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Was haben der letzte und der kommende 1. Mai – der offiziell so genannte Tag der Arbeit – mit Karl Marx: Das Kapital, Band 1 zu tun? Anscheinend doch ein wenig zu viel für das, was an wirklich Erhellendem um diesen Zeitpunkt herum noch den Unteren derzeit zugestanden werden kann. Zumindest von den maßgeblichen Leuten in unserem gegenwärtigen öffentlich zu Unrecht herrschenden Rundfunk.

In dieser Hinsicht durfte der mündige und Marx-interessierte Hörer um den 1. Mai herum mit seinem Sender mal wieder seine Erfahrungen machen. Die Hörspielredaktionen des WDR 3 und des Deutschlandfunks hatten zunächst wohl guter Dinge eine Produktion namens "Karl Marx: Das Kapital, Band 1" für den 30. April und 1. Mai – und nicht gerade zu nachtschlafender Zeit – auf den Sendeplan gesetzt. Möglicherweise hatten sie, letztendlich auch bloß lohnarbeitende Zeitgenossen, ein wenig an sich selbst dabei gedacht. Und dass der olle Marx doch so ein seltener Gast im freien Staatsrundfunk sei.

Ein Glücksfall auch für mich, sagte sich der interessierte Hörer. Bloß rechtzeitig am Apparat sein und fix aufnehmen. Am Vormittag noch auf der Mai-Demo mit wenig Marx und Kampftag und so und am Abend wird mal etwas selten Passendes vom bürgerlichen Medium geboten: Das auferstandene Gespenst mit Originaltext als Kulturprogramm. Welch ein runder 1.-Mai-Feiertag wäre das geworden. Daraus wurde in unserer sogenannten FreiheitlichDemokratischenGrundOrdnung schließlich doch nichts.

Das lebendige Kapital in seiner leibhaftigen Gestalt als geflissentliche Rundfunkleitung hatte dazwischen gefunkt. Die beiden vorgesehenen Sendung sind erst einmal abgesetzt und auf einen unbekannten späteren Zeitpunkt verschoben worden. Das ließ zumindest der Deutschlandfunk gnädigerweise die ihn finanzierenden Untertanen draußen an den Geräten wissen.

Gewitzt, wie es sich für den aufgeklärten Hörer gehört, fragt der sich nun: Was lernen wir daraus? Das Gespenst – geht es nach den Herrschaften – soll nie mehr so richtig lebendig werden, zumindest in ihrem heutigen Groß-Europa. Wehre den Anfängen, wenn es um allzu große ideologische Nähe zu den Kernfragen der Krise – steigende Börsenwerte, sinkende Löhne und Angst vor Arbeitslosigkeit – in diesem Lande geht. Gerade jetzt, wo es um härteste Lohn- und Abwehrkämpfe und eine Richtungsentscheidung in den Organisationen der Arbeitenden und Erwerbslosen gehen sollte. Ja, aus verstaubten Bibliotheksregalen und in akademischen Zirkeln kann sich jeder in diesem Lande, so lange und frei bedienen ... ja, wie kein neues Bücher-, wahlweise auch Parteienverbot auf der (Marx-)vernagelten Linken notwendig wird. Den Zeitpunkt in einem deutschlandweiten Sender bestimmen aber immer noch wir.

Zwar gibt es keine ihrer Befreiung harrenden Ostbrüder und -schwestern mehr zu beglücken, ein wenig Wachsamkeit kann aber nicht schaden. Hält ihn eine Mehrheit in West und Ost nicht nach wie vor für eine der bedeutendsten Personen der Weltgeschichte? Und könnte ihn – ein Graus – womöglich wieder für allzu aktuell und folglich gar irgendwann als handlungsleitend nehmen? Aber gemach. Im Gegensatz zu den Beherrschten wurde – einmal theoretisch gesiegt – der Kommunismus von allen europäischen Mächten nie als eine mögliche Macht verkannt, wie schon der beflügelnde Alte mit dem markanten Bart wusste.

 
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