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Referat von Gretl Aden und Rolf Fürst, KAZ-AG »Zwischenimperialistische Widersprüche«. Gehalten auf der VI. Konferenz "Der Hauptfeind steht im eigenen Land", Göttingen, Mai 2014. [ gehe zu Teil I ]


Auch die aktuellen, äußerst widersprüchlichen Beziehungen des deutschen Imperialismus zur Russischen Föderation, sind davon geprägt, dass einerseits das Bündnis mit der russischen Bourgeoisie gesucht wird, um so gegen die imperialistischen Konkurrenten im Westen an Stärke zu gewinnen, andererseits alles getan wird, um auch diesen Bündnispartner zu schwächen und ihn sich so zum Feind zu machen. Dieser Charakter der Beziehungen hat ebenfalls eine sehr lange Tradition, auf die wir hier nur schlaglichtartig eingehen. So gab es seit den Zeiten der »Heiligen Allianz« (1815), diesem reaktionären Bündnis zwischen dem Zarentum, Preußen und Habsburg zur Niederschlagung bürgerlich revolutionärer Bewegungen, rege wirtschaftliche Beziehungen, was den Handel, wie auch den Kapitalexport betrifft. Doch aufgrund des Eindringens in russische Einflusszonen durch den Bau der Bagdad-Bahn, wie auch durch das Zollgesetz von 1902 gegen russische Getreideeinfuhren und schließlich dem Untersagen weiterer deutscher Anleihen für die russische Eisenbahn- beides Zugeständnisse an die Junker, um sich im Gegenzug deren Zustimmung zur Flottenvorlage zu sichern - trieb man den russischen Zaren in die Arme Frankreichs. Kaum waren der 1. Weltkrieg und die Interventionskriege beendet und völlig unberührt von der Tatsache, dass sich der Klassencharakter des russischen Staates durch die Oktoberrevolution der russischen Arbeiter und Bauern völlig geändert hatte, führte man den Handel mit der jungen Sowjetunion fort. Diese musste die bestehenden Widersprüche zwischen den Imperialisten ausnutzen, um die wirtschaftliche Isolierung aufzubrechen, während sich die deutsche Monopolbourgeoisie dadurch Schlupflöcher aus dem Versailler-Vertrag suchte (Vertrag von Rapallo 1923). Gleichzeitig hetzte man permanent gegen die Sowjetunion und bereitete so den Krieg gegen den größten, weil existenziellen Feind der Bourgeoisie vor, die Arbeiterklasse, schon gar, wenn sie an der Macht ist. In den 70iger Jahren des letzten Jahrhunderts dann wurde das Gasgeschäft mit der Sowjetunion eingefädelt - die UdSSR lieferte das Gas, Mannesmann die Röhren - um sich so unabhängiger von den US-amerikanischen und britischen Gas-und Ölmonopolen zu machen. Gleichzeitig bereiteten die Herrschenden hier in bester Zusammenarbeit mit den Herrschenden in den USA durch Entspannungspolitik und permanente Wühlarbeit den Weg für die Konterrevolution. Soweit die wenigen Schlaglichter aus der Geschichte.

Durch EU-Osterweiterung und Zerschlagung Jugoslawiens schwächte der deutsche Imperialismus wiederum nicht nur die europäischen Bündnispartner im Verhältnis zur dadurch gewonnenen eigenen Stärke, sondern drängte auch den Einfluss Russlands zurück. Dessen alte und neue Bourgeois waren überhaupt erst dabei, sich nach den Konterrevolutionen wieder zu organisieren und sahen sich darüber hinaus durch die Unabhängigkeitserklärungen vieler ehemaliger Sowjetrepubliken mit einem rapiden Schwinden einstiger Größe konfrontiert. Der Handel und die industrielle Zusammenarbeit Russlands mit den östlichen EU-Beitrittskandidaten kamen, mit Ausnahme der Gaslieferungen, praktisch zum Erliegen.

