechten möglich wurde, indem marginalisierte Gruppen ihrer Rechte und dann ihrer Menschlichkeit beraubt wurden. Daraus haben die Verfasser des Grundgesetzes gelernt. Grundsätze wie die Menschenwürde aus Artikel 1 GG sind unabänderlich, aus Artikel 79 Absatz 3 GG geht eine Ewigkeitsgarantie hervor. Die Grundsätze der Artikel 1 und 20 GG können auch durch Zweidrittelmehrheit nicht geändert werden. An diesem Ast wird jetzt gesägt, indem die Regierenden mit dem System der Staatsräson Rechtssätze schaffen, die über der Verfassung stehen.
Die Art der Argumentation ist zutiefst reaktionär und historisch problematisch, denn die hinter der Staatsräson stehende Systematik bildete den Kern der Rechtslehre Carl Schmitts. Der Kronjurist des deutschen Faschismus vertrat die Position, dass der Staat durch Formalrecht (also Recht) die Durchsetzung wahrhaftiger Gerechtigkeit blockiere. Wenn es nötig wäre, müsste der Staat sein eigenes Recht brechen und Gerechtigkeit durchsetzen. Diese Systematik bildete das Schlüsselargument, um Menschengruppen nach der Machtübertragung 1933 erst zu entrechten und dann zu entmenschlichen.
Wozu überhaupt braucht es die Staatsräson in einem demokratisch organisierten Staat? Die staatsrechtliche Kategorie der Staatsräson ist das Gegenteil von Demokratie, in der sämtliche Handlungen des Staates demokratisch legitimiert sein müssen und dies nur in den Grenzen von Recht und Gesetz stattfinden kann, welche jeweils wieder demokratisch legitimiert sein müssen. Staatsräson steht für ein autoritäres Konzept von Obrigkeitsstaatlichkeit, ein Konzept der Restauration. Entweder ist die Verfassung die höchste Rechtsquelle der demokratischen Staatlichkeit, oder sie ist es nicht. Eine Abweichung von diesem Grundsatz öffnet den Antidemokraten und staatlicher Willkür Tür und Tor.
Die Beziehung von Sozialisten und Kommunisten zum bürgerlichen Staat ist seit jeher zwiegespalten. Zu Zeiten der Weimarer Republik gab es eine klare Trennung der beiden großen Parteien der Arbeiterklasse: SPD und KPD. Dieses Verhältnis sollte sich nach dem Krieg jedoch grundlegend ändern. So formulierte der KPD-Vorsitzende Max Reimann, dass man als Kommunisten dem Grundgesetz zwar nicht zustimmen werde, der Tag aber kommen werde, an dem dieses gegen seine Verfasser verteidigt werden müsse. Seit jeher fiel der sozialistischen Linken in der Bundesrepublik in diesem Sinne eine gewisse Politik der Verteidigung zu. Nach der Meinung des Juristen und Sozialisten Wolfgang Abendroth stellt die parlamentarische Demokratie des Grundgesetzes ein erkämpftes Transformationsfeld. Durch die Feststellung, die Bundesrepublik sei ein »sozialer Bundesstaat«, wäre die Möglichkeit gegeben, dass die demokratisch organisierte Gesellschaft sich selber umformen könnte, von einer monopolkapitalistischen in eine sozialistische Gesellschaft. Dies kann nur durch das Garantieren der politischen Freiheitsrechte des Grundgesetzes im politischen Kampf erreicht werden. Daher müssen sich Sozialisten in diesen Kämpfen stetig engagieren, um das Transformationsfeld zu erhalten.
In einem ähnlichen Verhältnis stehen die Grundrechte und der Kampf gegen den Antisemitismus. In der aktuellen Debatte hört man oft, dass Grundrechte dort enden, wo Antisemitismus beginnt. Dass also ein Widerspruchsverhältnis zwischen dem Kampf gegen den Antisemitismus und den garantierten Grundrechten bestehe. Der Gedanke dahinter ist, dass die Menschenwürde (Artikel 1 GG) den politischen Freiheitsrechten entgegenstehe. Das ist ein Trugschluss. Die Menschenwürde ist nicht Kontrahent der politischen Freiheitsrechte, sie ist deren Begründung. Die Grundrechte und der soziale Rechtsstaat sind Grundvoraussetzung für den Kampf gegen den Antisemitismus und fungieren als Bollwerk gegen den Faschismus.
Wenn der Staat mit Begründung eines autoritären Herrschaftsinstruments, welches bewusst Recht bricht, die Freiheitsrechte im Namen der Israel-Solidarität attackiert, dann erweist er dem Kampf gegen Antisemitismus einen Bärendienst und läuft Gefahr, Einfallstore für autokratische und diktatorische Umdeutungen der Grundrechte zu schaffen, wie es in der Endphase der Weimarer Republik praktiziert wurde. Nur ein Beharren auf dem sozialistischen Gehalt des Grundgesetzes als Voraussetzung für einen sozialistischen und antifaschistischen Kampf garantiert eine erfolgreiche Politik gegen faschistoide Tendenzen innerhalb der Gesellschaft und damit auch gegen Antisemitismus.
Anmerkungen:
1 Siehe Mariam Salameh-Puvogel: Mit aller Härte. In: junge Welt vom 2.10.2024
2 Vgl. holocaustremembrance.com/resources/arbeitsdefinition-antisem-
itismus
3 Vgl. Link ...jetzt anmelden!
4 jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/2021/03/JDA-deut-
sch-final.ok_.pdf
5 Link ...jetzt anmelden!
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