Die Partei „Die Linke“ (im Folgenden: PdL) ist nichts Neues, sondern das Verfallsprodukt zweier ehemals großer Parteien: der SED und der SPD. Deren Absinken vollzog sich in zwei Bewegungen: Abwicklung der SED, Teilabwicklung der SPD. Diesen Vorgängen und dem Verhältnis der DKP zu dem, was dabei herauskam, gelten die hier zur Kenntnisnahme und Diskussion gestellten Überlegungen. Die Abwicklung der SED Ab 1989 wurde die SED, die sich bald in PDS umbenannte, zur Interessenvertretung von Mitgliedern der ehemaligen Staatsklasse der DDR (einige nannten sie auch deren „Eliten“). Individuelle Anpassung bot nicht allen eine Perspektive. Zunächst mochte angenommen werden, dass diese Menschengruppe irgendwann aussterben werde. Tatsächlich aber gewann die PDS in Ostdeutschland immer mehr Stimmen: von ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der DDR, die sich einst gegen diesen Staat gewandt hatten und jetzt feststellen mussten, dass sie im Westen nicht so ankommen konnten, wie sie sich das gedacht hatten.
Jetzt war die ehemalige SED nicht mehr nur die Interessenvertretung der gestürzten Alt-Eliten, sondern darüber hinaus des „Ostens“. Zugleich erhob sie von Anfang an einen gesamtdeutschen Anspruch, den sie jedoch nie einlösen konnte. Allenfalls als Stimme der Friedensbewegung im Jugoslawienkrieg 1999 gewann sie eine über Ostdeutschland hinausgehende Resonanz.
Die Stunde der Wahrheit kam 2002: Gerhard Schröder nahm der PDS das Friedensthema weg, indem er schon vorab gegen die Irak-Kriegs-Pläne der USA Stellung nahm. Das große Hochwasser wurde zur Stunde der rotgrünen Exekutive, die Katastrophenhilfe und Finanzmittel bereitstellte. Zwar hatte bisher die Tatsache, dass die Ostdeutschen sich vom Westen vernachlässigt fühlten, der PDS genützt, doch jetzt kehrte sich dies plötzlich gegen sie: einige schienen auf den Gedanken zu kommen, eine Interessenvertretung, bei der für sie nicht viel herausspringe, sei nicht genug wert und sollte durch eine effektivere ersetzt werden. Im September 2002 war die PDS als Partei mit gesamtdeutschem Anspruch erledigt. Dass sie bei den Europawahlen 2004 ihren Stimmenanteil von 5,8 auf 6,1% steigern konnte, war bereits Ergebnis einer anderen Entwicklung:
Die Teilabwicklung der SPD[file-periodicals#45]Agenda 2010, Hartz IV, die Rente mit 67: dies waren notwendige, aber keineswegs hinreichende Ursachen für die Schrumpfung der SPD unter Schröder. Auch in der Vergangenheit war insbesondere den linkeren Mitgliedern dieser Partei einiges zugemutet worden: vom Ja zur NATO 1960 über die Notstandsverfassung 1968 bis zu Schmidts Raketen. Es gab interne Opposition und Absplitterungen, aber letztlich blieb der Verein doch zusammen, denn man wusste: links von der SPD war nur noch der Abgrund. Selbst der Aufstieg der Grünen war kein Gegenbeispiel: sie waren im Wesentlichen keine Abspaltung von der SPD, sondern Ergebnis der Tatsache, dass die Intelligenz zur Massenschicht aufgestiegen war und sich eben eine eigene Partei schuf. Unter Schröder liefen der SPD zwar viele Mitglieder davon, aber nur wenige landeten bei der WASG. Deren Ergebnis bei der Landtagswahl in NRW im Mai 2005 war katastrophal: 2,2% (hinzu kamen 0,9 für die PDS). Im selben Moment, in dem ihr so ein trauriges Sektendasein bestimmt schien, wurde sie durch zwei SPD-Führer gerettet: Schröder kündigte Neuwahlen an, und Lafontaine trat in die WASG ein. Sofort benutzte er die PDS im Osten als Schwungmasse. Der Weg zu einer zweiten sozialdemokratischen Partei war beschritten.