Gleichzeitig nutzte die deutsche Monopolbourgeoisie und ihr politisches Personal ihre über ein Jahrhundert gewachsenen, vielfältigen Verbindungen zu Russland, zu denen nun noch die Verbindungen der einverleibten DDR hinzu kamen, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Sinne vor allem deutschen Waren- und Kapitalexports auszubauen. Kohl und Jelzin stellten bereits 1992 fest, dass sie sich durchaus eine Freihandelszone zwischen der EU und Russland vorstellen könnten, Überlegungen, die bis heute innerhalb der herrschenden Klasse existieren, aber aus nachvollziehbaren Gründen auf wenig Gegenliebe bei den europäischen Bündnispartnern stoßen. Vor allem die Rot/Grüne Regierung unter Schröder intensivierte im Sinne der deutschen Monopolbourgeoisie die Beziehungen zur russischen Regierung unter Putin, und schaffte so die Voraussetzungen für die Monopole, auch an die Quellen des Gases zu kommen.

Die Ökonomie Russlands lag Mitte der 90er-Jahre in der sogenannten Russland-Schuldenkrise am Boden. Ausgehend von dieser Lage hat sich das Bild mittlerweile stark gewandelt. Ab der Jahrtausendwende hatten sich Teile der russischen Bourgeoisie durchgesetzt, die mit der neuen Staatsführung unter Wladimir Putin geordnetere Formen bürgerlicher Herrschaft vorantrieben. Die russische Regierung begann, die galoppierende Kapitalflucht einzuschränken, die Industrie wieder aufzubauen und eben die Rohstoffe, vor allem Öl und Gas im Kampf gegen nationale Konkurrenz und internationale Begehrlichkeiten in staatsmonopolistische Hände zu konzentrieren. So wurden große Gas- und Ölmonopole zusammengeschoben und ausländischer Besitz daran erschwert. Dies traf damals vor allem auch amerikanische und britische Ölkonzerne, während die Beteiligung von e.on an Gazprom unangetastet blieb, ist doch Gazprom der Konzern, der aufgrund des Gas-Röhrengeschäftes jahrzehntelange Verbindungen zur Deutschen Bank hat. Politisch äußerte sich dieses Bündnis dann 2003 in dem gemeinsamen »Nein« zum Irakfeldzug des US-Imperialismus, der bisher offensten Konfrontation des transatlantischen Bündnispartners durch den deutschen Imperialismus.

Heute ist Russland die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt mit hohem Exportanteil. Das Bruttoinlandsprodukt wurde in den letzten 10 Jahren von 430 Mrd. US$ auf über 2 Billionen verfünffacht, ebenso wuchs der Export stark an. Dabei besteht die quasi spiegelbildliche Schwäche zum deutschen Imperialismus: Während das deutsche Kapital vorwiegend Industrieprodukte exportiert und Energie in hohem Maße importieren muss, besteht der Export aus Russland zu zwei Drittel aus Öl- und Gaslieferungen, die Industrieproduktion ist stark unterrepräsentiert. Mit Anteil von jeweils 18% an Welt-Öl- und –Gasproduktion liegt Russland bei beiden Produkten jeweils auf Platz zwei weltweit. Bemerkenswert ist dabei der Aufstieg auch im Ölexport. Unter Anderem mit der staatlich kontrollierten Firma »Rosneft« stiegen die Ölexporte aus Russland seit dem Jahr 2000 von 36 Mrd. US$ auf 285 Mrd. US$ in 2012. Damit wird im Geldwert sogar mehr Öl als Gas exportiert! Diese Tatsache wird in der Diskussion hierzulande stark unterbelichtet, vermutlich weil die Abhängigkeit bei Gaslieferungen für das deutsche Kapital deutlich höher ist. Gaslieferungen sind immer noch weitgehend von Transportleitungen über Land abhängig, während Öl schnell anderweitig beschafft werden kann.

Durch die genannte Einbindung des Staates in russische Öl- und Gasmonopole wurde die Staatsverschuldung auf 12% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) reduziert, Deutschland liegt im Vergleich beispielsweise bei 79%. Mutmaßlich wird 50% des Staatshaushaltes über Energieexporte eingenommen. Dies ist ein großes Potential im Konkurrenzkampf, bedeutet aber auch eine starke Abhängigkeit vom Fortgang dieser Exporte und nicht zuletzt vom Marktpreis für Öl und Gas.

