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Berlin baut seine militärisch-rüstungsindustrielle Zusammenarbeit mit den ostasiatischen Rivalen der Volksrepublik China aus. Vor einigen Tagen haben die Verteidigungsministerien Deutschlands und Japans ein Abkommen unterzeichnet, das die "Zusammenarbeit im Bereich Wehrtechnologie" intensiviert. Schon seit Jahren dringen deutsche Waffenschmieden auf eine stärkere Beteiligung an Tokios Rüstungsmarkt, der vor allem aufgrund des Machtkampfs gegen Beijing kontinuierlich expandiert. Zudem weiten die deutschen Streitkräfte ihre Kooperation mit der japanischen Armee aus; eine entsprechende Vereinbarung hat zuletzt die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg getroffen. Auch die Zusammenarbeit mit dem südkoreanischen Militär wird jetzt gestärkt; Seoul, einer der bedeutendsten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie, hat mittlerweile die südkoreanischen Kriegsschiffe, die am Kampf gegen Piraten am Horn von Afrika teilnehmen, der dortigen EU-Operation unterstellt.

Spannungen in Ostasien

Berlin ist bereits seit Jahren um den Ausbau seiner militärpolitischen und rüstungswirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Tokio bemüht. Hintergrund sind die zunehmenden Spannungen in Ostasien. Zum einen spitzt sich der Konflikt zwischen dem Westen und Nordkorea immer weiter zu1; zum anderen haben die Vereinigten Staaten und - wenngleich noch in geringerem Maße - die EU den Machtkampf gegen China um Einfluss im Süd- und im Ostchinesischen Meer aufgenommen2. Japan ist der engste Verbündete der USA in der Region, arbeitet mit der NATO zusammen und gilt in den eskalierenden Konflikten Ostasiens als Schlüsselpartner des Westens. Zugleich rüstet es massiv auf; Ministerpräsident Shinzō Abe hat den Militäretat für das laufende Haushaltsjahr erneut aufgestockt - zum fünften Mal in Folge -, will den Verfassungsartikel abschaffen, der militärische Auslandsoperationen eigentlich verbietet, und steuert auch sonst einen stark nationalistischen Kurs (german-foreign-policy.com berichtete3). Im deutschen Establishment wird dies grundsätzlich begrüßt und gefördert. Im November 2016 hat der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck auf einer Japanreise bei der Bevölkerung, in der es noch erhebliche Widerstände gegen die geplante Verfassungsänderung gibt, um Zustimmung zur Militarisierung des Landes geworben.4

"Führungskräfteseminar" in Tokio

Die Militärkooperation, an der die Bundesregierung systematisch arbeitet, umfasst inzwischen mehrere Bereiche. Die Marinen beider Länder unterhalten regelmäßige Besuchskontakte, haben zuweilen gemeinsame taktische Manöver durchgeführt und auch Soldaten in Ausbildungsfahrten des anderen Landes entsandt; der Ausbau der Beziehungen wird dabei durch die parallelen Einsätze im Kampf gegen Piraten am Horn von Afrika - auch Japan beteiligt sich daran - erleichtert. Seit Jahren ist zudem von einem Ausbau der Heereskooperation die Rede, der allerdings bislang keine entscheidenden Fortschritte zu machen scheint. Zwischen den Luftwaffen und den Sanitätsdiensten Deutschlands und Japans sind engere Kontakte zumindest angebahnt worden. Anfang Juli vereinbarten die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg sowie Japans Joint Staff College in Tokio einen regelmäßigen Austausch in puncto Militärausbildung, der nun mit gegenseitigen Besuchen verstetigt werden soll.5 Darüber hinaus intensiviert die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) ihre Kontakte zu Japans National Institute for Defense Studies (NIDS) - etwa im Rahmen ihres "Führungskräfteseminars", dessen Teilnehmer regelmäßig nach Tokio reisen.

Mit deutschen Glattrohrkanonen

Ergänzend bemühen sich deutsche Waffenschmieden schon seit Jahren um besseren Zugang zum japanischen Rüstungsmarkt, der dank des anschwellenden japanischen Militärhaushalts attraktive Gewinne verspricht. Bislang sind die deutschen Rüstungsexporte nach Japan recht gering. Zwar konnten deutsche Konzerne kleinere Erfolge erzielen; so sind etwa die japanischen Kampfpanzer "Type 9" und "Type 10" mit 120-mm-Glattrohrkanonen von Rheinmetall ausgestattet. Dennoch stagnieren die jährlichen deutschen Rüstungsausfuhren nach Japan in gerade einmal zweistelliger Millionenhöhe. Bereits 2011 drängten deutsche Waffenschmieden Berlin, den "traditionell eher geschlossenen japanischen Markt" für ihre Produkte zu öffnen 6; nennenswerte Erfolge blieben jedoch aus. Anfang 2015 nahmen die Regierungen beider Länder Gespräche über ein Abkommen auf, das am 17. Juli 2017 unterzeichnet wurde. Es schafft, wie das Verteidigungsministerium mitteilt, einen "Rahmen für die Zusammenarbeit im Bereich Wehrtechnologie".7 Japan hat, wie japanische Medien berichten, vor allem Interesse an schnelleren gepanzerten Truppentransportern zum Einsatz auf seinen entlegeneren Inseln.8

U-Boote, Marschflugkörper, Munition...

