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www.secarts.org dokumentiert an dieser Stelle ausgewählte Statements einer aktuellen Diskussion aus der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) um Fragen der Stellung von Kommunisten zur Europäischen Union.
Wir, als überparteiliche Webseite und nicht parteigebundene Diskussionsplattform, begrüßen die breite Diskussion dieser für die gesamte Linke wichtigen Fragen, auch über die DKP hinaus. Wir machen uns als Redaktion von secarts.org nicht gemein mit allen Standpunkten der Debatte. Eine Veröffentlichung weiterer Diskussionsbeiträge behalten wir uns vor.


www.secarts.org-Redaktion.


EU auflösen?
Oder wie man sich ins politische Abseits manövriert


Die EU sei aufzulösen, weil sie ein imperialistisches Zweckbündnis ist, schreiben Patrik Köbele und Wera Richter und begründen damit ihre Ablehnung des Antrages des Parteivorstandes, sich an einer Kampagne der EL zu beteiligen. Schade, dass ihre Überlegungen bei dieser scheinradikalen Gedankenfigur "Auflösung" endet. Denn spannend wäre doch zu wissen, was sich ändern würde, wenn die reaktionäre Politik der EU dann nicht mehr von deren Gremien, sondern von den Nationalstaaten ausgeübt würde. Kann die Rückkehr zu den Formationen der alten Nationalstaaten eine Lösung der sozialen und politischen Probleme sein?
Ein von imperialistischen Nationalstaaten beherrschtes Europa ist doch nicht besser als eines, das von europäischen Institutionen dominiert wird.
Außerdem rückte uns diese Position in die Nähe nationalkonservativer und reaktionärer Kreise, die schon bei der letzten EU-Wahl mit der Losung antraten "Sozial geht nur national". Diese Nähe unterstelle ich natürlich nicht den EU-Auflösern in der DKP, fordere aber dazu auf, dieses Problem zur Kenntnis zu nehmen und über die praktischen Konsequenzen nachzudenken.
Und würde es nicht der Auflösungslogik entsprechen, dann auch die Auflösung der imperialistischen Nationalstaaten zu fordern, für die doch auch zutrifft, was zu Recht an der EU kritisiert wird? Die Forderung nach Auflösung der EU ist die Dokumentation einer politischen Hilflosigkeit, die weit hinter den langjährigen Diskussionsprozess über unsere Position zur EU zurückfällt, die wir dann im Parteiprogramm festgeschrieben haben: Die EU ist eine imperialistische Konstruktion und sie kann "ohne einen grundlegenden Umbruch in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen" nicht zu einem demokratischen, zivilen und solidarischen Gegenpol werden, schreiben wir da.
Die Schlussfolgerung aber die sich daraus ergibt, ist im Parteiprogramm das Gegenteil dessen, was Wera und Patrik empfehlen. Es geht nicht um die Auflösung der EU sondern: "Die weitere Entwicklung der EU wird davon abhängen, inwieweit es der gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterbewegung, der globalisierungskritischen Bewegung, den demokratischen Kräften gelingt, im gemeinsamen Handeln die Beherrschung der EU-Institutionen durch das Monopolkapital einzuschränken, diese Institution zu demokratisieren und selbst Einfluss auf deren Entscheidungen zu gewinnen." Die EU ist also nicht abzuschaffen, sondern sie ist ein Feld des Klassenkampfes und der notwendigen Kooperation der Arbeiterklasse und aller fortschrittlichen Kräfte.
(Welch eine Logik auch, uns am Wahlkampf zur Europawahl zu beteiligen oder für das EU-Parlament zu kandidieren, wo dies doch aufzulösen sei). Fest steht doch, dass schon heute die überwiegende Mehrheit der Bestimmungen, Regeln, Gesetze und Vorschriften, die unser Leben bestimmen von EU-Institutionen vorgegeben werden. Geht es darum diese Institutionen abzuschaffen und ihre Kompetenzen auf die Nationalstaaten zu übertragen? Oder geht es darum auf europäischer Ebene den Kampf gegen die sozialreaktionäre Politik zu führen, an der Idee eines anderen Europas zu arbeiten, an den europaweiten Kämpfen wie gegen die Bolkesteinrichtlinie, der europäischen Hafenarbeiter oder der Bewegung gegen Privatisierung anzuknüpfen? Nicht die "Abschaffung der EU" sondern der gemeinsame Kampf um eine anderes Europa, ein ökologisches, ein antimilitaristisches, ein soziales Europa muss unsere Aufgabe sein.