Der Warenexport aus Deutschland nach Russland beträgt 38 Milliarden US$ und teilt sich in die üblichen Warengruppen auf:

Durchaus maßgebliche Teile der deutschen Monopolbourgeoisie arbeiten heute eng mit russischen Unternehmen zusammen – wie z.B. Siemens, deren eingangs schon erwähnter Vorstandsvorsitzender Kaeser trotz bzw. wegen der Verhandlungen über Wirtschaftssanktionen vor kurzem demonstrativ Putin einen Besuch abgestattet hat. Große Projekte, wie die Nord-Stream-Pipeline, vereinbart zwischen Gazprom, e.on und BASF, unterstützt von der Deutschen Bank (deren über Hermes-Bürgschaften abgesichertes Kreditangebot Gazprom dann aber nicht brauchte) waren zunächst rein deutsch-russische Projekte, deutsche Alleingänge auf der Ebene der Monopole. Da spielte das Weimarer Dreieck, eine besondere Zusammenarbeit zwischen Polen, Frankreich und Deutschland innerhalb der EU, das im Zuge der Ukraine-Krise wiederbelebt worden ist, überhaupt keine Rolle. Ganz im Gegenteil, Polen protestierte damals heftig, fürchtete es doch die deutsch-russische Umklammerung und wandte sich weiterhin mehr dem US-Imperialismus zu. Französische Monopole sahen sich zunächst schlichtweg übergangen. Erst später wurden die französische Gaz de France und die niederländische Gasunie mit geringeren Beteiligungen mit ins Boot geholt. Die Nord-Stream-Pipeline wurde so zum »europäischen« Projekt. BASF ist über die Tochter Wintershall an drei Gemeinschaftsprojekten mit Gazprom zur Förderung von Öl und Gas beteiligt1, in das Erdgasförderprojekt Juschno Russkoje ist zudem inzwischen auch e.on eingestiegen.

Noch Mitte der 1990er-Jahre war das deutsche Auslandskapital in Russland deutlich unter 1 Mrd. EUR, in den letzten 10 Jahren erfolgte ein deutlicher Anstieg. Insgesamt verzehnfachten sich die deutschen Direktinvestitionen in Russland zwischen 2002 und 2012 von 2 Milliarden Euro auf über 20 Milliarden. Diese sind sowohl in Produktionsbetrieben, als auch in Handelskapital angelegt. In 2013 kam es in Russland zu einer Riesentransaktion ausländischen Kapitals: 18,5% der Anteile vom größten Ölkonzern Rosneft wechselten für 40 Milliarden Euro zum britischen Monopol BP! Insgesamt sind die ausländischen Kapitalgeber in Russland teilweise schwer zuzuordnen und nicht vollständig exakt ermittelbar. Es liegen unterschiedliche Zahlen vor. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkung ist jedoch festzustellen, dass angeführt von BP nunmehr britisches Kapital der größte Anleger in Russland ist, gefolgt von den Niederlanden, China und Deutschland. Bei den Niederlanden ist der britisch-niederländische Ölkonzern Shell mit 27,5% minus eine Aktie an dem Sachalin II-Projekt (Förderung von Gas, das als Flüssiggas verschifft wird) ausgewiesen. Es bestehen weitere Kapitalbeteiligung niederländischer Monopole bei Energieprojekten in Russland:

Eintrübung der deutsch-russischen Beziehungen in den letzten Jahren

Trotz dieser für die deutschen Monopole erfolgreichen, wenn auch von anderen, vor allem Energiemonopolen durchaus nicht unangefochtenen, wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Russland, trübte sich das deutsch-russische Verhältnis in den letzten Jahren merklich ein. In der deutschen Presse spiegelte sich das in zunehmender Hetze gegenüber der russischen Regierung, ihrer »Unterdrückung der Opposition«, dem autoritären Führungsstil Putins usw. wider. So kam es z.B. 2012 zu einem diplomatischen Eklat, als der russische Außenminister erklärte, den Beauftragten der Bundesregierung für die deutsch-russische Kooperation, Andreas Schockenhoff, nicht mehr als solchen anerkennen zu wollen. Schockenhoff hatte die russische Führung scharf kritisiert wegen ihres Vorgehens gegen z.B. die Punkband Pussy Riot. Doch das Auswärtige Amt hier beharrte selbstverständlich auf Schockenhoff.

