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Rainer Sauer ist engagierter Antifaschist und ver.di Sekretär im Fachbereich 8 - Medien, Kunst und Industrie - in Essen. Erfolgreich wurden in seiner Heimatstadt Bocholt große Protestdemonstrationen gegen die Aktivitäten der NPD und der Wehrsportgruppen durchgeführt.

UZ: In einem Drohbrief den du von einer "Sturmbrigade 35 - ´Deutschland erwache´" bekommen hast, stand: "Warte, warte noch ein Weilchen, dann kommen auch wir zur Dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen machen wir Hackemus aus Dir. Demnächst heißt es: ´Linke und Kommunisten heraus´. Ihr Dreckschweine habt in unserem Deutschland nichts verloren. (...) Wir werden Euch ausrotten und das Lachen über uns wird Euch noch vergehen."

Im Internetportal "You Tube" haben vor einigen Wochen Neo-Nazis in einem dreiminütigen Filmbeitrag zum Mord gegen dich aufgerufen.

Wie ist es zu der ungeheuerlichen Aufforderung zum Mord an dich gekommen?

Rainer Sauer: Ich sehe da zwei Punkte die dazu geführt haben. Wir haben einen Erfolg mit unserer antifaschistische Bürgerinitiative "Bocholt stellt sich quer" gehabt und haben dazu beigetragen, dass der braune Sumpf in Bocholt trockener gelegt wurde. Bevor wir in der Bürgerinitiative angefangen haben, kam es schon zu neonazistischen Aktivitäten. Sie haben jüdische Friedhöfe überfallen und beschmiert. Sie haben in "You Tube" Filmbeiträge reingestellt unter dem Motto: "Wir erobern Bocholt". Unsere Aktivitäten haben bis hin zu einer großen Protestdemonstration von über 2 000 Menschen geführt. Die Behörden haben alles klein gehalten und die Taten der Neonazis verharmlost.

UZ: Trotz mehrerer Nazi-Morddrohungen wird dir weiterhin kein Polizeischutz gewährt. Die Gefährdungslage für Rainer Sauer sei nicht konkret, heißt es seitens der Kreispolizei. Welche Angriffe und Einschüchterungsversuche gab es gegen dich und deine Familie und ist dies ein Grund Bocholt zu verlassen?

Rainer Sauer: Bocholt werden wir auf keinen Fall verlassen. Da kann ich nur sagen, wehret den Anfängen. Meine Mutter hat früher immer gesagt, wir haben Angst gehabt. Ich bin der Meinung: Keinen Fußbreit den Faschisten, ich will nicht weggucken, sondern gegen die Nazis etwas tun. Unsere Aktionen zeigen ja, das man erfolgreich etwas unternehmen kann.

Die Bedrohung der Nazis hat angefangen mit Eierwürfen auf unser Haus, gegen die Eingangstür, die Fenster, ans Auto. Bis hin zu Kakerlaken, die man uns durch den Briefkasten ins Haus geschoben hat. Sie haben unser Auto umstellt. Nur durch lautes Hupen und laute Motorengeräusche konnten wir uns aus dieser Situation befreien. Dann sind sie nachts um sieben Minuten nach 24 Uhr auf meiner Geburtstagsfeier aufgetaucht und haben uns zwei Stunden lang terrorisiert. In der nächsten Nacht sind mindestens 15 vermummte Nazis an unserem Haus vorbeimarschiert und haben dort rechtsradikale Lieder gegrölt wie: "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" oder "frei, sozial, national".

UZ: Wie verhalten sich die Verantwortlichen in der Stadt Bocholt zu der von dir mitgegründeten Bürgerinitiative "Bocholt stellt sich quer", die ja ein Beispiel gibt für die von so vielen Politikern in ihren Sonntagsreden geforderte Zivilcourage gegen Nazis?