Wahrscheinlich wird diese Spaltung längere Zeit andauern. Zwar ist PdL nach wie vor stark von Einzelpersonen (Gysi, Lafontaine) abhängig, aber so lange die SPD an der Agenda 2010, Hartz IV und der Rente mit 67 festhält, hat die kleinere Konkurrenzpartei eine Existenzgarantie. Ein Kurswechsel, wie er von Beck seit dem Hamburger Parteitag simuliert wurde, würde selbst dann, wenn er irgendwann einmal ernst gemeint wäre, die Entwicklung seit 2005 nicht von heute auf morgen revidieren. Es gibt nämlich inzwischen eine sozialstrukturelle Ursache für die Spaltung: die Existenz einer Schicht von Menschen, die entweder nicht mehr dauerhaft in den Arbeitsmarkt integrierbar sind oder die zwar beschäftigt, aber nicht mehr ausreichend bezahlt sind.
Feuer und WasserWomit wir es hier zu tun haben, ist also eine ausschließlich innersozialdemokratische Angelegenheit. Die rituelle Wendung gegen die Kommunisten gehört dazu und ist sogar ehrlich, denn zwischen der SPD und der PdL einerseits, der DKP andererseits verläuft eben die übliche Grenze. Dass sie zeitweilig verwischt wurde, hat folgende Gründe: Nicht nur auf die bisherige SED, sondern auch auf die DKP wirkte die Niederlage 1989 demoralisierend.
In dieser Periode äußerster Schwäche schien sich eine Anlehnung an die einstige größere Schwesterpartei anzubieten, obwohl deren neue Führung fast sofort klar gemacht hatte, dass es sich dabei nur um ein Missverständnis handeln konnte. Allerdings hatte die PDS-Spitze ein gewisses (wenngleich untergeordnetes) Interesse daran, dass der Schnitt nicht allzu deutlich gemacht wurde: die „Partei des demokratischen Sozialismus“ war im Westen so schwach, dass man nicht allzu wählerisch sein durfte. So gelangten denn DKPMitglieder auf hintere Plätze der Landeslisten in Bund und Ländern. Doch wurde schon jetzt dafür gesorgt, dass niemand von ihnen auf eine derjenigen Positionen kam, über die Bundestagsmandate erreichbar gewesen wären.
Nachdem jetzt die neue Partei „Die Linke“ entstanden ist, tut ihr die DKP auf andere Weise gute Dienste: als Objekt der öffentlich zelebrierten Abgrenzung. Zu einem solchen Spiel gehören aber immer zwei. Die DKP sollte es von sich aus beenden, denn der bisherige Flirt mit der PdL hat ihr nichts gebracht und droht sie zum Gespött zu machen.
Wenn das Bundeswahlrecht es jetzt verbietet, dass ihre Mitglieder auf Listen einer anderen Partei kandidieren, dann hat sie keinen erkennbaren Schaden davon. Die PdL strebt an, von sich aus diese Regel bei allen Landtagswahlen ebenfalls anzuwenden (selbst dort, wo dies rechtlich noch nicht zwingend geboten ist). Auch dies widerspricht nicht erkennbar den Interessen der DKP, denn weder hat ihr in der Vergangenheit die bisherige Lässigkeit etwas gebracht, noch ist das für die Zukunft zu erwarten. Der „Fall Wegner“ ist kein Gegenbeweis. Zwar ist ein DKP-Mitglied jetzt Landtagsmitglied in Niedersachsen, doch dies wurde von der PdL-Spitze nur zu einem demonstrativen Exorzismus genutzt.
In den Kommunen allerdings wird die DKP da und dort noch als Blutspenderin benötigt, denn dort ist die PdL oft noch schwach. Die Kommunistinnen und Kommunisten sollten aber doch besser die bisherige Dienstleistung bei den nächsten Gemeindewahlen einstellen. Auf kommunaler Ebene ist die 5%-Klausel am Verschwinden, DKP-Kandidaturen sind also immer wieder einmal aussichtsreich. Auch bei Bundes- und Landtagswahlen sollte von Fall zu Fall geprüft werden, ob die Kraft für die Aufstellung eigener Listen ausreicht. Nehmen wir einmal an, die DKP wäre Feuer und die PdL Wasser. Dann ist darauf zu achten, dass das Feuer nicht gelöscht wird.