Hintergrund für diese zunehmende Konfrontation ist zum einen, dass die deutsche Monopolbourgeoisie immer offener Forderungen an den russischen Staat stellt nach Privatisierung der staatlichen Monopole, Entbürokratisierung, Rechtsstaatlichkeit, Förderung des Mittelstandes. Hindernisse für die Freiheit des deutschen Kapitals, tun und lassen zu können, was es will, sollen beseitigt werden. So will man sich z.B. nicht mit Minderheitenbeteiligungen zufrieden geben, sondern Konzerne auch ganz übernehmen können. Es ist der Drang nach Beherrschung, der dem Monopol eigen ist. Und ganz besonders der deutsche Imperialismus kann eben den Hals nicht voll genug bekommen. Diese Forderungen sind aber dem Interesse der russischen Regierung als Gesamtkapitalist nach zentralen, staatlich kontrollierten Monopolen vor allem im Energiebereich, wie neben Gazprom nun Rosneft zum weltweit größten Ölförderer geformt worden ist, entgegengesetzt. Die Beteiligung westlicher und dabei vor allem auch deutscher Unternehmen ist erwünscht, auch um die russische Wirtschaft zu modernisieren, doch die Bedingungen will doch tatsächlich der russische Staat im Auftrag derjenigen Kapitalvertreter, die einen Großteil der russischen Wirtschaft kontrollieren, selbst bestimmen. Die Forderung nach »freiem Unternehmertum«, die Förderung des Mittelstands durch z.B. die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die in den Demonstrationen gegen Putin erste Erfolge zeitigte, ist für diese Kapitalvertreter durchaus als Kampfansage zu verstehen.2

Der andere Grund für die zunehmende Konfrontation zwischen der BRD und der Russischen Föderation ist das europäisch verhüllte deutsche Vorantreiben der »Abtrennung der Vasallenvölker« von Russland, wie ein Kriegsziel im 1. Weltkrieg lautete. Es reicht nicht, dass die ehemaligen Sowjetrepubliken Anfang der 90iger Jahre ihre Unabhängigkeit erklärt haben und damit längst abgetrennt sind; dass die baltischen Staaten bereits Mitglieder der Europäischen Union sind. Der Einfluss Russlands in den an seinem südlichen Rand Richtung Kaspisches Meer liegenden Staaten soll zugunsten des Einflusses der EU und das heißt aufgrund der Kräfteverhältnisse besonders des deutschen Einflusses zurückgedrängt werden.3

So wurde 2008, nach der Georgienkrise, die »Östliche Partnerschaft« mit den Staaten Moldawien, Georgien, der Ukraine, Armenien, Aserbaidschan und ursprünglich auch Belarus ins Leben gerufen, mit dem Ziel EU-Assoziierungsabkommen abzuschließen. Der Inhalt dieser Abkommen ist neben der Abschaffung von Handelsbarrieren für den Waren- und Kapitalverkehr auch weitgehend wirtschaftliche und rechtliche EU-Standards zu errichten. Was das konkret heißt, ist in einem Länderreport der Deutschen Bank über die Türkei nachzulesen, mit der bereits seit Jahren ein solches Abkommen existiert. »Die Rahmenbedingungen ähneln denen der EU. Für den Geschäftsalltag bedeutet das: Die Gesetzgebung entspricht in weiten Teilen der in Westeuropa. Außerdem herrscht für türkische und ausländische Unternehmen Waffengleichheit, Handelshemmnisse oder Markteintrittsbarrieren gibt es praktisch keine.«4 Die Bemühungen der russischen Regierung, eine Eurasische Zollunion mit den ehemaligen Sowjetrepubliken zu schmieden als Gegengewicht gegen die EU, sollen so torpediert werden. Bisher sind - neben Russland – Belarus und Kasachstan beigetreten. Im Herbst 2013 erklärte auch Armenien sich dieser Zollunion anschließen zu wollen. Die Verhandlungen über ein EU-Assoziierungsabkommen mit Armenien waren damit hinfällig geworden. Eine solche Entwicklung sollte bezüglich der Ukraine verhindert werden. Dessen Präsident Janukowitsch hatte sich, aufgrund der Zusage Putins von Preisnachlässen für das russische Gas und der dringend benötigten russischen Kredite für das verarmte Land, Ende November 2013 ebenfalls entschlossen, das Assoziierungsabkommen nicht zu unterzeichnen. Dies wurde verhindert. Die durch einen Staatsstreich an die Macht gekommene, reaktionäre bis faschistische Übergangsregierung, hat inzwischen zumindest den politischen Teil des Abkommens unterschrieben. Nun sollen die Abkommen mit Georgien, vom dem sich Südossetien bereits abgespalten hat, und der Republik Moldau, in der sich die Bevölkerung des Gebietes Gaugasien bereits per Referendum für eine Zollunion mit Russland ausgesprochen hat, möglichst schnell unterzeichnet werden.

