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Werfen wir einen Blick zurück auf den Beginn und die Mitte der 1990er Jahre. Seit diesem Zeitpunkt versuchen die IGM-Führer dem Kapital ihre Kompetenz als Krisen-Manager des kapitalistischen Systems zu beweisen. Ein Ergebnis davon: Co-Management und „intelligente Lösungsvorschläge" statt Interessengegensatz und Klassenkampf! Zu den „Lösungsvorschlägen" zählen u. a. die bisher bekannten „Bündnisse für Arbeit", das „VW-Modell", hunderte Beschäftigungssicherungs-, Standort-, Zukunfts- und sonstige Tarifverträge. So wurde das mit dem Kapital vereinbarte Tauschgeschäft — Lohnverzicht, unentgeltliche Arbeit usw. gegen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen — nicht nur in der IGM salonfähig gemacht und durchgesetzt. Jedes einzelne Bündnis entfaltet hierbei, geschrieben oder nicht, seine eigene Friedenspflicht, d. h. Streikverbot bzw. Streikverzicht.

In einer Studie stellte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) des DGB 2004 u. a. fest: „Die Betriebsräte werden massiv unter Druck gesetzt, um diese Verzichtsvereinbarungen zu schließen"1. Mit dem „Pforzheimer Abkommen" vom

12. 2. 2004 hat die IGM-Führung diese „intelligente Krisenlösung" zur offiziellen Tarifpolitik erklärt. Abgesehen von Lohnverzicht usw. hat sie sich damit verpflichtet, dem Kapital Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern. Seitdem steht das sozusagen als gewerkschaftliche Aufgabe mit Rechtsanspruch für die Kapitalisten in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, z. B. bei Siemens, Daimler Chrysler, MTU, MAN-Roland, AEG; Heideldruck, Linde u. a.

Im Februar 2010 wurde auf diesem Boden bei VW der Tarifvertrag „Konzept zur nachhaltigen Beschäftigungssicherung" abgeschlossen. Die Belegschaft wird damit für die Laufzeit bis 2014 tarifvertraglich verpflichtet, jährlich die Produktivität um 10 % zu steigern. Hartmut Meine, zuständiger IGM-Bezirksleiter, stellte dazu fest: „Beschäftigte, die ein sicheres Arbeitsverhältnis haben, sind motiviert und bereit, an geplanten Produktivitätssteigerungen mitzuarbeiten"2.

Mit diesen Konzepten werden die IGM, die Mitglieder, Betriebsräte und Belegschaften vor den Karren des Kapitals gespannt. Dabei werden sie auf falsche, den gewerkschaftlichen Zielen entgegengesetzte und satzungsmäßig nie beschlossene Aufgaben festgelegt. Das ist Desorientierung der Arbeiterklasse in großem Stil.

Die Verteidiger der Bourgeoisie

[file-periodicals#125]In seinen Schriften über den Kampf gegen den Revisionismus stellte Lenin fest: „Die Praxis hat bewiesen, dass die Politiker innerhalb der Arbeiterbewegung, die der opportunistischen Richtung angehören, bessere Verteidiger der Bourgeoisie sind als die Bourgeois selbst. Hätten sie nicht die Führung der Arbeiter in ihrer Hand, so könnte sich die Bourgeoisie nicht behaupten"3.

Dazu passt, wenn DGB-Vorsitzender Sommer im Angesicht der von der Krise angerichteten Verwüstungen erklärt: „Wir müssen sie nutzen um zu zeigen, Marktwirtschaft ist ein sinnvolles System, aber man muss sie mit sozialen Werten und staatlicher Regulierung versehen4. Statt Aufklärung über die Krisenursachen ist die Rettung des kapitalistischen Ausbeutungssystems seine Sorge. Dafür hat sich der IGM-Vorstand besonders in den Jahren 2008—2010 eingesetzt. Zur Krisenbewältigung organisierte er 2009 eine Reihe von Branchenkonferenzen. Den anwesenden Betriebsräten wurde hierbei mit einer angeblich drohenden Entindustrialisierung der BRD als Krisenfolge Angst gemacht.

Die IGM-Führung machte sich Gedanken, wie das verhindert werden kann: In einem IGM-Maschinenbau-Memorandum vom Oktober 2009 wird „... von den Unternehmen und deren Eigentümern die Erstellung und Realisierung betrieblicher Zukunftsplänegemeinsam mit den Beschäftigten, den Betriebsräten und der IG Metall" verlangt und festgestellt: „An der Erarbeitung dieses Konzepts werden sich die IG Metall und die Betriebsräte aktiv beteiligen."