Rainer Sauer: Wenn ich den Bürgermeister betrachte, kann ich nur feststellen, er hat uns nur Steine in den Weg gelegt. Wir haben keine Unterstützung bekommen, um für ein nazifreies Bocholt einzutreten. Um ein Beispiel zu nennen: Letztes Jahr wollten wir kurz vor unserer Großdemonstration ein Transparent in Bocholt aufhängen: "Bocholt stellt sich quer - No Nazis", vier Meter breit, 40 Zentimeter hoch. Wir haben einen Antrag beim Ordnungsamt gestellt, der zuerst genehmigt worden ist. Dann wurden wir kurz danach angerufen, dass wir es doch nicht aufhängen dürfen, da sich der Verwaltungsvorstand damit beschäftigen müsste. Letztlich hat das Ordnungsamt entschieden, dass die Statik der Eisenträger an bestimmten Verkehrsinseln das Transparent von 1,8 kg Gewicht nicht aushalten würden. Da Bocholt eine Fahrradstadt ist, haben wir unsere Fahrräder hintereinander an einen Brückenpfeiler angekettet und an die Fahrräder das Transparent angebracht. Das Ordnungsamt und die Polizei kamen sofort. Man ist mit Polizeigewalt gegen uns vorgegangen. Ich wurde auf den Unterarm geschlagen. Die Stadt hat mit Bolzenschneidern unsere Fahrradschlösser aufgebrochen und die Fahrräder weggeschafft. Das geschah innerhalb von 12 Stunden, als wenn Gefahr im Verzug gewesen wäre.

UZ: Welche Form der Solidarität hast du und deine Familie in den letzten Wochen erlebt?

Rainer Sauer: Die letzten Wochen habe ich eine große Welle der Solidarität erlebt, aus Bocholt selber, aber auch über die Stadtgrenzen hinaus. Man hat uns angerufen und konkrete Hilfe angeboten. Ganz besonders aus gewerkschaftlichen Kreisen, bis hin zu Gaby Schmidt, unsere ver.di-Landesvorsitzende von NRW. Sie hat veranlasst, dass zu diesen Vorkommnissen eine Presseerklärung herausgebracht wurde. Und auch auf der Internetseite von ver.di in Essen und NRW wurde über mein Fall berichtet, um möglichst viel Öffentlichkeit herzustellen.

Ich habe das Gefühl, alle stehen hinter uns. Nicht nur hinter meiner Person, sondern hinter der Bürgerinitiative "Bocholt stellt sich quer".

UZ: Wir erleben eine Radikalisierung der Nazi-Szene - wie auch der NPD-Parteitag deutlich gemacht hat. Was muss aus deiner Sicht als Gewerkschafter dagegen getan werden?

Rainer Sauer: Vielleicht noch eine aktuelle Information vorweg. Seit dem letzten Wochenende haben die Autonomen Nationalisten eine Internetseite www.ag-bocholt.com. Dort wird wieder aufgerufen zu Gewalt gegen meine Person und gegen die Bürgerinitiative. Dort heißt es auf der Eingangsseite unter meinem Namen "Bildet Banden - schlagt zurück". Auf der Internetseite werden Namen und Fotos der Mitglieder der Bürgerinitiative gezeigt. Unter anderem der Geschäftsführer der christlich-jüdischen Gesellschaft in Bocholt.

Am Wochenende wurden in Bocholt vermutlich mehrere Ausländer von Nazis überfallen. Die Polizei hat einige festgenommen. Nach anfänglicher Weigerung hat die Polizei jetzt eine Pressemeldung herausgegeben, in der nur von einer Schlägerei die Rede ist. Keine Aussage von einem Naziüberfall. Solche Missstände müssen wir aufzeigen und an die Öffentlichkeit bringen.

Ich halte es für dringend notwendig, wie wir es auf dem 2. ver.di-Bundeskongress beschlossen haben, dass wir als Gewerkschafter gegen die nazistischen Umtriebe und Gewalttaten vorgehen. Wir haben auf dem ver.di-Kongreß beschlossen, die Kampagne "NPD Verbot - jetzt" der VVN zu unterstützen. Alle Gewerkschafter sind dazu aufgerufen ihr Engagement gegen die menschenverachtende Politik der Nazis zu verstärken.

Wir planen von der Bürgerinitiative "Bochholt stellt sich quer" weitere Aktivitäten um die Gewalttaten und die Gewalttäter der Nazis an die Öffentlichkeit zu bringen. Und überall, wo die Nazis in Bocholt auftreten, werden wir Gegenaktionen machen, sei es ein Infostand, sei es eine Mahnwache, seien es Protestaktionen.


Weitere Informationen unter:
www.kein-fußbreit-den-faschisten.de

Die Fragen für die UZ stellte Wolfgang Teuber.


 
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