Lieber Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann (Wilhelm?) Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu! Man muss dich nicht mögen, aber eines muss man dir lassen: du bist ein ehrlicher Mann. Nachdem sich deine Vorgänger im Amte seit über 15 Jahren zu immer gewagteren Umschreibungen für etwas, was so simpel zu benennen ist, verstiegen haben – „humanitärer Einsatz“ mit bedauerlichen „Kollateralschäden“, Verhinderung eines „zweiten Auschwitz“ auf dem Amselfeld, „Verteidigung“ Deutschlands auch am Hindukusch – nennst du das Kind beim Namen. Deutschland führt Krieg.
Scheinbar brauchte es erst einen Abkömmling eines alten deutschen Rittergeschlechts, um solche grundlegenden Dinge klarzustellen und die rot-grünen Scheuklappen loszuwerden, die Deutschlands neuen Griff nach sonnigen Plätzen sozialpädagogisch weichspülten. Eigentlich macht der deutsche Landser doch nichts anderes, als er schon immer tat. Er zieht in den Krieg. Da man dies lange Zeit nicht so nennen konnte, wurde das deutsche Unwörterbuch alle Jahre wieder um neue Schönfärbereien ergänzt, bis auch das nicht mehr so recht funktionierte: man kann kaum Soldaten mit einem klaren Auftrag – nämlich Krieg zu führen – in alle Welt schicken und hinterher Prozesse gegen die befehlsempfänglichsten unter ihnen führen, weil die Bezeichnung der Vorgänge beim rechten Namen nicht möglich ist. Erst im „wirklichen“ und auch eindeutig als solchem definierten Krieg ist nämlich Mord nicht mehr Mord, sondern Normalität, die keine juristischen Nachstellereien für die feldgrauen Kameraden zur Folge hat.
Und weil du ein ehrlicher Mann bist, kanntest du auch kein Zögern, als es Unterstützung zu geben galt für ein handwerkliches Meisterstück: die gelungene Unterbindung eines dreisten Diebstahls deutschen Dieseltreibstoffes. Die rund Hundertvierzig Diebe, auf frischer Tat gestellt, konnten an Ort und Stelle dauerhaft unschädlich gemacht werden. Soll man nun dem Offizier, der hier entschlossen und effektiv durchgriff, nachträglich Kummer machen? Und wie sollen neue Soldaten rekrutiert werden, wenn sie alle für das, was ihnen bei der Rekrutierung in Aussicht gestellt wurde, belangt werden können? Nein, das ist nicht Recht. Einen Orden, vielleicht eines dieser schicken neuen Eisernen Kreuze, hätte der brave Mann verdient, nachdem er den Befehl zur Bombardierung des Tanklasters gab. Es ist Krieg, und da ist hundertfacher heimtückischer Mord an überwiegend unbeteiligten Zivilisten eben kein Mord, sondern ein erfolgreich ausgeführter Auftrag. Du verstehst das, und du verstehst deine Truppe.
Dein Handwerk hast du von der Pieke auf gelernt, wie man so sagt. Beim Mittenwalder Gebirgsjägerbataillon, wo sich jedes Jahr die braune Bagage mit alten SS-Männern und mittlerweile zwar ergrauten, dafür aber umso unverbesserlicheren Herrenmenschen zum „Gebirgsjägertreffen“ die Klinke in die Hand gibt, hast du deinen Wehrdienst geleistet. Als Sohn Christiane Henkell-von Ribbentrops, eine Schwiegertochter des Nazi-Außenministers Joachim Ribbentrop, bist du standesgemäß vermählt mir einer Ur-Urenkelin Bismarcks und hältst die Traditionslinie deines Hauses hoch – das Raubrittergeschlecht derer zu Guttenberg tyrannisierte schließlich nicht umsonst Jahrhunderte lang das schöne Franken. Anderswo in Europa verlor der Adel seine Burgen und Schlösser und darf häufig nicht mal mehr sein „von“ im Namen führen – Revolutionäre haben das beendet und die einstigen feudalen Schmarotzer aus ihren „angeborenen“ Plätzen in der Gesellschaft vertrieben. In Deutschland hat das, wie so vieles andere, nicht recht geklappt: nachdem die Bourgeoisie 1848 ihre eigene, die bürgerlich-demokratische Revolution ziemlich vergeigt hat, ist ihr als Strafe ein Konkubinat mit den abgewirtschafteten Eliten des Feudalismus auferlegt worden, die sie – obschon fachlich meist völlig inkompetent – in wichtigen Ämtern, hohen Positionen und gerade militärischen Entscheidungsposten mitschleppen muss. Da war es doch nur folgerichtig, dass du den recht wackligen Thron des Wirtschaftsministers, dessen Popularität in Krisenzeiten geradezu zwangsläufig leiden muss, gegen den des Kriegsministers getauscht hast. Dutzende „von“ und „zu“ hatten diesen Ministerrang in der deutschen Geschichte schon inne, und du bist schließlich ein Mann der Tradition.
Doch: das Leben ist kein Minnesang. Und die raue Realität ist oft weniger erquicklich als die Bilderbuchkarrieren der Ahnen, denen man – Adel verpflichtet! – nacheifert. Nicht nur die Öffentlichkeit, die sich immer noch nicht die nötige Einsicht in die Notwendigkeit deutschen Kriegführens am Hindukusch abringen konnte, sondern selbst die an sich wenig zimperlichen Allierten in Afghanistan hatten etwas gegen die deutsche Haudrauf-Methode, mit der deine Offiziere im Falle des besagten Tanklasterdiebstahls vorgingen. Distanzierungen folgten, dein Amtsvorgänger musste seinen Hut nehmen, und auch du stehst jetzt recht blöde da, vor deiner Truppe.
Wie du das wieder hinbiegen kannst, wissen wir nicht, und es ist uns auch egal. Eines wissen wir allerdings: Geschichte kann sich durchaus wiederholen. Wie damals anno 1523, als die vereinten Schergen des schwäbischen Bundes beim Ansitz auf die Raubritternester auch die Besitzungen der Guttenbergs ausräucherten und schleiften, werden wir wohl erledigen müssen, was die deutsche Bourgeoisie unerledigt ließ. Die Abrechnung mit dem dreisten und arroganten Adelspack, das uns immer noch auf der Pelle hockt.
In diesem Sinne!secarts