Außenpolitischer Spagat

Das Ergebnis dieses Strebens des deutschen Imperialismus nach immer mehr Einfluss und Macht ist aktuell, dass die Krim mit ihrem Schwarzmeerhafen nun wieder zu Russland gehört und ein Teil der ukrainischen Bevölkerung vor allem im Osten des Landes sich ebenfalls lostrennen will. Die Ukraine steht am Rande eines Bürgerkriegs.

Ein weiteres Ergebnis ist, dass die schon in den letzten Jahren zu beobachtende Abwendung des russischen Staates von der Europäischen Union, sprich also vor allem von der BRD, zugunsten einer verstärkten Zusammenarbeit mit zentralasiatischen Staaten und mit Staaten am Pazifik neuen Aufschwung bekommt. So besuchte Putin gerade die Volksrepublik China und vereinbarte dort die Lieferung russischen Erdgases an die Volksrepublik für die nächsten 30 Jahre. (SZ 22.5.2014) Dies wiederum führt zu zunehmenden Widersprüchen mit dem US-Imperialismus, hat Obama doch angekündigt, sich ebenfalls auf dieses Gebiet der Erde zu konzentrieren.

Und – der geschäftsführende Ausschuss der deutschen Monopole, die Bundesregierung, steht vor einem außenpolitischen Spagat, in die sie ihr transatlantischer Bündnispartner, einig mit EU-Staaten wie Polen, aufgrund seiner Forderungen nach harten Sanktionen gegenüber Russland gebracht hat. Man ist zwar bemüht, anders als in der Georgienkrise 2008, nach Außen die Einigkeit des Westens gegenüber Russland zu demonstrieren, doch hinter den Kulissen geht es um den Machtkampf, wer sich letztendlich durchsetzt. Denn die deutsche Monopolbourgeoisie hat keinerlei Interesse an harten Sanktionen gegenüber Moskau, schon gar nicht an Wirtschaftssanktionen. So warnte der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, in dem alle maßgeblichen Monopole vertreten sind, vor einem nachhaltigen Schaden für die europäische Wirtschaft, sollte eine Spirale aus gegenseitigen Wirtschaftssanktionen in Gang gesetzt werden und lobte gleichzeitig ausdrücklich die Bemühungen der Bundesregierung, die Krise diplomatisch zu lösen. »Deutschland kommt in dem Konflikt eine entscheidende Vermittlerrolle zu«, so der Ost-Ausschuss5. Gleichzeitig muss auch nach Meinung der Herrschenden hier verhindert werden, dass sich weitere Teile der Ukraine an Russland anschließen bzw. wie es heißt, sich Russland »weitere Teile einverleibt«. Man erkenne das Primat der Politik an, ist eine derzeit oft geäußerte Meinung von Monopolvertretern, die sich gegen Wirtschaftssanktionen aussprechen.

Doch man will auch nicht, dass der US-Imperialismus einseitig Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland verhängt, denn dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die Geschäfte in und mit den USA.

