Seine Freunde soll man eng um sich scharen, seine Feinde noch enger. Die Partei, die dieses Motto beherzigt seit sie existiert, ist die CSU. Es wäre ein großer Irrtum, aus ihrer Fraktionsgemeinschaft mit der CDU eine Wesensgleichheit beider Unionsteile abzuleiten. Das Gegenteil ist der Fall: Die Bewegungspartei CSU ist dazu gegründet worden und bis heute zu nichts anderem da, als die Honoratiorenpartei CDU zu bekämpfen und nach rechts zu drängen: Zu »jagen«, wie Alexander Gauland sagen würde.
Sie tut dies innenpolitisch: Mit Polizeiaufgabengesetz, Psychiatriegesetz und Integrationsgesetz. Im Freistaat Bayern sind die Werte der bürgerlichen Aufklärung, so je angekommen, längst revidiert. Hier feiert das Nürnberger Blutsrecht fröhlich Urständ; die Polizei darf Leute nach Gutdünken in Schutzhaft nehmen; psychisch Kranke werden mit Kriminellen gleichgestellt.
Und die CSU tut dies außenpolitisch. Indem sie, als kleinster Koalitionspartner, der Bundesregierung – und damit der EU – den Kurs diktiert.
Denn die Gewinner des EU-Gipfels zur Migration sind die Christsozialen. Mit der neuen Regelung, die »kontrollierte Zentren« zur Internierung innerhalb der EU vorsieht, aus denen die Flüchtlinge dann national »auf freiwilliger Basis« in EU-Staaten verteilt werden, ist Horst Seehofers wesentlicher Bedingung entsprochen worden. Eine EU-weite Quote, wie Angela Merkel sie vorgesehen hatte, ist damit wohl vom Tisch.
Auch die engsten Verbündeten des Schattenregenten Seehofer, der österreichische Kindkanzler Kurz und die faschistische Lega in Italien, sind zufriedengestellt. Matteo Salvini, den man sich gar nicht anders als mit Baseballschläger und Brandflasche vorstellen kann, wird die Hatz auf Fremde nun als Safari inszenieren. Die EU-Regierungschefs haben (und ihre Sprache verrät sie) »Ausschiffungsplattformen« beschlossen, in denen Migranten auf afrikanischem und asiatischem Territorium eingesperrt werden können – bevor sie in die Verlegenheit kommen, im Mittelmeer ertrinken zu müssen, weil sie an europäischen Häfen nicht anlegen dürfen. Die »Ausschiffung« ist also nichts anderes als eine Gebietserweiterung der EU, weit über den Kontinent Europa hinaus, und ein grauenhafter Euphemismus: für Internierungslager. Kurzens »Achse der Willigen« ist damit Realität. Und die BRD ist ihr Zentrum.
Solange diese Aufgabenteilung funktioniert, wird die Koalition halten: Die CSU prescht vor, droht und erpresst, die SPD fabuliert von »Schmerzgrenzen«, die niemand dieser indolenten Partei mehr abnimmt, und die CDU knickt ein, wie sie immer einknickt: Geräuschlos. In diesem Reigen wird die AfD höchstens noch als Stichwortgeber gebraucht.
Willkommenskultur 2018: Links ein Lager, rechts ein Lager, um Europa hoch den Elektrozaun! Die reaktionärsten Teile des deutschen Kapitals bekommen, was sie wollen, weil die CSU die wahre Regierungspartei ist.
Aus: Tageszeitung junge Welt, 30.06.2018. Jetzt abonnieren!