Am fünften Tag ihres als "Pflegefall Charité" geführten Stations- und Operationsstreiks haben die nichtärztlichen Beschäftigten an den drei Standorten des Berliner Universitätsklinikums erstmals seit 2008 überhaupt ein ernsthaftes Verhandlungsangebot der "Arbeitgeber"seite erzwungen. Die von ver.di geführte Streikversammlung entschied, die Arbeitsniederlegung von täglich rund 2 000 Krankenschwestern, Pflegern und Medizintechnikern für die Dauer dieser Tarifverhandlungen ab 9. Mai auszusetzen. Präsent bleiben indes die Streikposten an den Campi auch weiterhin für die Berliner Bevölkerung. Denn zugleich weiteten die prekär entlohnten Zeitarbeiterinnen und -arbeiter der ausgelagerten und teilprivatisierten Klinikums-Tochter "Charité Facility Management" (CFM) ihre solidarisch begleiteten Arbeitsniederlegungen aus. Im Kampf um einen Tarifvertrag und für Löhne, die regulär um bis zu 30 Prozent anzugleichen sind, ließen zu Beginn dieser zweiten Streikwoche 600 Aktive um die CFM-Betriebsgruppe von ver.di vor allem den Krankentransport und Labor-Shuttleverkehr durch die Stadt ruhen. Einschüchterungs- und Streikbruchversuche durch Vorgesetzte werden auch in Betriebsversammlungen öffentlich gemacht. Als "bettelnde" Spassivisten in Drei-Groschen-Manier suchten Streikende am Dienstag das Renommier-Geschäft entlang der Einkaufsmeile "Ku´damm" zu beeinträchtigen. Die Botschaft ist unmissverständlich: Verhandelt werden muss für alle, die an der Charité und für sie beschäftigt sind. Es muss auch eine Ost-West-Angleichung der Entlohnung geben.
Der Berliner Senat von SPD und der Partei "Die Linke" (PDL) hat den Arbeitskampf im laufenden Wahljahr mit heraufbeschworen und wird von seiner eigenen politischen Basis harsch öffentlich kritisiert. So sah sich der vom Finanzsenator Nußbaum auf harten Sparkurs getrimmte Charité-Vorstand in der Vorwoche zu einer peinlichen Notdienst-Vereinbarung mit anderen Berliner Krankenhäusern genötigt. Die OP-Ausfälle betrugen etwa 50 Prozent, rund 300 Betten waren nicht belegbar. Dafür sprang unter anderem der städtisch geführte Vivantes-Konzern ein. Hier liegt die reguläre Entlohnung für das Pflegepersonal um durchschnittlich 300 Euro höher als im Charité-Billigtarif. Genau diese auszugleichende Lohndifferenz auch gegen Fachkräfte-Abwanderung macht jedoch eine Kernforderung des Arbeitskampfes an der Charité aus, die nach Nußbaums Vorgabe das drastisch heruntergefahrene Ausgabendefizit 2011 ganz auf Null fahren muss.
Zwecks solcher "Ausgaben-Begrenzung", sprich Lohndumping und Tarifflucht in und zu Lasten der öffentlichen Daseinsvorsorge, verkaufte die SPD/PDL-Koalition 49 Prozent der Landesanteile für den 2006 ausgegliederten CFM-Bereich an ein privates Konsortium unter anderem um die Dussmann-Gruppe. 51 Prozent der Anteile verblieben unter Landesaufsicht. Von 2 500 ausgeflaggten Arbeitskräften für Haustechnik, Sterilisation, Küchenbetrieb und Reinigung konnte nur etwa für ein Drittel der gültige Haustarif wieder erstritten werden. Zwei Drittel der leihweisen Stellenbesetzungen werden mit 5 bis 7 Euro pro Stunde entlohnt. Ein Tarifvertrag wird ihnen verwehrt. Der im Aufsichtsrat vertretene Senat nimmt seine Verantwortung nicht wahr und unterläuft somit das eigene, von SPD und PDL verabschiedete Berliner Vergabegesetz. Demzufolge dürfen öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden, die mindestens 7,50 Euro pro Stunde zahlen.
Die DKP Berlin hat sich solidarisch mit dem Streik erklärt und fordert dazu auf, Aktionen zu starten. Der Streik geht alle an, betonte Landesvorsitzender Rainer Perschewski.