Anders als Japan gehört Südkorea, ebenfalls Standort umfangreicher US-Truppenverbände und enger Militärpartner der USA, schon seit Jahren zu den bedeutendsten Käufern deutschen Kriegsgeräts außerhalb von EU und NATO. Allein von 2001 bis 2012 beliefen sich die deutschen Rüstungsexporte in das Land auf insgesamt 4,4 Milliarden Euro; seither pendeln sie zwischen 200 und 500 Millionen Euro pro Jahr. Einen wichtigen Posten bei den südkoreanischen Beschaffungen in Deutschland bilden HDW-U-Boote der Klasse 214; neun Exemplare davon werden - auf der Basis des deutschen Designs sowie deutscher Zulieferungen - von koreanischen Werften in Lizenz montiert. Seoul hat darüber hinaus Patriot-Flugabwehrraketen aus Deutschland übernommen und kauft in der Bundesrepublik Luft-Boden-Marschflugkörper vom Typ Taurus KEPD 350K. Laut Angaben des schwedischen Forschungsinstituts SIPRI war Deutschland in den fünf Jahren von 2012 bis 2016 Südkoreas zweitgrößter Lieferant von Großwaffensystemen. Darüber hinaus ersteht das Land auch deutsche Schusswaffen - etwa vollautomatische Gewehre von Heckler und Koch - sowie deutsche Munition in erheblichem Umfang.

Für die EU im Einsatz

Berlin strebt nun offenkundig auch eine engere Streitkräftekooperation an. Bereits jetzt nehmen südkoreanische Offiziere an den General- und Admiralstabslehrgängen der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg teil. Einmal im Jahr trifft dort auch eine größere Delegation der Joint Forces Military University aus Daejeon zum fachlichen Austausch ein. Vom 17. bis zum 24. Juni hielt sich nun im Gegenzug eine Delegation der Luftlandebrigade 1 aus Saarlouis in Südkorea auf. "Durch den Austausch von Fachkräften zur gemeinsamen Ausbildung, sowohl an deutschen Ausbildungseinrichtungen als auch an südkoreanischen", könnten die Beziehungen zwischen den Streitkräften beider Länder "weiter vertieft" werden, erklärte anschließend der Leiter der Bundeswehrdelegation, Oberstleutnant Jürgen Auweiler, der vor allem "die beispiellose Disziplin" der koreanischen Soldaten lobte.9 Die südkoreanische Marine beteiligt sich inzwischen sogar an EU-Militäreinsätzen. Rechtliche Grundlage dafür ist das Framework Participation Agreement mit der EU, das Seoul am 3. November 2016 ratifizierte. Im März hat das Land, wie das Auswärtige Amt konstatiert, "seine am Horn von Afrika operierenden Kriegsschiffe der EU Atalanta-Mission unterstellt"10 - mit der Eingliederung des Zerstörers Choi Young in den EU-Marineverband. Brüssel weitet mit dem Schritt sein Kriegspotenzial weiter aus.


Anmerkungen:
1 S. dazu Das Jahr der Entscheidung.
2 S. dazu Ostasiens Mittelmeer (I), Ostasiens Mittelmeer (II) und Kriegsübungen im Pazifik.
3 S. dazu Partner am Pazifik.
4 S. dazu Der Militarisierungshelfer.
5 Inka v. Puttkamer: Mit vertiefter Zusammenarbeit in die gemeinsame Zukunft. www.fueakbw. 03.07.2017.
6 S. dazu Arbeitsaufträge an den Bundespräsidenten.
7 Rüstungsabkommen: Japan an deutscher Panzertechnologie interessiert (Nachtrag). augengeradeaus.net 19.07.2017.
8 Ryo Aibara: Japan quietly inks deal with Germany on defense sharing. www.asahi.com 19.07.2017.
9 Luftlandebrigade 1 zum ersten Mal in Südkorea. www.deutschesheer.de 17.07.2017.
10 ROKS Choi Young joins counter-piracy operation Atalanta. navaltoday.com 03.03.2017.



 
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