Am 21. 12. 2009 unterstreicht der IGM-Vorsitzende Huber im Interview mit dem Weser-Kurier den Ernst der Sache. Von der Merkel-Regierung fordert er ein 100 Milliarden Euro schweres Zukunftsprogramm fürs Kapital. An wen er hierbei besonders gedacht hat, beantwortete er mit der Frage: „Sollen gute Unternehmen gestützt werden, von denen nicht wenige Weltmarktführer sind und unser Wohlstand abhängt?" In der Februar-Ausgabe der Metallzeitung 2010 hat er nochmals deutlich gemacht, worum es geht: „Nicht nur Banken sichern, sondern auch direkt die deutsche Industrie stützen! Jetzt muss notleidenden Industriebetrieben geholfen werden, damit sie später gestärkt aus der Krisekommen (…). Um Entlassungen zu verhindern, müssen Gewerkschaften, Arbeitgeber und die Politik gemeinsam ihre Verantwortung wahrnehmen".

Verantwortung mit Kapital und Regierung übernehmen

Es ist nicht möglich, unsere Existenz zu sichern, indem wir gemeinsame Sache mit den notleidenden Kapitalisten machen. Sie zu stärken, heißt nichts anderes, als denjenigen die Waffen zu schärfen, die ständig über unseren Wohlstand herfallen und unsere Existenz bedrohen, die uns höhere Löhne, Arbeitszeitverkürzung, Herabsetzung des Rentenalters, Mindestlöhne u. a. verweigern. Eben das, was Weltmarktführer beider Profitmaximierung so tun und tun müssen, um ihre internationalen Konkurrenten vom Weltmarkt zu vertreiben, damit sie Weltmarktführer bleiben können. In dieser sich ständig verschärfenden Auseinandersetzung um Absatzmärkte, Rohstoffquellen usw. bleibt es nicht aus, dass sie sich immer wieder einmal in die Haare geraten. „In der weiteren Perspektive (kann) mit der Veränderung der ökonomischen und militärischen Kräfteverhältnisse und — mit der Zuspitzung des Kampfes um die immer begrenzter werdenden Rohstoffquellen und um Vorherrschaft in der Welt — auch die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen imperialistischen Metropolen wieder akut werden"5.

Je mehr Profite wir den Kapitalisten lassen, desto aggressiver können sie gegen uns und die Völker der Welt vorgehen. Statt offensiv die Gewerkschaften gegen die Kriege des deutschen Imperialismus zu mobilisieren und auf die Gefahr weiterer Kriege hinzuweisen, verschärft das gemeinsam Verantwortung übernehmen der opportunistischen Gewerkschaftsführer mit dem Kapital die Kriegsgefahr. Ein Blick in die Geschichte der Arbeiterbewegung zeigt uns, wie weit Gewerkschaftsführer dafür schon gegangen sind. Im 1. Weltkrieg 1914—1918 hieß das Abkommen Burgfrieden mit dem deutschen Imperialismus. 1933 weigerten sich die damaligen Führer des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), die bevorstehende Machtergreifung der Hitlerfaschisten mit einem Aufruf zum Generalstreik zu verhindern.

Abgesehen von einigen Ausnahmen wehrt sich auch heute die große Mehrheit unserer Gewerkschaftsführer mit Händen und Füßen gegen den politischen Streik. Dazu gehört auch der IGMVorsitzende. Am 2. 11. 2010 hieß es im FAZ.NET: „Von politischen Streiks mit dem Ziel, Teile des Wirtschaftslebens zeitweiselahmzulegen,nahmHuberdeutlich Abstand. Natürlich verursachten auch hierzulande Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit kurzfristige Produktionsausfälle. Diese seien jedoch nicht mit den flächendeckenden Ausständen in Frankreich oder Spanien zu vergleichen. Dieser Umgang mit Problemen passe nicht zu Deutschland und liege ,auch nicht in der Absicht der IG Metall‘".

Was zu Deutschland passt, machte Huber mit seiner Aussage erneut deutlich: Opportunistische Gewerkschaftsführer, die sich — mehr als das in anderen Ländern der Fall ist — gegen die elementarste und längst nicht das kapitalistische System sprengende Kampfform der Arbeiterklasse, den politischen Streik stellen. Das heißt nicht nur Streikbruch gegenüber den Generalstreiks unserer Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern, sondern ebenso dem gesamten, immer wieder von den Kapitalisten angegriffenen Streikrecht einen Tritt zu versetzen. Mit anderen Worten Entwaffnung der Arbeiterklasse. Nach der IGM-Tarifrunde 2010 brüstete sich die IGM-Spitze mit einem Tarifabschluss ohne „Rote Fahnen, Trillerpfeifen und Warnstreiks"6 und sonnte sich im Beifall von Kapital und Regierung. So zu tun, als hätte diese Politik keinen Einfluss auf Bewusstseinsentwicklung, Kampfbereitschaft, Mobilisierung und Kampffähigkeit der Gewerkschaften, heißt die Realität ausblenden.


Quellen und Anmerkungen:
1 ND 14. 08. 2004
2 SZ 17. 2. 2010
3 Lenin über den Kampf gegen den Revisionismus, Broschüre anlässlich des 90. Geburtstags Lenins, Verlag für fremdsprachige Literatur Peking 1960
4 taz 15. 12. 2008
5 Programm der DKP, S. 14
6 s. Artikel von L. Jost, T&P 21, S. 13



 
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