"Es gibt ein breites Spektrum von Kräften, die sich mit der ... EU-Entwicklung und ihren Folgen nicht abfinden wollen und können, weil ihre elementaren Lebensverhältnisse verletzt werden. Dieses Spektrum reicht von Gewerkschaften, Linkssozialisten, Sozialdemokraten und globalisierungskritischen, sozialen, ökologischen und antiimperialistischen Bewegungen, bis zu christlichen Kreisen. Ihr politischer Wille kristallisiert sich in mehr oder weniger ausgeprägten Vorstellungen von einem anderen Europa oder einem sozialen Europa. Im gemeinsamen Handeln mit all diesen Kräften liegt der Schlüssel zur Veränderung des Kräfteverhältnisses ... für ein anderes Europa." (Georg Polikeit, UZ vom 20. 11. 2009) Innerhalb dieser Bewegungen ist die Forderung nach "Abschaffung der EU" nicht politikfähig, weil sie objektive ökonomische und gesellschaftliche Verhältnisse ausblendet, auf deren Grundlage wir an Alternativen arbeiten müssen.
Geradezu grotesk wirken Patriks und Weras Bedenken, mit der Beschlussfassung des Textes, wie in der UZ vom 3.Juni, würde ein Teil der Partei ausgegrenzt, die Spaltung der Partei vertieft und der Antrag stütze beim Streitpunkt EU einseitig nur eine Richtung in der DKP. Letzterem kann ich zustimmen: Der Text des Antrages stützt einseitig die Richtung, die mit dem Parteiprogramm vorgegeben ist: Die EU ist Feld des Klassenkampfes und das heißt, es gilt den Kampf um die Demokratisierung ihrer Institutionen zu führen.

Da wird weder ausgegrenzt noch gespalten, sondern es wird versucht, das Parteiprogramm in reale Politik umzusetzen. Ein wichtiges Beispiel für die Nützlichkeit des Antrages ist der darin enthaltene Vorschlag für einen europäischen Fond für soziale Entwicklung. Mit diesem Fond, heißt es im abgelehnten Antrag, der u. a. aus einer Finanztransaktionssteuer gespeist würde, solle ein ökologischer Umbau und die Schaffung von Arbeitsplätzen finanziert werden. Dieser Fond soll nicht von den Finanzmärkten abhängen, sondern im Gegenteil deren Macht einschränken. Ein Fond unter demokratischer Kontrolle und öffentlicher Transparenz also das Gegenteil der sog. Rettungsschirme. Soweit der abgelehnte Antrag.
"Abenteuerlich", schreiben die Gegner des Antrages, weil sich dafür eine Bürgerinitiative bilden und eine Million Unterschriften gesammelt werden müssten. Seit wann finden wir Bürgerinitiativen und Unterschriftensammlungen auf europäischer Ebene abenteuerlich? Die Unterschriftensammlung ist nur ein Mobilisierungshebel - wie es z. B. auch der Krefelder Appell war (bei dem es nicht einmal den Zwang der öffentlichen Erörterung durch die Regierung gab). Trotzdem haben Partei und die Friedensbewegung dieses Instrument "Unterschriftensammlung" hervorragend genutzt.
Diese Idee trifft doch gerade auf die zentrale Losung der sozialen Bewegungen und Gewerkschaften, die lautet: "Wir zahlen nicht für eure Krise", denn sie beantwortet die Frage, wer statt uns für die Krise bezahlen soll. Es mag ja sein, dass es noch bessere Ideen gibt als diesen Fond, sie finden sich aber auch bei Patrik und Wera nicht.

Es stimmt schon, was beide schreiben: Wenn die ganze Partei mitgehen soll, muss in der ganzen Partei über die Kampagne diskutiert werden. Aber wie soll "die ganze Partei" über eine Kampagne diskutieren, die gar nicht zur Debatte gestellt wird?

Schwer vorstellbar ist, wie auf der Grundlage einer Losung "Abschaffung der EU" die Kämpfe auf nationaler und europäischer Ebene miteinander verbunden werden können. Diese Losung ist konservativ und rückwärts gewandt auch deshalb, weil heute kaum noch ein gesellschaftspolitisches Problem auf nationalstaatlicher Ebene im Interesse der Mehrheit der Menschen lösbar ist. Es muss doch darum gehen, dass sich in den Kämpfen gegen die sozialreaktionäre Politik der EU und ihrer Institutionen Kräfte formieren, die das Europa des Kapitals überwinden und für ein demokratisches und sozialistisches Europa eintreten. Ein anderes Europa, die Überwindung der kapitalistischen EU wird nicht über deren "Abschaffung" gehen, sondern nur über den Kampf gegen ihre heutigen Strukturen und deren Politik.


Ãœbernommen aus der UZ - Unsere Zeit, Zeitung der DKP - vom 10.06.2011.


 
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