Die US-amerikanischen Monopole ihrerseits haben wesentlich weniger Probleme mit Wirtschaftssanktionen, da sie in Russland selbst viel weniger investiert haben, als deutsche. Auch der Handel spielt eine geringe Rolle, von den russischen Energielieferungen nach Deutschland und in die EU ganz abgesehen. Die US-amerikanische Strategie war es viel mehr, direkt über die ehemaligen Sowjetrepubliken vor allem an die Öl- und Gasquellen in Zentralasien und an die Kontrolle der Transportwege der Rohstoffe zu kommen. Ein Mittel dazu war das NATO-Programm »Partnerschaft für den Frieden« und ist der Versuch, die Staaten des südliche Kaukasus in die NATO aufzunehmen Dies verschärfte nicht nur die Widersprüche zwischen dem US-Imperialismus und der Russischen Föderation, sondern hat, gerade bezüglich der Ukraine und Georgien, zu heftigen Widersprüchen mit den deutschen Regierungen geführt, die das bisher verhindert haben.6 Ein weiteres war der Krieg gegen Afghanistan. Es hatte seinen Grund, warum die damalige Schröder-Regierung der Bush-Regierung die »deutsche Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus« geradezu aufgedrängt hat. So sah im November 2002 Klaus Mangold, damals Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft und Vorstandsmitglied von Daimler, die gute deutsche Position im Osten nicht unangefochten. »Er beobachte seit dem Krieg in Afghanistan ein wachsendes wirtschaftliches Interesse der Vereinigten Staaten an den Staaten der ehemaligen Sowjetunion«, wie die SZ am 16./17.11.2002 meldete. Auch der US-Imperialismus hat kein Interesse an einer starken Russischen Föderation, aber durchaus auch keines an einem deutschen Imperialismus, der sich mit den Reichtümern im Osten sowohl gegenüber seinen europäischen Bündnispartnern, wie auch gegenüber ihm selbst stärkt. Von daher ist eine Schwächung des deutschen Imperialismus durch Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland durchaus im Interesse der Herrschenden in den USA. Das ist auch der Grund, warum in so manchen Äußerungen sogenannter »Putin-Versteher« die Konfliktlinie angesichts der Ukraine-Krise eher zwischen den USA und der BRD zu verlaufen scheint, als zwischen letzterer und Russland.

Es ist das Messen der Kräfteverhältnisse, das uns an den Rand des Krieges bringt.


Anmerkungen:
1 http://www.wintershall.com/uploads/user_pxbxconnector/pxbxrawdata/48/factsheet-russland-de.pdf
2 siehe dazu auch: »Deutsch-russische Animositäten« von Tomasz Konicz vom 27.10.2012 http://www.heise.de/tp/artikel/37/37895/1.html
3 So erklärte Gernot Erler, damals stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD und zugleich Präsident der Südosteuropa-Gesellschaft, sowie Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, bereits 2002: Die Region des südlichen Kaukasus sei »von großer strategischer Bedeutung. Sie bildet die Schnittstelle konkurrierender, teils kollidierender geopolitischer und energiepolitischer Interessen der Vereinigten Staaten, Russlands sowie der Türkei und des Irans. … Die Bedeutung des kaspischen Erdöls wird aus europäischer Sicht nicht zuletzt aufgrund der in absehbarer Zeit ausgeschöpften Reserven in der Nordsee zunehmen und damit zwangsläufig die Frage der Sicherheit von Transportrouten durch die kaukasische Region aufwerfen. …Dies führt zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass die politische Stabilisierung der Südkaukasusregion .. im elementaren Interesse Europas liegt. Sowohl die EU als auch Deutschland verfolgen in der Region keine unmittelbar geostrategischen Interessen (!?). …im Vordergrund der europäischen Politik steht jedoch das Interesse an … ungehinderter Energiezufuhr aus dem Südkaukasus und Zentralasien.« (Gernot Erler: Regionale Konflikte in der Perspektive der »Nach-September-Welt« – Neue Optionen für den Südkaukasus?; Osteuropa, Heft 2/2002; zit. nach: »Informationen zur Deutschen Außenpolitik, abrufbar unter: www.german-foreign-policy.com/de/news//article/1016048842.php vom 13.3.02)
4 http://www.firmenkunden.deutsche-bank.de/de/content/publikationen/laenderreport_tuerkei.html
5 Pressemitteilung des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft vom 5.4.2014
6 Bereits 2006 warnte die Konrad-Adenauer-Stiftung, die USA zielten darauf ab »weitere pro-amerikanisch orientierte Länder in das Bündnis zu bringen«, um dort die eigene Dominanz auszudehnen. Laut Süddeutsche Zeitung vom 27.11.2008 war das Zerwürfnis zwischen der US-Außenministerin Rice und dem deutschen Außenminister Steinmeier wegen der Weigerung des Deutschen, die beiden Staaten Georgien und Ukraine in den »Aktionsplan für die Mitgliedschaft« in die NATO aufzunehmen, so groß, dass Rice Steinmeier »dem Vernehmen nach am Telefon anbrüllte.«



 
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